Zwischenzeugnisse:Einen Gang runterschalten, Frau Ministerin

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Möchte Schüler motivieren: Jugendministerin Ulrike Scharf.  (Foto: Catherina Hess)

Bayerns Jugendministerin Ulrike Scharf rät Schülern, im zweiten Halbjahr den „Turbo zu zünden“. Wo bleibt das Recht auf Chillen?

Glosse von Nina von Hardenberg

Bayerns Schüler machen gerade ziemlich was durch. Sie kämpfen sich – grausamen Kultusministern sei Dank – bis zu den Frühjahrsferien durch acht Schulwochen am Stück – den längsten derartigen Lernmarathon des ganzen Jahres. Fast der gesamte Januar und Februar gehen mit Schule drauf, und damit eine Jahreszeit, in der jeder vernünftige Mensch Winterschlaf hält, am besten bis zum Anfang der Freibadsaison. Davon aber können Bayerns Schüler nicht einmal tagträumen. Es bleibt keine Zeit, um zu chillen und den wichtigsten Foodbloggern beim Crumble-Cookie-Backen zuzuschauen. Die Lehrer packen die ersten Wochen des Jahres voll mit Vokabeltests und Matheproben.

Während der durchschnittliche Achtklässler also über Hyperbelfunktionen und die Frage rätselt, wie viele Worte für „töten“ eine tote Sprache haben kann, drückt ihn die Erkenntnis nieder, dass dieser Zustand quasi noch endlos andauern wird, bis zum ersten März nämlich. Und auch dann bleibt nur eine Woche Ferien zum Luftholen, bevor die Schule einen für weitere fünf Wochen einkassiert.

Einziger Silberstreif am grauen Februarhimmel sind da die Zwischenzeugnisse, nach denen sich auch die Lehrer ein wenig sammeln, bevor sie sich neue Abfragen ausdenken.

Ausgerechnet in diese Verschnaufpause hupt nun Bayerns Familien- und Jugendministerin Ulrike Scharf (CSU) mit einer Motivationsparole rein. Schüler mit schlechten Noten hätten bis zum Sommer noch genug Zeit, um sich zu verbessern, schreibt sie in einer Pressemitteilung. „Ihr könnt jetzt den Turbo zünden, um im zweiten Halbjahr durchzustarten.“

Das mit dem Turbo hätte sie besser nicht gesagt. Aus Sicht der Jugendlichen gehört sie damit klar zum Team älterer Helikopter-Eltern, zur Generation „Ghettoblaster und Fete“ nämlich, die es seinerzeit auch noch schick und erwähnenswert fand, dass Autos mit Turbo ausgestattet waren, was heute erstens Standard bei Sportwagen ist und zweitens keinen Halbstarken interessiert, weil die lieber im Fitnesscenter Gas geben.

Motivation ist im Schulalter ein empfindliches Pflänzchen. Manch ein Kind trägt sie in sich. Die anderen sind mit Marschparolen kaum zu erreichen. Ob Eltern, Lehrer oder Ministerin: Einfach mal einen Gang runterschalten.

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