Süddeutsche Zeitung

Bayerns Ministerpräsidenten auf Reisen:Überflieger aus groovy Bavaria

Roter Platz, Taj Mahal, Spiegelsaal und immer wieder Quebec: Bayerns Ministerpräsidenten sind häufig unterwegs - und setzen bei ihren Reisen ganz unterschiedliche Akzente. Einer steuerte seinen Flieger sogar selbst.

Frank Müller

Ministerpräsident Horst Seehofer wird in den nächsten Tagen zwar mehrere Fluggeräte besteigen, einen Hubschrauber und ein Flugzeug. Doch größere Gefahren müssen seine Begleiter bei der ab Sonntag anstehenden Schweizreise dadurch nicht befürchten.

Seehofer fliegt, aber er fliegt nicht selbst - das unterscheidet ihn vom legendären Bayernüberflieger Franz Josef Strauß. Dessen Reise kurz vor Jahresende 1987 mit der selbst gesteuerten Cessna nach Moskau hat sich in der Liste großer CSU-Anekdoten ganz weit oben verewigt.

Was heute undenkbar klingt, fand damals statt: Ein Ministerpräsident fliegt auf Auslandsreise nicht nur selbst, sondern landet auch noch auf einem wegen Schneetreibens eigentlich gesperrten Flughafen, weil er nur noch für wenige Minuten Treibstoff hat.

Bekanntlich ging die Sache gut aus, sonst hätte die Parteigeschichte einen anderen Verlauf genommen. Im Flieger saßen immerhin die kommenden Größen Edmund Stoiber und Theo Waigel sowie Gerold Tandler.

25 Jahre später, in der Ära Seehofer, findet bayerische Außenpolitik auf anderer Flughöhe statt: organisatorisch ausgereifter, aber mit nicht ganz derselben Antriebskraft durch den Chef.

Zu Straußens Zeiten entfalteten dessen Ausflüge mitunter weltpolitische Dimension - etwa als er 1975 als erster westdeutscher Politiker nach China fuhr und dort KP-Chef Mao Zedong traf. Während Strauß-Ziehsohn Stoiber dann nimmermüde in alle Ecken der Weltwirtschaft strömte, schalteten der nur kurz amtierende Günther Beckstein und auch Nachfolger Horst Seehofer etwas zurück.

Beckstein regierte zu kurz, um größere Spuren zu hinterlassen, er schaffte es nur zu zwei Trips in die Golfstaaten und ins bei Bayerns Außenbeziehungen allgegenwärtige Quebec. Mit der kanadischen Region unterhält der Freistaat eine Partnerschaft.

Quebec war folgerichtig auch Ziel für Stoiber, den Unermüdlichen, der es in 15 Dienstjahren auf 58 Trips ins Ausland brachte. Stoiber reiste in die Wirtschaftszentren der Welt, oft mit großer Entourage, und zog die Fäden in Sachen High-Tech und Globalisierung.

Wer sich die alten Bilder ansieht, taucht tief ein in die vergangene Herrlichkeit der Zweidrittelmehrheit: Die Stoibers in Schloss Versailles und vor dem Taj Mahal, Stoiber mit US-Notenbankchef Alan Greenspan und so fort. Mitunter stoiberte Stoiber dann auf Englisch und rief dem texanischen Publikum zu: "Texas is a groovy country."

Gleichwohl waren Stoibers Auslandstrips vor allem streng durchgetaktete Arbeitsreisen. Die romantische Seite manch touristischen Ziels erschloss sich ihm erst auf den zweiten Blick.

Horst Seehofer haftet dagegen der Ruf an, er verreise nicht so gern - weder privat noch dienstlich. Dabei halten seine bislang 13 Auslandsreisen annähernd Stoibers Schnitt, wenngleich sie kürzer sind und nicht so weit weg führen. Manche seiner weniger europakritischen Parteifreunde wären schon froh, wenn der CSU-Chef häufiger in Brüssel aufschlagen würde. In Berlin dagegen ist Seehofer als CSU-Chef und als Bundesratspräsident ständig, auch am Freitag war er wieder dort.

Wie er international eingeschätzt wird, das musste sich Seehofer zu seinem Missvergnügen vor eineinhalb Jahren durch Indiskretionen aus der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks sagen lassen: "Insgesamt hatte Seehofer zu außenpolitischen Themen wenig zu sagen und schien selbst über grundlegende Dinge nicht informiert", notierten US-Diplomaten seinerzeit ihre Eindrücke über Seehofer bei der Münchner Sicherheitskonferenz.

Seehofer ging darüber, wie so oft, mit einem Scherz hinweg. Doch was er unlängst bei einer Regierungserklärung im Landtag ankündigte, dürfte auch als späte Antwort zu verstehen sein: "Ich werde 2012 einen Schwerpunkt setzen auf Auslandsreisen und internationale Partnerschaften."

Auftakt ist am Sonntag also die zweitägige Reise in die Schweiz, in der erstaunlicherweise noch nie ein bayerischer Regierungschef offiziell zu Gast war. Solche Premieren in der Nachbarschaft könnten durchaus zum Markenzeichen von Seehofers Regierungszeit werden. Auch nach Prag fuhr er als erster bayerischer Ministerpräsident und setzte dort auf schwierigem Terrain Zeichen der Freundschaft.

In diesem Jahr habe er noch mehr vor, sagte Seehofer im Landtag: "im April nach Brasilien, im Sommer in die Niederlande und in die USA, im Herbst nach Russland und Israel". Doch bei allem Aufbruch: Die Zeiten, da ein Regierungschef dabei selbst am Steuer saß, sind unwiederbringlich vorbei.

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SZ vom 11.02.2012/tob
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