Süddeutsche Zeitung

BayernLB und die CSU:Abrechnung mit einem Abwesenden

Die BayernLB hat die CSU im Griff: Bei der Suche nach den Schuldigen spielt der ehemalige Ministerpräsident Stoiber eine große Rolle.

Kassian Stroh

Das Thema Landesbank, sagt Horst Seehofer am Montag plötzlich, "hat uns seit einem Jahr im Griff und es wird uns bleiben." Das erklärt der Mann, der vor einem Jahr in Bayern Ministerpräsident wurde, der damals erst während der Koalitionsverhandlungen mit der FDP erfahren hatte, welche Milliardenlöcher sich bei der BayernLB auftaten. Und Seehofer, der auch CSU-Chef ist, fügt an: "Das ist eine große politische Belastung nicht nur für meine Partei, sondern auch für mich persönlich."

Zehn Milliarden Euro musste der Freistaat vor einem Jahr der Bank zuschießen, um sie vor der Pleite zu bewahren. Jetzt beendet sie ihr Engagement bei der österreichischen Hypo Group Alpe Adria (HGAA), das sie in zwei Jahren fast vier Milliarden Euro gekostet hat.

Seehofer weiß: Unter all dem leidet vor allem die "Wirtschafts- und Finanzkompetenz" seiner Partei, wie er es nennt. Darunter leidet also, was die CSU in den Jahren unter Edmund Stoiber ausgezeichnet hat. Der vor allem reklamierte für Bayern die besten Wirtschaftsdaten, die solidesten Staatsfinanzen - und diese Superlative damit auch für seine Regierung. Alles perdu nun in Seehofers Augen.

Beckstein am Pranger

Genau dieser Umgang mit der Vergangenheit treibt offenbar einen Keil in den Vorstand der CSU, als der am Montag in München tagt. Dort melden sich die zu Wort, die 2007, als die BayernLB bei der HGAA einstieg, Verantwortung trugen. Erwin Huber, damals Wirtschaftsminister, oder Günther Beckstein, als Innenminister ebenfalls im Verwaltungsrat der Bank. Man dürfe jetzt nicht alles einfach auf die alte Regierung abwälzen, halten sie Seehofer vor.

Beckstein insbesondere fühlt sich an den Pranger gestellt. Zwar sei der Schaden für den Steuerzahler "in höchstem Maße bedauerlich", sagt er. Aber er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, als er den Milliardendeal absegnete. "Ich weise energisch zurück, dass ich pflichtwidrig gehandelt habe" - so wie es die Opposition unterstellt, die gegen ihn und andere Beteiligte Strafanzeige gestellt hat. Doch auch Seehofer lässt inzwischen prüfen, gegen wen Schadenersatzansprüche bestehen könnten.

Auch Theo Waigel meldet sich zu Wort, der Ehrenvorsitzende, und warnt davor, die "persönliche Integrität" der damals Handelnden in Frage zu stellen - sonst stehe die CSU die Bewältigung dieser Krise, ihrer "schwersten Krise", nicht durch.

Georg Schmid, damals als Staatssekretär im Verwaltungsrat, dem Kontrollgremium der Bank, spricht von "Vorverurteilungen", "Selbstzerfleischung" und "Schlammschlacht". "So kann man nicht miteinander umgehen", erregt er sich. Schmid sitzt heute der CSU-Landtagsfraktion vor.

Seehofer hält nicht viel von ihm und hat ihn das des Öfteren spüren lassen. Der CSU-Chef fühlt sich angegriffen und gibt zurück, er habe keine Schuldzuweisungen betrieben, nie Namen genannt. Nicht alle im CSU-Vorstand glauben ihm das.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was sich Seehofer von Stoiber erwartet und ob sich der Ministerpräsident auch in der Verantwortung sieht.

Im Video: BayernLB-Chef tritt zurück. Michael Kemmer zog damit die Konsequenzen aus dem Milliardendebakel um die österreichische Bank HGAA. Weitere Videos finden Sie hier

Nur ein Ärgernis kann der Parteichef offenbar gleich aus der Welt schaffen. Als sich nämlich Beckstein beklagt, dass er am Wochenende Seehofer per SMS um Rückruf gebeten habe, aber nichts geschehen sei, sagt Seehofer, dass Beckstein die SMS offenbar an seine alte Handy-Nummer gesendet habe. Die gilt seit einem Jahr nicht mehr.

Es ist Beckstein, der auch - wenngleich nicht namentlich - Stoiber ins Spiel bringt. Dessen gesamtes Kabinett sei seinerzeit in den Kauf der HGAA eingebunden gewesen und habe ihn begrüßt, sagt er. Der CSU-Ehrenvorsitzende Stoiber indes ist nicht da.

Obwohl es doch auch um Stoibers Vermächtnis geht, das er, als er vor zwei Jahren die politische Bühne verließ, noch mit den Worten umriss, er habe das Erbe des großen Franz Josef Strauß nicht nur bewahrt, sondern gemehrt - was in der CSU einer Seligsprechung nahekommt.

Ja, er habe auch mit Stoiber über all die Dinge gesprochen, sagt Seehofer. Was genau, verrät er unter Berufung auf das "Telefongeheimnis" nicht. Ob er sich denn nicht eine öffentliche Erklärung, vielleicht eine Entschuldigung Stoibers wünsche, wird Seehofer gefragt. "Ich wünsche nichts, ich fordere nichts", erklärt er lapidar. Die Stimmung im CSU-Vorstand ist gedrückt.

In dieser Situation ist der größte Vorteil für die CSU und die Staatsregierung noch, dass das HGAA-Debakel, so wie es momentan aussieht, den Freistaat finanziell nicht direkt belastet. Die BayernLB kann die nun nötigen Abschreibungen meistern, ohne dass ihr Eigentümer noch einmal Geld zuschießen müsste. Das dürfte auch Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) ein wenig entlasten.

Der ist in den vergangenen Tagen durch die Veröffentlichung interner Papiere stark unter Druck geraten, was seine Rolle bei der Aufklärung des dubiosen HGAA-Geschäfts betrifft. Seehofer lobt seinen Minister, der an der Sitzung nicht teilnimmt, weil er im Flieger zurück aus Wien sitzt, ausdrücklich und versichert ihn seiner "vollen Unterstützung". Hier klatschen alle CSU-Vorständler. "Fahrenschon hat sehr gut verhandelt", sagt Seehofer.

Doch er erwähnt selbst, dass letztlich er, der Ministerpräsident, in der Verantwortung steht. "Die Endentscheidung", sagt er über die dramatische Verhandlungsnacht, "ist gegen 6:30 Uhr von mir getroffen worden." Das Thema Landesbank hat Seehofer weiter im Griff.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.152451
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.12.2009
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.