BayernLB-Ausschuss:Edmund Stoiber weiß von nichts

Dem Vorstand vertraut, keinen Druck ausgeübt - und von den Risiken des Katastrophen-Deals mit der HGAA will er nichts gewusst haben: Edmund Stoiber weist alle Verantwortung im BayernLB-Desaster von sich.

Birgit Kruse

In seiner Zeit als Ministerpräsident war Edmund Stoiber für Vieles bekannt und für Etliches berüchtigt. Zum Beispiel für seine große Unpünktlichkeit oder für lange Ähem-Schachtelsätze in noch längeren Reden, die selbst seinen Anhängern viel Disziplin und Durchhaltevermögen abverlangten.

Stoiber Zeuge im BayernLB-Untersuchungsausschuss

"Die Idee des Kaufs der HGAA stammt nicht von mir": Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hat jede Verantwortung für die fatale Übernahme der österreichischen Bank durch die BayernLB abgelehnt.

(Foto: dpa)

Von beidem ist am Mittwoch bei seinem Auftritt im BayernLB-Untersuchungsausschuss nichts zu merken. Nur einmal bringt Stoiber den überfüllten Raum zum Lachen.

Für neun Uhr ist der Zeuge Edmund Stoiber bestellt. Pünktlich um kurz vor neun biegt der einstige CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident um die Ecke und steuert mit weiten Schritten auf den Saal 3 im Bayerischen Landtag zu.

Vor allem die Opposition erwartet sich viel von seiner Zeugenaussage. Zwei Stunden sind dafür eingeplant. Stoiber solle "zu seiner Verantwortung als ehemaliger Regierungschef" stehen, betont der stellvertretende Ausschussvorsitzende Harald Güller (SPD).

Die Opposition macht Stoiber mitverantwortlich für den desaströsen Milliardendeal mit der Kärntner Bank Hypo Group Alpe Adria (HGAA). Güller kann sich nicht vorstellen, dass ein Mann wie Stoiber, der sich bis "zur Farbe der Aktendeckel" in die Vorgänge seiner Ministerien eingemischt hat, nichts von den Risiken des Kaufs wusste.

Doch die Erwartungen der SPD werden enttäuscht. Gerade einmal 45 Minuten braucht der 69-Jährige, um seine Position im Verhandlungspoker um die marode HGAA darzustellen: Er trage keinerlei Mitverantwortung an dem HGAA-Deal. Die Idee, die Kärntner Bank zu kaufen, "stammt nicht von mir", betont Stoiber. Der Vorstand von Deutschlands zweitgrößter Landesbank habe vielmehr das Vorhaben für sich entdeckt und vorangetrieben. Er selbst habe "keinerlei Druck" ausgeübt, diese oder eine andere Bank zu kaufen. Außerdem sei er "nicht der Erfinder der Südosteuropastrategie der Landesbank".

Auch sei er nie über die Risiken des Deals informiert worden. "Es gab nie eine rote Warnleuchte", sagt Stoiber. Wenn es eine solche gegeben hätte, dann "hätte ich sicherlich bei den Verwaltungsräten nachgehakt, davon können Sie ausgehen", betont der ehemalige Ministerpräsident. Doch alle Vermerke hätten ein eindeutiges Signal ausgesendet: "Alles lösbar, alles im Griff".

Das Geschäft mit Österreich hat den Freistaat und damit den Steuerzahler mehr als 3,7 Milliarden Euro gekostet. Neben Verlusten mit riskanten US-Wertpapieren hat die BayernLB in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise vor allem unter den Problemen in Osteuropa gelitten und in den Jahren 2008 und 2009 zusammen fast acht Milliarden Euro Verlust angehäuft. Ohne staatliche Hilfe durch den Freistaat hätte das Institut die Krise nicht überlebt.

"Der Vater des Wunsches ist hier der Gedankengang"

Stoiber betont, er sei als Ministerpräsident weder Mitglied der Generalversammlung der Landesbank noch Mitglied des Verwaltungsrats gewesen. Dafür macht er deutlich, welche seiner Parteifreunde Einfluss auf die Geschäfte der Bank hätten haben können. Er habe seinen "wichtigsten Ministern mit hohem Ansehen vertraut". Gemeint sind Kurt Faltlhauser (Finanzen), Erwin Huber (Wirtschaft) und Günther Beckstein (Innen). Alle drei saßen im Verwaltungsrat.

Und auch die Behauptung, er habe die Bank "politisch geführt", sei "absoluter Unsinn". Stoiber: "Unternehmen werden nicht von Ministerpräsidenten geführt". Außerdem habe der damalige Finanzminister Faltlhauser den Ministerrat deutlich wissen lassen, dass "Bankinterna" das Kabinett nichts angehen.

Das Kabinett habe sich "nicht konstitutiv" mit dem Kauf der HGAA befasst. Außerdem hätte sich Faltlhauser bei ihm, dem Ministerpräsidenten, gemeldet, wenn er beim Kauf der HGAA davon ausgegangen wäre, dass es die politische Richtlinienkompetenz betreffe. "Das ist nie geschehen".

In die operativen Geschäfte der Bank habe er sich daher nicht eingemischt, sagt der ehemalige Ministerpräsident. "Alles andere wäre bei der Landesbank auch rechtlich fragwürdig gewesen", sagt Stoiber und betont: "Der Ministerpräsident ist nicht der Kontrolleur der Kontrolleure und kann das rechtlich auch gar nicht sein." Insofern trage der damalige Vorstand die Verantwortung.

"Größenwahn? Ich weiß nicht, was das sein soll!"

Für Stoiber ist damit alles gesagt - für die Opposition noch lange nicht. Seit zwei Stunden stellen sie nun schon Fragen. Immer wieder wiederholt Stoiber Sätze, die er auch schon in seiner Aussage gebraucht hat. Nur einmal wird er wütend. "Größenwahn?" Das will er nicht hören und weist den Vorwurf der Opposition zurück, ob Größenwahn zum HGAA-Debakel geführt habe. "Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was das sein soll", zischt er. "Ja, wir haben uns in Bayern angestrengt. Wir haben es geschafft, dass Bayern praktisch in allen Disziplinen Spitze in Deutschland und auch in Europa ist - ist das Größenwahn?"

Sonst ist Stoiber ziemlich ruhig an diesem Mittwochvormittag. Er stockt nicht, verheddert sich nicht in langen Schachtelsätzen. Nichts von der satirischen Wucht seiner Transrapid-Rede.

Nur einmal kommt er kurz in Stocken und verhaspelt sich nach altbekannter Manier. Unterlagen des stellvertretenden Vorsitzenden Güller zufolge soll der ehemalige Kärntner Regierungschef Jörg Haider mit allen Beteiligten gesprochen haben - folglich auch mit Stoiber. Von wegen, entgegnet dieser: "Der Vater des Wunsches ist hier der Gedankengang."

Ganz zum Schluss, nach einer mehr als zweieinhalbstündigen Befragung, darf Stoiber noch einmal einen Gedanken wiederholen, der ihm bestimmt sehr am Herzen liegt. Dass Bayern für ihn immer Herzblut und Leidenschaft gewesen ist. "Umso mehr ärgere ich mich über die Entwicklung bei der Landesbank."

Bei der Opposition ist es ihm jedenfalls an diesem Vormittag nicht gelungen, den Eindruck zu erwecken, er habe mit den wichtigsten Fragen im Freistaat nicht zu tun: So beklagt Ausschuss-Vize Güller (SPD), Stoiber fliehe aus der Verantwortung und spiele seine Rolle "ganz konsequent runter". Der frühere Ministerpräsident habe die politische Verantwortung für das Milliardendebakel bei seiner Befragung "auch nicht ansatzweise" übernommen. Der Grünen-Abgeordnete Sepp Dürr sagt, Stoibers primäre Verantwortung liege darin, dass er als Ministerpräsident die falschen Weichen gestellt habe.

Und Freie-Wähler-Finanzexperte Bernhard Pohl kommentiert Stoibers Auftritt folgendermaßen: Dessen Vorgänger würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie diese Vorstellung eines ehemaligen Ministerpräsidenten erlebt hätten.

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