Bayernkurier greift Bayerischen Rundfunk an:Der abtrünnige Sender

Ein Frontalangriff: Der Bayerische Rundfunk habe sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Rot-Grün-Funk entwickelt, schrieb die CSU-Parteizeitung "Bayernkurier". Nun versuchen Seehofer und Dobrindt die Wogen zu glätten.

Am Tag danach gibt es auf den Gängen im Bayerischen Rundfunk Gelächter. Ob das die CSU wirklich ernst meine mit ihrer Kritik an angeblich einseitiger Berichterstattung in den Hörfunkprogrammen des BR, fragen sich die Mitarbeiter und geben die Parole "Entspannung" aus. "Das geht schon seit ein paar Jahren so, dass die CSU immer mal wieder zündelt, heißt es dort. "Da gibt es überhaupt keine Aufregung."

Finanzielle Situation des Bayerischen Rundfunks

Das Funkhaus in München: Zum erstenmal könnte der Bayerische Rundfunk eine Frau als Technische Direktorin bekommen.

(Foto: Lukas Barth/dpa)

Die herrscht dafür anderswo: In einem langen Artikel hatte das CSU-Parteiorgan Bayernkurier ein ganzes Bündel an Vorwürfen gegen den BR zusammengetragen - also ausgerechnet gegen jenen Sender, den die CSU viele Jahre lang als eine Art Subunternehmen der Partei betrachtete. Das berühmteste Beispiel: Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl blendete sich der BR am 22. Mai 1986 in Bayern aus der Kabarettsendung Scheibenwischer aus - die Inhalte hatten der CSU-Staatsregierung und Fernsehdirektor Helmut Oeller nicht gepasst.

Inzwischen aber steht der Bayerische Rundfunk unter Rot-Grün-Verdacht wie einst der Westdeutsche Rundfunk oder Radio Bremen, zumindest beim Bayernkurier: "Massiv überrepräsentiert" seien SPD und Grüne in den landespolitischen Beiträgen, monierte die Redaktion in einem nicht namentlich gekennzeichneten Beitrag und machte das Fass weit auf: Ob es die Nachrichten in allen Hörfunkkanälen sind oder die "Radiowelt" auf Bayern 2 oder auch die Berichte in B5 aktuell - an allen Fronten sieht das CSU-Organ "in Nachrichten verpackte Meinungen, tendenziöse Moderationstexte, einseitige Auswahl von O-Tönen und Interviewpartnern sowie gezielte thematische Schwerpunktsetzung in der Berichterstattung".

Als Beispiele nennt das Blatt die Kür des SPD-Spitzenkandidaten, bei welcher "der BR-Hörfunk mit höchster Aufgeregtheit jede Nuance des Willensbildungsprozesses von Christian Ude" begleitet habe. Oder die Tatsache, dass der BR bei einer Kabinettsklausur zum Haushalt trotz "beispiellosen Beschlüssen" vor allem SPD-Landeschef Florian Pronold zu Wort habe kommen lassen - noch dazu "per technisch miserablem Telefon-O-Ton".

Den letzten Punkt räumen selbst BR-Mitarbeiter ein, und in der CSU finden ohnehin viele, dass die Kritik am BR berechtigt sei. Man werde immer wieder von der Parteibasis auf solche Punkte angesprochen, heißt es auch in der Redaktion des Bayernkurier, dessen Chefredakteur Peter Hausmann - selbst früher beim BR - gerade in Urlaub ist.

Nicht mehr auf CSU-Linie

Doch die Parteiführung ist dennoch wenig erbaut vom Rundumschlag des Parteiblatts. "Unser Stil ist es, die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner zu suchen und nicht mit den Medien", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der SZ. Er werde die "Redaktion zu einem Gespräch bitten", so Dobrindt. Davon, dass dieses sonderlich gemütlich wird, dürfte nicht auszugehen sein. Denn anders als früher ist die Partei um Mäßigung beim Umgang mit Medien bemüht. Auch Parteichef Horst Seehofer soll über die Attacken nicht begeistert sein. Nach Informationen aus Parteikreisen rief der Ministerpräsident selbst bei BR-Intendant Ulrich Wilhelm an und distanzierte sich von den Angriffen.

Wilhelm selbst wollte sich gestern nur kurz zum Frontalangriff im Bayernkurier äußern: Pauschale Vorwürfe oder gar Medienschelte seien nie angemessen oder gerechtfertigt, sagte er zur SZ. Kritik an einzelnen Beiträgen gehe man hingegen nach. Im Sender legt man Wert darauf, frei von parteilichen Interessen zu agieren, so wie das auch in seinem Wertekodex festgelegt sei, den der Rundfunkrat 2010 verabschiedet habe.

Auch Kommunikationswissenschaftler Carsten Reinemann von der LMU kann die Aufregung nicht nachvollziehen. Der Aufbruch der SPD in Bayern habe nun einmal Nachrichtenwert. Dass die Partei stärker thematisiert werde als vorher, könne man deshalb niemandem vorwerfen. "Von einer Fehlleistung der Medien kann keine Rede sein", so Reinemann. Dass der Bayerische Rundfunk nun "nicht mehr ganz so stramm" auf CSU-Linie sei, mache ihn eher ausgewogener als vorher. Ein abschließendes Urteil darüber könne aber nur eine ausgeklügelte Inhaltsanalyse leisten. Dafür müsste erfasst werden, welche Partei wie oft und in welchem Licht präsentiert wird - ein schwieriges Unterfangen.

Entsprechend leidenschaftlich wird auch im Rundfunkrat über die Berichterstattung im BR gestritten, wie die Protokolle des Gremiums zeigen. Dort monierte zuletzt CSU-Vertreter Thomas Goppel die Berichterstattung über Fukushima und den Papstbesuch als zu einseitig.

Auch Kabarettist Wolfgang Krebs, 45, las die Tirade der CSU im Bayernkurier. Als Mitglied bekommt er ihn in den Briefkasten. Doch Krebs zählt zu jenen Leuten in der CSU, die sich bei der Lektüre des Parteiorgans eine andere Meinung vorbehalten. "Ich habe im Bayernkurier schon Intelligenteres gelesen", sagt er, "über diesen Beitrag war ich entsetzt".

Dass der Bayerische Rundfunk politisch gefärbt sein soll, diesen Eindruck könne er weder als Hörer noch als freier Mitarbeiter bestätigen. Das sei früher, zu Straußens Zeiten, anders gewesen. Nur weil der BR "nicht willfährig ist, sondern neutral, darf man ihn nicht in eine Ecke stellen". Der Sender solle sich von der "deplatzierten Attacke" und der "gnadenlos eingefärbten Parteisicht" nicht irritieren lassen. Gerade als früherer Mitarbeiter eines privaten Fernsehsenders schätzt Krebs den Wert einer öffentlich-rechtlichen Anstalt: Unter dem neuen Intendanten sei der BR auf einem sehr guten Weg.

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