Süddeutsche Zeitung

Bayernheim:71 statt 2000 Wohnungen - die Bilanz von Söders Bayernheim

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Markus Söder initiierte die neue staatliche Wohnbaugesellschaft mit großen Plänen, doch aus der Offensive Wohnungsbau ist nichts geworden. Die zuständige Ministerin verweist aufs Baurecht.

Von Andreas Glas und Johann Osel, München

Fast drei Jahre ist es her, dass Markus Söder das Grundsatzprogramm der CSU für die Landtagswahl 2018 präsentierte. Der damals noch designierte Ministerpräsident erklärte das Thema Wohnen zur "zentralen sozialen Frage". Um etwas gegen die Wohnungsknappheit zu tun, kündigte er an, eine staatliche Wohnbaugesellschaft namens "Bayernheim" zu gründen. Sein Versprechen: 2000 neue Wohnungen bis 2020. Nun ist das Jahr 2020 fast rum. Und die Diskrepanz zwischen Söders Versprechen und der Realität ist doch erheblich. Statt auf 2000 bringt es die Bayernheim auf exakt 71 fertige Wohnungen.

Diese Bilanz offenbaren Antworten von Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) auf Anfragen der Landtagsabgeordneten Jürgen Mistol, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, und Sebastian Körber, wohnungspolitischer Sprecher der FDP. Demnach stehen die 71 Bayernheim-Einheiten allesamt in der Hansastraße in München - und keine einzige davon hat die Wohnbaugesellschaft selbst gebaut.

Das allerdings hatte Söder einst auf die Frage im Tandem mit der damaligen Bauministerin und heutigen Landtagspräsidentin Ilse Aigner angekündigt. Zum Beispiel im Mai 2018 nach der Sitzung des Kabinetts, des "Wohnungskabinetts", wie Söder beim Pressetermin in einem Bauamt in München vermeldete. "Bauen, bauen, bauen" sei die Devise. Um rasch Bauland zu gewinnen, werde der gesamte Grundstücksbestand des Freistaats überprüft und weiterer Ankauf begonnen. Es sei kein Thema von Wochen, aber man gehe jetzt zügig "große Schritte" voran.

Dass Bauprojekte oft jahrelangen Vorlauf benötigen, dass der Grundstücksmarkt umkämpft ist, dass die Zielmarke von 2000 Wohnungen bis 2020 und dem Fünffachen bis Mitte des Jahrzehnts zu ambitioniert sein könnte - diese Stimmen gab es damals. Hubert Aiwanger, seinerzeit mit den Freien Wählern in der Opposition, warnte im Landtag gar vor einer weiteren "Neuen Heimat", dem skandalgeplagten gemeinnützigen Wohnbaukonzern in der alten Bundesrepublik. "Das weiß ich alles noch, diese wohlklingenden Namen. Das waren am Ende Milliardengräber." Andere mahnten, dass für ein solches Mammutvorhaben viel mehr Geld nötig sei.

Die jetzt augenscheinlich maue Bilanz erklärt Schreyer in ihren Antworten: Der Bau von Wohnungen setze ein entsprechendes Baurecht voraus - und "für die zur Verfügung stehenden und für Wohnungsbau geeigneten staatlichen Grundstücke besteht in der Regel noch kein solches Baurecht". Vor dem Hintergrund konnte die Bayernheim selbst noch nichts errichten. Wenngleich Söder beim Wohnungskabinett damals auch dafür vieles in Aussicht stellte - einen "Werkzeugkasten" vor allem für Baugenehmigungen, damit die Bagger schneller anrücken. Man habe, so Söder, "ausgereizt was geht, um das Thema zum prioritären Thema zu machen".

Gleichwohl betont Schreyer eine "positive Zwischenbilanz". Derzeit befänden sich zwei Projekte in der Entstehung oder Bauphase. Darüber hinaus seien 17 Projekte in Vorbereitung. Für den Wohnungsbau würden derzeit Areale etwa in Augsburg und Fürth entwickelt, in Ingolstadt und Freising seien Flächen gekauft worden. Die Planungsstände ließen keine exakte Angabe zu Wohnflächen zu; aber um die 2900 Wohnungen seien "auf den Weg gebracht". Am Ziel von 10 000 Wohnungen bis 2025 könne "festgehalten" werden.

Für FDP und Grüne sieht die Bilanz anders aus. "Groß angekündigt, nichts dahinter", sagt Mistol. Bei 71 Wohnungen im Bestand, zumal zugekauften, sei es mehr als fraglich ist, ob die Zielsetzung von 10 000 bis 2025 erreicht werden könne. "Das Vorhaben war von Anfang an zum Scheitern verurteilt", sagt Körber. "Eine neue Wohnbaugesellschaft ohne bereits vorhandenem eigenen Bestand, Know-how und Erfahrung aus dem Boden zu stampfen, kann nur schiefgehen." Bei den Zukäufen konkurriere die Bayernheim noch dazu mit kommunalen, genossenschaftlichen und kirchlichen Gesellschaften um Grundstücke sowie staatliche Fördermittel.

Gnädiger ist man inzwischen beim Koalitionspartner. FW-Fraktionsvize Joachim Hanisch sagte: Die Ministerin habe betont, dass ein Grund für die Verzögerungen das Baurecht sei. "Hier kann ich nur an die Kommunen appellieren, zügig das Nötige zu veranlassen - daran soll es nicht scheitern." Man müsse aber auch den finanziellen Rahmen betrachten, zumal mit Blick auf die Ausgaben in der Corona-Krise. Da dauere manches eben etwas länger.

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SZ vom 03.12.2020
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