Polizei und Justiz in Bayern haben vergangenes Jahr 83 Ermittlungsverfahren mit insgesamt 773 Tatverdächtigen im Bereich der Organisierten Kriminalität (OK) geführt. Das ist etwas mehr als im Jahr zuvor mit 75 Fällen. Das zeigt das Lagebild Organisierte Kriminalität 2021, das am Donnerstag vom Landeskriminalamt (LKA) und der Generalstaatsanwaltschaft München veröffentlicht wurde. Nur vier dieser 83 Verfahren betrafen ausschließlich den Freistaat, nahezu alle haben internationale Bezüge.
Als organisiert gilt Kriminalität, wenn mehrere Beteiligte arbeitsteilig, in geschäftsähnlichen Strukturen, über längere Zeit und "von Gewinn- und Machtstreben bestimmt" Straftaten begehen. Dazu gibt es eine bundesweite Definition, nach der OK-Verfahren identifiziert werden. "Ziel der Verbrecherorganisationen ist die Gewinnerzielung. Ziel unserer Ermittler ist es, dass sich Verbrechen nicht lohnen darf und delinquentes Verhalten konsequent verfolgt wird", teilte LKA-Präsident Harald Pickert mit.
Am häufigsten stand dabei Organisierte Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben, zum Beispiel Callcenter-Betrug und "falsche Polizeibeamte". Als Trend gilt, dass Bürger mit dubiosen Geldanlage-Produkten oder Kryptowährungen geprellt werden (neun OK-Verfahren). An zweiter Stelle folgt Rauschgifthandel, die Hälfte aller Verfahren hier hatte Bezüge zur italienischen Mafia, zu kriminellen Rockerbanden, die nichts mit Motorrad-Romantik zu tun haben, und zur OK aus Ex-Sowjetstaaten. Dahinter finden sich etwa Schleusung, Geldwäsche oder Menschenhandel. Oder Eigentumsdelikte, dazu gehört das grassierende Phänomen gesprengter Geldautomaten. Vier Fälle betrafen groß angelegten Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen.
Die 773 Tatverdächtigen stammen aus 49 Nationen. Deshalb schauen die Behörden konkret, wer Gruppen dominiert. Das waren vor allem deutsche und türkische Staatsbürger, dahinter aufgeführt werden mit mindestens drei Verfahren Verbrecher aus Italien, Israel, Ukraine, Kosovo, Russischer Föderation, Albanien, Niederlande und Polen. "Medial im Fokus stehende Clan-Kriminalität wie in anderen Bundesländern ist in Bayern weiterhin nicht feststellbar", heißt es im Bericht. Im OK-Lagebild der Bundesbehörden war kürzlich davon die Rede, dass sich in Berlin, Bremen, Niedersachsen und NRW "Clankriminalität in besonderer Weise verfestigt haben"; häufig sind das arabischstämmige Familien.
In Bayern gab es dagegen nur ein einziges OK-Verfahren, das man direkt einem Clan zuordnete: zur Zwangsprostitution, Herkunft Südosteuropa, geführt von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth und dem Polizeipräsidium Mittelfranken. Drei Verfahren - zwei in Nürnberg/Fürth, eines in Memmingen - wiesen zudem Verwandtschaft von Tatverdächtigen zu außerbayerischen Clan-Strukturen auf.
Die Bekämpfung von OK erfordere "spezielles Know-how bei den Staatsanwaltschaften", so Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle. Unter anderem etablierte der Freistaat etwa 50 grenznah angesiedelte Spezial-Staatsanwälte, nach dem sogenannten Traunsteiner Modell. Diese OK-Strafverfolger ermitteln "an Bayerns potenziellen Einfallstoren der internationalen Kriminalität, vom Flughafen Memmingen über die Alpenregion bis zum Grenzübergang Waidhaus in der Oberpfalz", hat Justizminister Georg Eisenreich (CSU) mal erklärt. Aufseiten der Polizei gibt es eigene OK-Einheiten an allen Polizeipräsidien. Die Landtagsgrünen fordern regelmäßig umfassendere Lagebilder, die auch das Dunkelfeld der im Verborgenen agierenden OK ausleuchten.