Süddeutsche Zeitung

Zukunftsdialog der Staatsregierung:Bayern. Heimat. Amen.

Der Ministerpräsident ist ausgezogen, um zu erfahren, was die Bayern so lieben an ihrem Super-Freistaat. Und ob es vielleicht doch noch irgendwo Verbesserungsbedarf gibt. Das Ergebnis ist fast so dick wie eine Bibel - und fast so segensreich.

Von Andreas Glas

Es geht um Heimat und deswegen spielt schon morgens die Blaskapelle in der Münchner Allerheiligen-Hofkirche. Zwei Trompeten, ein Akkordeon, eine Tuba. Das Posaunen übernimmt Markus Söder wie immer selbst. "Bayern ist Sehnsuchtsort", schmettert der Ministerpräsident in den Raum, Brust raus. Nach Bayern kämen diejenigen, die "Hoffnung suchen, die ihr Glück machen wollen". Wer diesen Mann berufsmäßig beobachtet, der weiß, was gleich noch folgt: der unvermeidliche Söder-Slogan vom "bavarian way of life", der heute besonders eigentümlich daherkommt, weil es eben um Heimat geht, um Tradition und Dialekt, aber das Publikum mal wieder zu hören kriegt, wie Amerikanisch dieses Bayern doch ist.

Söder ist da, um Bilanz zu ziehen. Zusammen mit Heimatminister Albert Füracker und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (alle CSU), die monatelang durchs Land getingelt sind, um bei acht sogenannten Regionalkonferenzen herauszufinden, was die Menschen im Freistaat umtreibt. Politische Marktforschung sozusagen, online und offline, Überschrift: "Zukunftsdialog Heimat. Bayern". Was Füracker und Kaniber auf ihrer Rundreise erlebt haben? Zum Beispiel "eine neue Aufbruchstimmung" in jenen Regionen, die "mal ein bisschen auf der Kippe" standen, sagt Söder.

Er meint die vergleichsweise strukturschwachen Landstriche an den Rändern des Freistaats, Teile Oberfrankens vor allem und der Oberpfalz. Der Ministerpräsident will diese Gegenden stärken, etwa indem er Behörden dorthin verlagert hat. Allerdings, wer sich die Ergebnisse des Zukunftsdialogs genau anschaut, den springt die Aufbruchstimmung nicht total unmittelbar an. Das Zukunftsthema, das die Menschen in Oberfranken und der Oberpfalz am stärksten umtreibt, ist demnach der demografische Wandel. Die Alten sterben, die Jungen ziehen fort, doch, in Söders Sehnsuchtsland gibt es auch Ecken, in denen man etwas länger nach dem suchen muss, was die einen Glück nennen, die anderen Wohlstand und Wachstum.

In Nieder- und Oberbayern dagegen, in Schwaben sowie in Mittel- und Unterfranken sind es laut Zukunftsdialog vor allem zwei Themen, die die Menschen beschäftigen: Klimawandel und Energiewende. Insgesamt hat die Staatsregierung elf bayerische "Zukunftsthemen" herausgefiltert, darunter: Daseinsvorsorge, Bürokratieabbau, Mobilitätswende, aber auch "Heimatthemen" wie Bräuche, Dialekte, Ehrenamt. Den elf Zukunftsthemen wiederum wurden 59 Handlungsbedarfe zugeordnet, die Füracker "konkret" nennt, was zugespitzt ist: "Radverkehr weiter ausbauen", "Fachkräftemangel entgegenwirken", "Natur- und Klimaschutz ausweiten", "Betreuungsangebote ausbauen", das sind die Wünsche der Menschen. Alles doch sehr allgemein, und das allermeiste im Bereich des Erwartbaren. Eher überraschend ist, was Kaniber über die jungen Leute in Bayern erzählt. Der Zukunftsdialog habe gezeigt, dass deren "Herzensanliegen" sei, mehr über Versicherungen zu erfahren und darüber, wie man eine Steuererklärung ausfüllt. Was einem halt so ans Herz geht als junger Mensch.

Auf Basis der Ergebnisse des Zukunftsdialogs wolle man nun "nachhaltig etwas verbessern für die Menschen in Bayern", sagt Michaela Kaniber, was einen kurz hochschrecken lässt, weil man nach Söders Rede meinen könnte, dass es in Bayern gar nichts zu verbessern gibt. So klingt das ja meistens beim Ministerpräsidenten, auch an diesem Tag, mal abgesehen von seiner Feststellung, dass Politik "nie statisch ist, nie fertig", dass es also immer was zu optimieren gibt, zum Beispiel den Mobilfunk, bei dem es "nicht vorangeht", das immerhin räumt Söder ein.

Was also stellt die Staatsregierung nun an mit ihren Erkenntnissen? Kaniber verspricht unter anderem, die Förderung von Kleinunternehmern auszubauen. Füracker kündigt einen "Heimaterlebnistag" an und eine "Auszeichnung für besonders heimatverbundene Unternehmen". Ansonsten verlegen sich auch Kaniber und Füracker auf die Betonung, was alles schon gut laufe in Bayern: Waldumbau, Windkraftausbau, Glasfaserverkabelung. Die Landwirtschaftsministerin klingt stellenweise fast so, als hätte es den Bürgerdialog gar nicht gebraucht, weil in der Staatskanzlei eh der größte Bürgerversteher aller Zeiten sitzt. Es sei sehr "erfreulich", dass "das Gespür eines Ministerpräsidenten" für Themen "sehr deckungsgleich mit der Bürgerschaft" sei, flötet Kaniber, die am Ende auch noch um "Kraft und Segen" für ihren Chef bittet. Aber gut, ist ja eine Kirche hier. Und der Ergebnisbericht zum Zukunftsdialog ist laut Kaniber "fast so dick wie eine Bibel", 207 Seiten.

Beinahe pastoral hallen dann auch die Schlussworte des Ministerpräsidenten durch die Allerheiligen-Hofkirche mit ihren nackten Backsteinmauern. Markus Söder fordert die Menschen auf, sich "an die Hand" zu nehmen, und predigt: "Keiner ist allein." In Bayern, sagt er, "haken wir uns unter, damit wir durch die Stürme der Zeit besser durchkommen als andere". Kurz danach ist Schluss. Beifall. Gehet hin in Frieden.

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