Süddeutsche Zeitung

Zugverkehr in Nordostbayern:Alex darf weiter zwischen München und Prag verkehren

Mit dem Zuschlag für die Länderbahn aus Viechtach kommt der für seine Unpünktlichkeit berüchtigte Zugtyp zum Einsatz. Alleinige Schuld an der Misere trägt der Betreiber allerdings nicht.

Von Deniz Aykanat

"So schlimm war's noch nie!" Diesen Satz hörte oft, wer im vergangenen Sommer mit dem Alex-Zug von München nach Regensburg pendelte. Oder von Schwandorf nach Regensburg. Oder gar für ein Wochenende bis nach Prag reiste. Entweder war es voll oder es fuhr gar kein Zug. Auch war man recht oft mit dem Bus unterwegs - dafür, dass man eigentlich eine Zugreise gebucht hatte. Immerhin, günstig war es. All das war drei Monate lang für nur neun Euro zu haben.

Bis Ende September strich die Länderbahn aus dem niederbayerischen Viechtach etwa ein Drittel ihrer ohnehin notorisch unpünktlichen Alex-Züge, die die Zugstrecke München-Prag befahren, weil sich zu viele Mitarbeiter im Krankenstand oder Urlaub befanden. Mit der Corona-Sommerwelle hatten viele Verkehrsunternehmen zu kämpfen, aber nur beim Alex führte sie zu derart massiven Ausfällen. Grund dafür sind auch die Lok-Wagen-Züge des Alex, die die Mitfahrt eines speziell ausgebildeten Zugbegleiters notwendig machen, wie Wolfgang Oeser erklärt, Sprecher der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), die für den Freistaat den Regionalverkehr auf der Schiene bestellt. "Ohne diese Zugbegleiter dürfen die Alex-Züge nicht fahren." Das bedeute ein noch höheres Zugausfallrisiko infolge von Krankmeldungen.

Ausgerechnet dieses Unternehmen hat nun aber von ebendieser BEG wieder den Zuschlag für die Strecke von München nach Prag bekommen. Die bis Schwandorf parallel verlaufende Strecke nach Hof übernimmt weiterhin die DB Regio.

Der Alex belegt beim BEG-Pünktlichkeitsranking seit Jahren die hintersten Ränge. Bei der Servicequalität, also etwa Sauberkeit oder Kundenorientierung des Zugpersonals, konnte er sich zwar verbessern, aber auf niedrigem Niveau. In Bahn-Foren und Kommentarspalten werden die teilweise "historischen" Waggons beklagt, die nicht nur für Rollstuhlfahrer eine Herausforderung sind.

Umso erleichterter wurde von Pendlern zur Kenntnis genommen, als die BEG zunächst der ÖBB-Tochter Allegra den Zuschlag für die Strecke erteilte. Die Österreichische Bundesbahn hat unter bayerischen Bahnfahrern einen guten Ruf, gilt als pünktlich und sauber, und Steckdosen und Internet gibt es auch. Die Freude währte nicht lange. Im Juli kassierte die Vergabekammer Südbayern den BEG-Beschluss, einer der unterlegenen Bieter - vermutlich die Länderbahn - hatte Einspruch eingelegt. Es bestanden Zweifel, ob sich Allegra auf den nötigen finanziellen und technischen Rückhalt durch die Konzernmutter ÖBB stützen werde können.

53 Prozent der Verspätungen gehen auf das Konto der überlasteten Schieneninfrastruktur

Jetzt also doch wieder unpünktliche Alex-Züge. Allein schuld an dieser Misere ist die Länderbahn aber nicht. "Für 35 Prozent der Verspätungen war das Verkehrsunternehmen selbst verantwortlich", rechnet BEG-Sprecher Oeser vor. 53 Prozent der Verspätungen des Alex im Jahr 2021 seien aber durch die Eisenbahninfrastruktur verursacht. Also zum Beispiel durch die 150 Kilometer lange eingleisige Strecke von Schwandorf nach Pilsen oder den Abschnitt von Freising nach München, der völlig überlastet ist. Auch sind lange Streckenabschnitte noch nicht elektrifiziert, was mitunter Lok-Wechsel nötig macht.

Seit Jahren werden Verbesserungen der Strecke München-Prag angemahnt. Erklärtes Ziel - zum Beispiel von Innenminister Joachim Herrmann beim ersten bayerisch-tschechischen Bahngipfel 2017 - war es, die Fahrzeit von mehr als sechs Stunden auf knapp über vier zu reduzieren. An der Netto-Fahrzeit von Pendlern ändert das seit Jahren nichts. Inzwischen wird der "Ostkorridor Süd" von Hof über Weiden bis Regensburg sowie die Strecke von Nürnberg Richtung tschechische Grenze im Koalitionsvertrag der Ampel immerhin als "systemrelevante Bahnstrecke" genannt.

Kleine Verbesserungen sind ab Dezember 2023 zu erwarten - nicht wegen aber trotz des Alex. Die Linien aus Prag und Hof müssen dann nicht mehr im oberpfälzischen Schwandorf zusammengekoppelt werden, sondern fahren abwechselnd weiter bis nach München. Dadurch ergibt sich eine stündliche direkte Verbindung. Durch das entfallende Rangieren erhoffe sich die BEG eine Zeitersparnis und dass sich "Verspätungen eines Zugteils nicht mehr auf den anderen Zugteil übertragen." Stunden spart man sich damit zwar noch nicht, aber ein paar Minuten - und Nerven.

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