Statistik:Zensus 2022: Die Datensammler kommen

Statistik: Eins, zwei drei, vier ... In diesem Jahr werden beim Zensus, der im Mai startet, wieder einmal Daten über die bayerische Bevölkerung gesammelt.

Eins, zwei drei, vier ... In diesem Jahr werden beim Zensus, der im Mai startet, wieder einmal Daten über die bayerische Bevölkerung gesammelt.

(Foto: Claus Schunk)

Die Vorbereitungen für die Volkszählung laufen, Tausende Menschen in Bayern werden deshalb demnächst Post erhalten. Ein statistisches Megaprojekt - das verglichen mit früheren Zählungen trotzdem viel weniger Aufwand ist.

Von Maximilian Gerl, Fürth/München

Wer die Wirklichkeit fass- und vergleichbar machen will, benötigt einen Plan. Und so passt es, dass die Datensammler, die im Jahr 1970 in Bayern mit der Durchführung der Volkszählung beauftragt werden, klare Anweisungen begleiten. Sogar die Wahl des Schreibgeräts ist vorgegeben. Die Antworten auf dem Papierfragebogen des Formats DIN A4 würden mit einem "weichen Bleistift" markiert, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht; außerdem sei die "Kenn-Nummer" in der oberen rechten Ecke des Bogens "vom Zähler bei seiner Abschlußarbeit, geordnet nach Haushalten, auf ein als Zählerliste benanntes Ordnungspapier zu setzen".

Klingt komplex? War es auch - und ist es im Grunde bis heute geblieben. Denn ähnlich wie damals steht den Bayern wieder ein statistisches Megaprojekt ins Haus. Tausende Menschen von Aschaffenburg bis Berchtesgaden werden deshalb demnächst Post erhalten, zur Vorbereitung auf den Tag der Fragen. Denn der 15. Mai ist Zensus-Stichtag - und Auftakt für ein Datensammeln, das es so nur alle zehn Jahre gibt. Allein für die beim Zensus geplanten Haushaltsbefragungen befinden sich hierzulande 550 000 Anschriften in der Stichprobe, "an denen rund 2,3 Millionen Personen gemeldet sind", wie es in einem aktuellen Monatsbrief des Landesamts für Statistik heißt. "Das entspricht etwa 18 Prozent der Bevölkerung." Mit der Durchführung der Interviews sind 20 000 zumeist ehrenamtliche "Erhebungsbeauftragte" betraut.

Schon personell betreiben Bund und Länder also einen Riesenaufwand, um ein aktuelles Bild über die hiesigen Verhältnisse zu gewinnen; darüber, wie die Menschen leben, wohnen und arbeiten und was das für politische Entscheidungen bedeuten kann. Trotzdem kann das Prozedere fast handlich wirken, verglichen mit denen früherer bayerischer Volkszählungen. Denn heutzutage gewinnen Statistikerinnen und Statistiker viele Daten aus Verwaltungsdatenbanken, zum Beispiel aus den Melderegistern der Gemeinden. Zudem nutzen sie andere statistische Methoden, weshalb beim Zensus im Gegensatz zur klassischen Volkszählung nur ein Teil der Bevölkerung befragt wird.

Die ersten Volkszählungen gehen auf das Jahr 1771 zurück

1970 dagegen - so lässt es sich besagtem Bericht entnehmen - musste allein in Bayern noch ein "Zählerheer" von mehr als 100 000 Menschen "in Marsch" gesetzt werden. Sie alle trugen die sogenannten Zählpapiere in die Haushalte und Betriebe und sammelten sie ein paar Tage später bestenfalls ausgefüllt wieder ein. Immerhin: Die Prüfung der Abertausenden Bögen mit ihren Abertausenden Antworten sollte neue Technik erleichtern, genauer die "elektronische Datenverarbeitungsanlage des Typs IBM 360". Die Rechenleistung dieses Schranks von Computer ist nach modernen Maßstäben überschaubar, bedeutete aber einen Fortschritt.

Ohnehin muten die Anfänge der öffentlichen Statistik zäh an. Die ersten flächendeckenden Bevölkerungszählungen in Bayern gehen auf das Jahr 1771 und Johann Nepomuk Joseph von Dachsberg zurück. Seine "Volksbeschreibung" zog sich ein Jahrzehnt hin. Die Reformen von Graf Montgelas brachten dann von 1809 an statistische Jahresberichte und Volkszählungen hervor. Die nach einheitlichen Richtlinien gesammelten Daten halfen dabei, von München aus das Land zu regieren.

Mit dem Zählen waren in den ersten Jahrzehnten die lokalen Behörden betraut - und diese über die zeitraubende Arbeit nicht immer glücklich. Für zusätzliche Komplexität sorgte fehlender Datenschutz. Da den örtlichen Beamten neben der Datenerhebung ja auch die Verwaltung oblag, wollten sich offenbar nicht alle Befragten darauf verlassen, dass ihre Angaben wirklich anonym blieben. Die Folge: Die Bevölkerung mache aus Furcht vor einer höheren Besteuerung unrichtige Angaben, notierte Friedrich Benedikt Wilhelm von Herman, seit 1839 Chef des Königlich Bayerischen Statistischen Bureaus. Datenschutz sollte dann auch mehr als 200 Jahre später, bei der für 1983 geplanten bundesweiten Volkszählung, eine entscheidende Rolle spielen. Aus Sorge, zum "gläsernen Bürger" zu werden, kam es zu Protesten und einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde. Daraufhin mussten die Ämter unter anderem mehr Maßnahmen zur Anonymisierung der Fragebögen ergreifen.

Heute machen sich viele Menschen beim Surfen, Chatten und Shoppen im Netz freiwillig gläsern. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung die Chance, den großen Aufwand analoger Zeiten zumindest ein bisschen kleiner zu halten. Bei der sogenannten Gebäude- und Wohnungszählung etwa - wie die Haushaltsbefragung ein wichtiger Teil des Zensus 2022 - können Wohneigentümer die Fragen online beantworten. Die Mithilfe ist allerdings nicht wirklich freiwillig, zum Antworten verpflichtet das Zensusgesetz. Für die Tausenden Bayern, die ein entsprechendes Schreiben im Briefkasten vorfinden werden, gibt es daher auch kaum ein Entkommen vor dem Tag der Fragen.

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