Nach erneuten Nutztier-Rissen:Ruf nach Abschuss des Wolfes wird lauter

NRW plant Wolfsverordnung mit Regelungen für Abschüsse

Nach zahlreichen Nutztierrissen von Wölfen diskutieren Politiker jetzt über den Abschuss der Tiere.

(Foto: dpa)

Auch Agrarministerin Kaniber und Umweltminister Glauber unterstützen die Forderung - "sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen". Immer wieder kommt es zu Übergriffen auf Nutztiere.

Von Christian Sebald, Bergen

Für den Wolf in der Region Traunstein könnte es womöglich bald eng werden, sehr eng sogar. Am Dienstag hat sich Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) klar für den Abschuss des Raubtiers ausgesprochen. Auch Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) plädierte für eine Entnahme, wie der Abschuss auf Bürokratendeutsch heißt, allerdings nur sofern die "gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen" - wie er betonte.

Der Grund für die Forderung ist, dass der Wolf offenbar wenig Scheu vor Bauernhöfen und Ortschaften hat. Im Gegenteil, er hat in unmittelbarer Nähe von Gehöften immer wieder Nutztiere gerissen. Außerdem ist er wiederholt beobachtet worden, wie er durch Ortschaften lief. Eine Gefahr für Menschen war er bisher aber offenbar nie, zumindest gibt es keine Berichte davon. Allerdings steigt die Furcht in der Region. Der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch (CSU) hat bereits Anfang November bei der Regierung von Oberbayern den förmlichen Antrag auf Abschuss des Wolfes gestellt. Sollte dieser bewilligt werden, wäre das ein neuer Höhepunkt im Streit um den Wolf.

Das Landesamt für Umwelt (LfU), das für die Dokumentation der Wolfsvorfälle in Bayern zuständig ist, hat erst am Montag mehrere neue Übergriffe des Wolfes auf Nutztiere in der Region Traunstein gemeldet. Die Serie begann demnach am Freitag, als in Inzell in einem Wildgatter ein totes Stück Rotwild entdeckt wurde. Am Samstag wurden dann auf einer Weide bei Unterwössen die frischen Kadaver von zwei Ziegen aufgefunden. Am Sonntag stieß ein Landwirt in Markt Schellenberg (Landkreis Berchtesgadener Land) auf einer Weide auf zwei tote und zwei schwer verletzte Schafe. Laut LfU steht zwar noch nicht fest, dass es tatsächlich ein Wolf war, der die Nutztiere überfallen hat. Die Ergebnisse der Gentests werden erst erwartet. Aber die Spuren an den Kadavern und auf den Weiden machen es nach Angaben der Behörde sehr wahrscheinlich.

"Jedes Risiko durch den Wolf für die Bevölkerung" muss ausgeschlossen werden

Bereits Anfang November hatte der Wolf nahe einem Bauernhof in Bergen fünf Schafe gerissen. Und am Mittwoch vergangener Woche hatte ein Junglandwirt nächtens Unruhe unter den Ziegen im Stall neben dem elterlichen Wohnhaus bemerkt. Als er nachsah, überraschte er den Wolf, der sich bereits in eine Ziege verbissen hatte. Beim Anblick des Jungbauern ergriff das Raubtier die Flucht. Zuvor war es in einem Gewerbegebiet bei Bergen gesehen geworden. Wenig später filmte ein Autofahrer den Wolf, als der auf der Hauptstraße durch Bergen lief. In Bergen und weit darüber hinaus ist seither die Aufregung groß. Vor allem unter den Bauern. Agrarministerin Kaniber besuchte deshalb am Montag die Region. Dabei erklärte sie, dass "jedes Risiko durch den Wolf für die Bevölkerung ausgeschlossen werden muss".

Inzwischen haben sich auch Spitzenleute des Bayerischen Bauernverbands (BBV) zu Wort gemeldet. Der BBV ist seit Anbeginn eine entschiedener Gegner der Rückkehr der Wölfe nach Bayern. Nach seiner festen Überzeugung schließen sich die Haltung von Rindern, Schafen und anderen Nutztieren auf Weiden und Almen und die Wiederbesiedlung des Freistaats durch die Raubtiere kategorisch aus. Deshalb verlangen viele Bauern zumindest in den bayerischen Bergen wolfsfreie Zonen, in denen die Raubtiere abgeschossen werden, sowie sie dort auftauchen. Zwar sympathisieren viele CSU- und Freie-Wähler-Politiker mit der Forderung. Aber sie ist auf keinen Fall mit dem strengen Schutz vereinbar, unter dem Wölfe stehen. Wölfe dürfen nur in absoluten Ausnahmen abgeschossen werden, etwa wenn die Sicherheit der Bevölkerung bedroht ist. Das hat auch die Staatsregierung einsehen müssen. Deshalb ist in ihrem Wolfs-Aktionsplan von 2018, der den Umgang mit dem Raubtier regelt, auch nicht die Rede von wolfsfreien Gebieten.

Nach den Vorfällen in Bergen fordert der BBV schnelle Entscheidungen. "Der Aktionsplan Wolf muss nun sofort aktualisiert werden", sagt BBV-Vize Stefan Köhler. "Wir brauchen dringend die Ausweisung schwer zu schützender Flächen, konkrete Maßnahmen zur Vergrämung und klare Leitfäden zur Entnahme von Problemwölfen". Der oberbayerische Bauernpräsident Ralf Huber teilt die Forderungen. "Jeder Tierhalter in der Region Traunstein hat Sorge und Ängste, seine Tiere morgens verletzt oder gar getötet aufzufinden", sagt er. Inzwischen wird denn auch eine schnelle Entscheidung der Bezirksregierung über den Abschussantrag des Traunsteiner Landrats Walch erwartet. Dass die Entnahme aber schon beschlossene Sache ist, darf bezweifelt werden - selbst wenn sie genehmigt wird. Der Bund Naturschutz und andere Umweltorganisationen behalten sich in dem Fall Klagen vor.

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