Nach jahrelanger Debatte über die Gefahren, die Wölfe für Alm- und Weidewirtschaft darstellen, droht nun ein gegenseitiges Zuschieben der Verantwortung zwischen dem Bund und Bayern: Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will Schnellabschüsse von Wölfen ermöglichen, doch die Staatsregierung fordert ein weitergehendes Einlenken des Bundes. Deswegen hängt derzeit die regierungsamtliche Feststellung, dass der Wolf sich in Deutschland in „günstigem Erhaltungszustand“ befindet – eine Voraussetzung, die nach bayerischer Auffassung das bürokratische Prozedere vor dem Abschuss von Wölfen weniger aufwendig machen könnte.
Bei der diesjährigen Hauptalmbegehung in Oberammergau forderten am Mittwoch Lemke für den Bund sowie Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (FW) für die Staatsregierung wechselseitig Entgegenkommen von der jeweils anderen Seite. Lemke betonte, dass sie den Almbauern helfen wolle, die wegen der Rückkehr der Wölfe um ihre Existenz fürchten. Das Bundesumweltministerium hat deswegen eine „Schnellabschussregelung“ auf den Weg gebracht. „Ich fordere die Bundesländer energisch auf, diese Schnellabschlussregelung zu nutzen“, sagte Lemke. „Sie können das, Sie müssen es nur machen.“ Sie könne den „guten Erhaltungszustand“ des Wolfs morgen nach Brüssel melden. „Dafür brauche ich die Zustimmung Bayerns. Das ist die Zustimmung, die fehlt mir seit mehreren Monaten.“
Aiwanger entgegnete, es sei seines Wissens in Deutschland noch kein einziger Wolf auf Grundlage dieser Regelung geschossen worden. Grund der bisherigen bayerischen Nichtzustimmung zur Feststellung des guten Erhaltungszustands ist, dass dieser nach bayerischen Angaben nicht für das ganze Bundesgebiet gelten soll, sondern nur für einige Bundesländer – ohne Bayern. „Lenken Sie ein“, forderte Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) von Lemke. „Wir brauchen endlich eine Möglichkeit, ein Bestandsmanagement zu leisten, denn die Population der Wölfe in Deutschland und in Europa nimmt rasant zu.“
Ebenfalls am Mittwoch hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) bekannt gegeben, warum er Mitte Juli die umstrittene bayerische Wolfsverordnung aufgehoben hat. Die Regelung sollte Abschüsse der Raubtiere erleichtern. Bisher war nur bekannt, dass der VGH das Papier kassiert hat, weil die Staatsregierung – entgegen ihrer Verpflichtung dazu – im Vorfeld die Naturschutzverbände nicht angehört hatte. Das sei nicht rechtens gewesen, erklärten die Richter. Nun führte der VGH aus, dass sich die Staatsregierung beim Erlass der Verordnung nicht darauf berufen durfte, dass Gefahr im Verzug sei, weil es seinerzeit mehrfach Wolfssichtungen in Siedlungen gegeben hatte. Der Aktionsplan Wolf des Freistaats stufe bloße Wolfssichtungen nämlich nicht als gefährlich ein.