Süddeutsche Zeitung

Wohnungsgipfel:Bauen in Bayern soll einfacher werden

  • Bauanträge, über die drei Monate nach Eingang noch nicht entschieden wurde, sollen bald automatisch als genehmigt gelten.
  • Das haben Staatsregierung und kommunale Spitzenverbände am Mittwoch beim "Bayerischen Wohnungsgipfel" beschlossen.
  • Durch Lockerungen in der Bayerischen Bauordnung soll es außerdem leichter werden, neuen Wohnraum zu schaffen.
  • Einen entsprechenden Gesetzesentwurf kündigt Bauminister Hans Reichhart (CSU) noch für dieses Jahr an.

Von Matthias Köpf

Fünf bis sechs Wochen dauere es derzeit, bis in seinem Landratsamt in Deggendorf ein Bauantrag überhaupt einmal erfasst sei und bearbeitet werden könne, sagt Landrat Christian Bernreiter (CSU). Dann müsse erst sortiert werden, was dringender sei und was ein bisschen Zeit habe. Auch wenn das bloße Erfassen laut Bernreiter abseits der Ferienzeiten, also etwa im Februar, schon schneller gehe: In Zukunft wird das alles nicht mehr so lange dauern dürfen. Denn wenn über einen Bauantrag drei Monate nach Eingang noch nicht entschieden ist, soll er automatisch als genehmigt gelten. Das ist einer der zentralen Punkte, auf die sich Staatsregierung und kommunale Spitzenverbände am Mittwoch beim "Bayerischen Wohnungsgipfel" in der Staatskanzlei festgelegt haben.

Nach dem jüngsten "Klimagipfel", der in der vergangenen Woche immerhin auf der Zugspitze stattfand, setzt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit dem Wohnungsgipfel das nächste Großthema ganz oben auf die Agenda. Denn das Wohnen, so heißt es in der am Mittwoch unterzeichneten gemeinsamen Erklärung von Staatsregierung und kommunalen Spitzenverbänden, "betrifft die Menschen in Stadt und Land gleichermaßen" - in den Ballungsräumen und deren immer weiterer Umgebung in Form fehlender Wohnungen und stetig steigender Preise. Die Staatsregierung will das Schaffen von Wohnraum unter anderem durch Lockerungen in der Bayerischen Bauordnung erleichtern. Einen entsprechenden Gesetzentwurf kündigte Bauminister Hans Reichhart (CSU) noch für dieses Jahr an.

Die aktuelle, Anfang 2008 in Kraft getretenen Bauordnung hatte der Landtag vor zwölf Jahren in den letzten Regierungswochen von Ministerpräsident Edmund Stoiber beschlossen. Auch damals sollte alles schlanker und einfacher werden - unter anderem wurden die Bauverwaltung ausgedünnt und ein Großteil der Verantwortung für das Einhalten der vielen Vorschriften den Planern und Architekten aufgebürdet. Um die angekündigte Entscheidungsfrist von maximal drei Monaten einhalten zu können, braucht es nun aber wieder mehr staatliches Personal. Söder kündigte dazu 250 neue Stellen für die Bauverwaltung an, von der Staatsregierung bis zu den 71 Landkreisen und 25 kreisfreien Städten im Freistaat. Der Deggendorfer Landrat Bernreiter, der als Präsident des Bayerischen Landkreistags an dem Treffen teilgenommen hatte, betonte am Mittwoch, dass die nötigen Mittel und Stellen auf Dauer zur Verfügung stehen müssten. Für den Städte- und den Gemeindetag bekräftigten die Bürgermeister von Dingolfing und Bernried, Josef Pellkofer und Josef Steigenberger, diese Erwartung.

Die Ämter sollen laut den Vereinbarungen am Wohnungsgipfel, an dem unter anderem auch Vertreter von Wohnungsunternehmen, Mieterbund und Grundbesitzervereinigungen teilgenommen haben, künftig nicht mehr stapelweise Pläne zum Abstempeln hin und her schicken. Stattdessen sollen Bauanträge künftig komplett digital gestellt und bearbeitet werden können. "Typengenehmigungen" für feste Standardlösungen soll es ebenso geben wie Erleichterungen beim Überbauen von bestehenden Parkplätzen, beim Aufstocken und beim Ausbau von Dachgeschossen, bei Nutzungsänderungen im Bestand oder beim Abriss von Gebäuden mit darauf folgendem Neubau.

"Schneller, nachhaltiger, ökologischer und kostengünstiger" soll das Bauen laut Reichhart werden, wozu auch der CO₂-neutrale Baustoff Holz möglichst viel beitragen solle. Der Klimawandel bringe immer mehr Hitzetage mit sich, erinnerte Umweltminister Thorsten Glauber (FW). Dem müsse in den Städten durch eine Entsiegelung des Bodens begegnet werden - bei gleichzeitig weiterer Verdichtung, um Flächen zu sparen.

Neues Bauland gewinnen lässt sich nach Überzeugung von Ministerpräsident Söder auch über steuerliche Anreize, für die sich Bayern weiterhin im Bund einsetzen wolle, so wie man in Berlin auch schärfere Sanktionen für Mietwucher fordern und verlangen werde, dass bei einem Eigentümerwechsel von Mietwohnungen die Miete drei Jahren lang nicht erhöht werden dürfe. Der Freistaat verfüge vor allem in und um München aber auch selbst "über eine Fülle von Flächen, die gut einsetzbar wären für den Wohnungsbau". So könnten weiterhin Behörden in den ländlichen Raum verlagert werden, um diesen attraktiver zu machen, und zugleich wäre in der Hauptstadt Platz für neue Wohnungen.

Was die neue staatliche Wohnungsgesellschaft Bayern-Heim betrifft, so verfügt diese laut Bauminister Reichhart inzwischen über 2000 Wohnungen - ein Fünftel der angekündigten Zahl. Von diesen 2000 Wohnungen hat der Freistaat laut Reichhart allerdings rund die Hälfte schlicht zugekauft.

Die Oppositionsparteien üben unterdessen Kritik an den Ankündigungen der Staatsregierung. Für die Grünen erinnert Jürgen Mistol an den "Wohnungspakt Bayern", laut dem bis 2019 insgesamt 28 000 staatliche finanzierte und geförderte Wohnungen hätten entstehen sollen - eine Zielmarke, die bisher weit verfehlt worden sei. "Söders Prestigeobjekt Bayern-Heim" bringe den sozialen Wohnungsbau keinen Millimeter voran, sondern mache stattdessen bewährten Akteuren wie den Genossenschaften und kommunalen Unternehmen Konkurrenz.

Auch die SPD-Landesvorsitzende Natascha Kohnen kritisiert ein solches Konkurrenzverhältnis. Sie verlangt mehr staatlichen Wohnungsbau, eine Deckelung der Mieten und eine Reform des Bodenrechts: "Die Privatisierung von Boden und Wohnraum der letzten Jahrzehnte war ein großer Fehler." FDP-Bauexperte Sebastian Körber begrüßt die angekündigte Entschlackung des Baurechts, wie sie seine Partei längst gefordert habe.

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SZ vom 12.09.2019/berj
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