Baubranche:Bayern droht verstärkte Wohnungsnot

Baubranche: In der Baubranche klagen viele Unternehmer über schlechte Geschäfte. Dabei ist der Bedarf groß.

In der Baubranche klagen viele Unternehmer über schlechte Geschäfte. Dabei ist der Bedarf groß.

(Foto: Christophe Gateau/dpa)

Gut 63 000 Wohnungen wurden im vergangenen Jahr im Freistaat gebaut - doch 200 000 fehlen, warnt der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen. Und kommendes Jahr könnte die Zahl der neu fertiggestellten Wohnungen sinken.

Von Maximilian Gerl

Draußen glitzert die Sonne über Münchner Dächer, drinnen tanzen Zahlenreihen. Wenn man die Statistiken übersetzt, die der Beamer in der Zentrale des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern) im schnellen Wechsel an die Wand wirft, dann hat Direktor Hans Maier an diesem Dienstag eine gute und eine schlechte Nachricht dabei. Die gute: "Die Wohnungsbestände wachsen", sagt er. Die schlechte: Die Bestände an Häusern und Wohnungen wachsen hierzulande nicht so schnell, wie sie sollten, um ihrem gerade in Ballungsräumen grassierenden Mangel zu begegnen. "Aus unserer Sicht fehlen in Bayern 200 000 Wohnungen", sagt Maier. Und fürs kommenden Jahr, fürchtet er, sei mit rückläufigen Fertigstellungszahlen zu rechnen.

Mehr Wohnungen, aber doch viel zu wenige: Das galt eigentlich schon in den Vorjahren. Doch derzeit beobachten sie in der Baubranche die Lage mit besonderer Sorge, nicht nur beim VdW, in dem sich vor allem genossenschaftliche und kommunale Unternehmen organisiert haben. Wollte man die Problemstellung vereinfacht zusammenfassen, konkurrieren viele Herausforderungen mit ambitionierten Zielen - und die Folgen bekommt der Geldbeutel zu spüren, etwa in Form hoher Mieten. "Knappes Gut treibt die Preise", sagt Maier.

Dabei schaut manch bayerische Statistik gar nicht so schlecht aus. "Positiver Trend beim Wohnungsbau", überschrieb das Bauministerium am vergangenen Freitag eine Pressemitteilung. 62 865 Häuser und Wohnungen wurden demnach im vergangenen Jahr im Freistaat fertiggestellt, 3,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Die deutlichsten Steigerungen wurden unter anderem bei Zweifamilienhäusern verzeichnet. Außerdem verfügten erstmals mehr als der Hälfte der neu fertiggestellten Einheiten über Heizsysteme mit regenerativen Energien. "Diese guten Zahlen sind auch Ergebnis unserer Wohnungsbauförderung", wird Minister Christian Bernreiter (CSU) zitiert. Im vergangenen Jahr habe man 864 Millionen Euro investiert - und wolle in diesem Jahr mit dem "Wohnungsbau-Booster" nachlegen. "Mit einer guten Milliarde Euro stehen heuer so viele Mittel zur Verfügung wie nie zuvor."

Andere sind da skeptischer, ob der positive Trend nicht zur Momentaufnahme wird. Und die Alarmmeldungen häufen sich. Am Montag etwa warnte der Landesverband Bayerischer Bauinnungen vor einer sich abkühlenden Baukonjunktur. Ungefähr jedes zweite im Hoch- und Wohnungsbau tätige Unternehmen klage über schlechte Geschäfte - und zwei von drei Firmen erwarteten noch schlechtere fürs kommende Halbjahr. "Vor allem im Wohnungsbau ist der Einbruch erschreckend, denn die Baugenehmigungen in Bayern rauschen in den Keller", sagte Präsident Wolfgang Schubert-Raab. Die in vielen Regionen "akute Wohnungsnot" drohe sich daher in den kommenden Jahren "wegen der weiter wachsenden Einwohnerzahl und den viel zu geringen Wohnungsneubauten" zu verstärken. Denn Bayern ist Zuzugsland, auch der starken Wirtschaft wegen, die selbst in diesen Krisenzeiten weiter Personal sucht.

Wie groß der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist, kann Hans Maier am Dienstag auch mit einer anderen Zahl vorrechnen. Sein Verband beobachtet derzeit die nach eigenen Angaben "größte Gründungswelle von Wohnungsunternehmen seit der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg". Im Februar begrüßte man das 500. Mitglied - für Maier "schon ein Indiz", wie schwierig gerade der Markt sei.

Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und bezahlbaren Mieten

Allerdings ist gar nicht so leicht zu fassen, was den Markt verkompliziert. Viele Faktoren machen Bauen teuer, vom Fachkräftemangel über hohe Baustoffpreise bis hin zur gerne langwierigen und komplexen Bürokratie. Jungen Wohnbauunternehmen etwa macht häufig der fehlende Zugang zu finanzierbarem Bauland zu schaffen. Vor allem im Großraum München - der längst bis nach Augsburg, Landshut oder Rosenheim ausstrahlt - sind die Bodenpreise in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Privatleute dagegen begraben den Traum vom Eigenheim mitunter schon, bevor sie ihn näher durchkalkulierten, der Bauzinsen wegen. Waren diese vor Kurzem noch beinah zum Nulltarif zu haben, liegen sie nun teils bei vier Prozent und mehr.

Und dann ist da ja noch die Sache mit dem Klimaschutz: die dazu nötigen Sanierungen und Umbauten von Bestandsgebäuden, die von der Bundesregierung geplante Reform des Gebäudeenergiegesetzes und die Debatte darum, ob und wann der Einbau von fossilen Heizungen verboten werden sollte zugunsten von Wärmepumpen und anderen regenerativeren Lösungen. Man beobachte "einen Zielkonflikt zwischen Klimaschutzmaßnahmen und bezahlbaren Mieten", heißt es hierzu am Dienstag vonseiten des VdW. Dort fürchten sie, dass gerade sozial ausgerichtete Unternehmen dazu gezwungen sein könnten, einen Teil ihrer Wohnungen zu verkaufen, um damit die Ertüchtigung der übrigen zu finanzieren.

Die Lösung, oder besser ein Teil der Lösung, könnte daher aus Branchensicht sein: mehr und langfristiger angelegte Förderungen statt wie bisher gerne von Jahr zu Jahr. "Da wird auch Bayern gefordert sein", sagt Verbandsdirektor Maier. Die Milliarde aus dem Wohnbau-Booster werde dazu wohl nicht reichen, schon jetzt würden die Mittel knapp. Auch von jenen 70 000 Wohnungen, die mal die Staatsregierung jährlich bauen wollte, sei man weit entfernt. Ob dieses Ziel überhaupt je realistisch war? Maier überlegt einen Moment. "In der Vergangenheit war es realistisch", sagt er dann. Aber unter den aktuellen Bedingungen werde es schwer, solche selbstgesteckten Marken zu erreichen. "Wir müssen die Baukosten in den Griff bekommen."

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