Wohnungspolitik:Warum nach dem Bauboom die Furcht vor der Flaute steigt

Lesezeit: 3 min

Von der Fusion der beiden Münchner Wohnungsgesellschaften erhofft sich die Politik mehr Schlagkraft. (Foto: Florian Peljak)

Wegen hoher Baukosten und Zinsen könnten in Bayern bald weniger Wohnungen errichtet werden - obwohl die Zuschüsse dafür gestiegen sind.

Von Maximilian Gerl, München

Die schlechte Nachricht klingt in Zeiten steigender Preise und steigender Zinsen zunächst wie eine gute. "Die Lage im Wohnungsbau hat sich normalisiert", sagt Wolfgang Schubert-Raab am Telefon, Chef des Bauunternehmens Raab aus dem fränkischen Ebensfeld und Präsident des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen. Denn: "Der Druck aus dem Markt ist raus." Zwar hätten die Baufirmen aktuell gut zu tun. Doch hinsichtlich neuer Aufträge herrsche ein wenig Zurückhaltung. "Es wird etwas ruhiger werden", sagt Schubert-Raab daher. "Das kündigt sich jetzt schon an."

Wie viel ruhiger - oder weniger - es genau werden wird im Wohnungsbau: Das ist die große Frage, die sich die Branche stellt, trotz der 58 638 Wohnungen mehr, die am Freitag das Landesamt für Statistik für vergangenes Jahr meldete. Um 0,9 Prozent hat sich damit der Wohnungsbestand gegenüber 2020 erhöht. Ein kleines Plus im Kampf gegen die gerade in Großstädten grassierende Wohnungsnot. Doch mit dem Mini-Wachstum könnte es bald wieder vorbei sein. Angesichts steigender und steigender Baukosten könnten sogar die staatlichen Zuschüsse weitgehend verpuffen.

Zumindest häufen sich die Alarmsignale. So warnte der Verband der Wohnungswirtschaft - in dem kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen organisiert sind - jüngst, dass es zunehmend schwer werde, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen: Falls der Preisanstieg nicht gestoppt werde, würden viele Betriebe ihre Bauprojekte zurückstellen. Und im Bayerischen Wald werden wegen der hohen Baukosten die ersten Bauplätze, sonst heiß begehrt, an die Gemeinden zurückgegeben. In Frauenau (Landkreis Regen) etwa gingen laut BR von 37 Grundstücken sechs zurück. Zu teuer wurden die Eigenheimpläne, zu unsicher.

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Auch Jürgen Mistol, wohnungspolitischer Sprecher der Landtags-Grünen, fürchtet, dass bald weniger gebaut werden könnte in Bayern - "mit gravierenden Auswirkungen für unsere Gesellschaft". Ein Problem aus seiner Sicht: zu geringe Unterstützung vonseiten des Freistaats. Dabei wurden die Förderbedingungen im Frühjahr erst angepasst. "Die Staatsregierung behauptet, sie habe die Mietwohnraumförderung deutlich verbessert", sagt Mistol. "Aber das Gegenteil ist der Fall." Mistol stützt sich dabei auf eine Antwort der Staatsregierung zur Novellierung der Wohnraumförderungsbestimmungen. Vereinfacht können demnach Wohnungsbauunternehmen nun zwar höhere Zuschüsse für Neubauten und Modernisierungen beantragen. Gleichzeitig aber gibt es weniger zinsgünstige Darlehen: Der sogenannte objektabhängige Darlehensanteil je Quadratmeter Wohnfläche wurde von 50 auf 25 Prozent der Kostenobergrenze halbiert. "Es wurde so stark gekürzt, dass die längst überfällige Erhöhung der Zuschüsse nicht mehr viel bringt", sagt Mistol. "Für die Wohnungsbauunternehmen ist das ein Nullsummenspiel."

Das Bauministerium verweist auf neue Impulse

Die Staatsregierung sieht das anders. Die Reduzierung bei den Darlehen werde "durch die deutliche Erhöhung der ergänzenden Zuschüsse, von bisher bis zu 300 Euro pro Quadratmeter, auf in der Spitze insgesamt bis zu 925 Euro pro Quadratmeter, mehr als ausgeglichen", heißt es in der Antwort. Das Bauministerium verweist zudem auf SZ-Anfrage darauf, dass die neuen Bestimmungen auch neue Impulse bedeuteten. So soll ein Förderbaustein namens "Drauf und dran" den Ausbau von Dachgeschossen fördern. Mit insgesamt 865 Millionen Euro setze man im Haushalt für 2022 einen Wohnungsschwerpunkt. Daneben soll vor allem die staatliche Wohnbaugesellschaft Bayernheim stärker als Projektpartner fungieren: Sie könnte dann bestenfalls dort in die Bresche springen, wo andere wegen zu hoher Kosten zum Rückzug gezwungen wären. Nach Ministeriumsangaben haben Bayernheim und die beiden anderen staatlichen Gesellschaften Stadibau und Siedlungswerk Nürnberg gemeinsam 22 526 Wohnungen in Bestand, Bau, Planung oder Vorbereitung.

Ob das ausreicht, um mehr Wohnraum zu schaffen? Auch der Bayerische Städtetag warnte ja, dass die neuen Wohnraumförderbestimmungen bereits "ein Vierteljahr nach Veröffentlichung den aktuellen Entwicklungen hinterher" hinkten, wie es in einer Mitteilung von Anfang Juni heißt. Die Bauwerkskosten hätten auch wegen neuer Energieeffizienzstandards "drastisch" zugelegt. "Zwar erkennt der Städtetag an, dass der Freistaat Fördermittel vom Bund weiterreicht und mit eigenen Mitteln ergänzt", doch brauche man verlässliche Mittelzusagen über mehrere Jahre hinweg.

Mehr Verlässlichkeit - das wünschen sich ohnehin viele beim Bauen, mindestens so lange schon, wie die Preise dafür steigen. Nur wer dafür wie sorgen soll, das ist auch eine der großen Fragen. Ein Sprecher des Bauministeriums verweist auf den Bund, der langfristige Rahmenbedingungen schaffen müsse anstatt "Förderchaos"; die Bundesregierung hatte zuvor mit einem KfW-Förderstopp Verunsicherung unter Bauherren gestiftet. Für Mistol hingegen muss die Staatsregierung ihrer Verantwortung nachkommen: "Während etwa der Bund seine Mittel für den sozialen Wohnungsbau verdoppelt, macht der Freistaat keinen zusätzlichen Cent locker." Schubert-Raab plädiert wiederum für das Drehen anderer Stellschrauben, um die Kosten zumindest mal stabil zu halten. Bei den Energie- und Rohstoffpreisen ließe sich wenig machen, sagt er, da sei man von anderen abhängig. In Sachen Normierung und Bauvorschriften habe man es aber selbst in der Hand. Über kostensparende Vereinfachungen "reden wir schon seit 40 Jahren. Es wäre jetzt an der Zeit, darüber nachzudenken".

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