Süddeutsche Zeitung

Landesamt für Statistik:Wie die Bayern nach dem Krieg wohnten

Im Jahr 1950 war es ein hohes Gute: das eigene Bad. Nur jede sechste Wohnung in Bayern hatte eines. Doch das ist nicht das einzige, das sich in den vergangenen 70 Jahren geändert hat.

Von Maximilian Gerl, Fürth

Die aufmunternste Zahl hat der Autor zu Beginn seines Textes platziert. Von den 1,7 Millionen Wohnungen in Bayern, schreibt F. Engel - ein Vorname wird nicht genannt -, seien 97 Prozent ans Stromnetz angeschlossen. Ansonsten lässt die allgemeine Wohnqualität nach, zumindest nach heutigen Maßstäben. "Knapp zwei Drittel", notiert Engel, seien immerhin ans Wassernetz angeschlossen - und gar "jede sechste Normalwohnung verfügt über ein Badezimmer".

Die Wohnungszählung von 1950 brachte für Statistik wie Politik interessante Ergebnisse, von denen Engel damals in seinem Bericht nur einige referiert. Dass dieser nicht in Vergessenheit geriet, ist seinen Kollegen im Statistischen Landesamt zu verdanken, die ihn für ihre Monatszeitschrift herausgesucht haben. Gerade beim Thema Wohnen besitzen solche historischen Texte bisweilen ungeahnte Aktualität - wenn auch glücklicherweise nicht in allen Punkten. So wurden bezüglich der Badezimmerausstattung seit den 1950er Jahren unbestritten Fortschritte erzielt.

Die Frage, wie die Bayern wohnten, mag trivial erscheinen; damals war sie es nicht. Die Wohnungsnot nach Ende des Zweiten Weltkriegs war groß, wovon in Engels Bericht die Unterscheidung zwischen Normal- und Notwohnungen zeugt. Der Fortschritt kam erst allmählich, etwa in Gestalt des eigenen Klos oder einer Zentralheizung. 96 Prozent aller Wohnungen wurden 1950 mit einem Ofen beheizt, eine mitunter brandgefährliche Sache. Wohnen war immer auch eine Frage der Gesundheitsvorsorge: Die Cholera-Epidemien des 19. Jahrhunderts ließen sich unter anderem auf die beengten und fragwürdigen hygienischen Verhältnissen in vielen Wohnungen zurückführen.

Auch 1950 trat beim Wohnen eine Stadt-Land-Schere zutage. Städter wohnten tendenziell besser. Während in Städten durchschnittlich rund 93 Prozent aller Normalwohnungen ans Wassernetz angeschlossen waren, galt das nur für 47,5 Prozent in den Landkreisen. In Niederbayern lag ihr Anteil gar bei 35,6 Prozent. Auch Badezimmer waren innerhalb von Städten häufiger vorzufinden als außerhalb (28,3 Prozent versus 9,6 Prozent).

Heute klappt die Schere an anderer Stelle auf. Bayern weise "hinsichtlich Wohneigentum und Mietbelastung" ein "Stadt-Land-Gefälle" auf, fasst die Lage ein moderner Beitrag zusammen, den das Landesamt dem historischen vorangestellt hat. Demnach lebte 2018 - neuere Zahlen sind nicht verfügbar - etwa die Hälfte der Bayern in den eigenen vier Wänden, die andere zur Miete. In ländlichen Regionen lag der Anteil an Eigentumswohnungen mit bis zu 62 Prozent deutlich über dem Mittel.

Auch die durchschnittliche Wohnfläche war zum Beispiel in Niederbayern mit 132 Quadratmetern doppelt so groß wie in Nürnberg, München oder Augsburg - wo dafür ein besonders großer Teil des Einkommens für die Miete fällig wurde. Spitzenreiter ist hier die Landeshauptstadt mit einer durchschnittlichen Mietbelastungsquote von 30,6 Prozent. Womöglich kommen da manche ins Grübeln, ob das Wohnen in der Stadt so viel wert ist; zumindest Badezimmer gibt es ja längst auch auf dem Land.

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SZ vom 07.01.2021/vewo
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