Wann immer Wirtschafts- und Jagdminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) über die Wiederausbreitung der Wölfe spricht, kommt die Aussage, dass die Population deutschlandweit in Zukunft um bis zu 30 Prozent pro Jahr anwachsen wird. Kritiker entgegnen regelmäßig, dass solche Raten längst der Vergangenheit angehörten. Seit einigen Jahren habe sich das Wachstum der deutschen Wolfspopulation deutlich verlangsamt. Stand November 2024 habe es gegenüber dem Vorjahr gerade mal 3,5 Prozent betragen – bezogen auf die Wolfsterritorien, also die Gebiete mit standorttreuen Rudeln, Wolfspaaren oder Einzeltieren.

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Wie auch immer, in Bayern schreitet die Wiederausbreitung der Wölfe nach wie vor eher langsam voran. Nach der aktuellen Statistik des Landesamts für Umwelt (LfU), das im Freistaat für das Wolfsmonitoring zuständig ist, gibt es in Bayern 13 Wolfsterritorien. Neun sind von Wolfsrudeln besiedelt, in dreien streifen Einzeltiere herum und in einem ist ein Wolfspaar dokumentiert. Zuletzt hatte das LfU bayernweit elf Wolfsterritorien mit sieben Rudeln, zwei Einzeltieren und zwei Paaren geführt. „Die Wiederausbreitung hier bei uns geht also nicht wirklich schnell voran“, sagt Uwe Friedel, Wolfsexperte beim Bund Naturschutz (BN). „Im Vergleich zu den Rudelzahlen in anderen Bundesländern ist Bayern weiter hinten dran.“
Drei bayerische Wolfsgebiete sind neu im LfU-Monitoring, eines ist weggefallen, weil die letzten Nachweise der Raubtiere dort zu lange zurückliegen. Neu ist das Wolfsterritorium Bayerischer Wald-Süd. Dort ist seit diesem Jahr im Bereich des Lusen ein standorttreues Wolfspaar dokumentiert, die Wölfin trägt sogar einen Sender, er wurde ihr im Rahmen des Monitorings der Nationalparks Bayerischer Wald und Sumava angelegt. Die Chiemgauer Alpen in Oberbayern führt das LfU jetzt ebenfalls als Wolfsgebiet. Dort hat sich an der Grenze nach Tirol ein Rüde niedergelassen. Der erste Nachweis von dem Tier, das zwischen Tirol und Bayern hin und her wechselt, stammt vom April.
Und im oberfränkischen Kitschenrain gibt es sogar ein neues Rudel. Der Kitschenrain ist ein weitläufiger, stiller Wald im Landkreis Bayreuth mit dem gleichnamigen, fast 650 Meter hohen Bergrücken in seinem Zentrum. Er gilt als eine der höchsten Erhebungen des Frankenjuras. Laut LfU gibt es aus den Wäldern dort seit August 2024 immer wieder Fotos und Videos von einem Wolf und Wolfswelpen. Insgesamt zählt das Rudel bis zu sechs Junge. Den Truppenübungsplatz Grafenwöhr hingegen, der etwas südöstlich vom Kitschenrain in der Oberpfalz liegt, führt das LfU nicht mehr als Wolfsgebiet. Der letzte Nachweis des Wolfspaars dort liegt so lange zurück, dass es aus dem Monitoring gestrichen wurde.
Durch die neuen Wolfsterritorien ändert sich insgesamt nur wenig an der Wiederausbreitung der Raubtiere in Bayern. Die Schwerpunktregionen bleiben die Rhön mit je einem Rudel auf der Hohen Rhön und dem Truppenübungsplatz Wildflecken, das Dreieck zwischen dem Nürnberger Norden, Bayreuth und Weiden mit jetzt zusammen vier Rudeln, der Bayerische Wald mit einem Rudel und dem neuen Wolfspaar sowie das Altmühltal mit dem Raum Ingolstadt mit einem Rudel und einer standorttreuen Wölfin im Köschinger Forst. Zuletzt hatte es viel Ärger mit den Schäfern in der Rhön gegeben, weil die Wölfe dort immer wieder Schafherden überfallen und Tiere gerissen hatten. Deshalb wurde dort sogar ein Wolf zum Abschuss freigegeben. Prompt erlegten die Jäger auch ein Raubtier. Es stellte sich aber alsbald heraus, dass es das falsche Tier war. Gleichwohl ist seither Ruhe in der Rhön. Dem LfU wurde seither kein Schafsriss mehr von dort gemeldet. Die Wölfe in der Rhön haben dieses Jahr erstmals Nachwuchs bekommen, es wurde deshalb erst jetzt als Rudel eingestuft. Zuvor wurde es als Paar geführt
Vor allem in den bayerischen Alpen kommt die Wiederausbreitung weiter schleppend voran. Zwar gibt es dort mit dem neuen Wolfsgebiet in den Chiemgauer Alpen jetzt drei Wolfsterritorien. Bislang war nur am oberbayerische Staffelsee und in den angrenzenden Ammergauer Bergen ein Rudel dokumentiert. Und in den Allgäuer Alpen wechselt seit etlichen Jahren ein einsamer Rüde zwischen dem Bregenzerwald und dem Landkreis Oberallgäu hin und her. Aber drei Wolfsgebiete sind für die bayerischen Alpen recht wenig, sagen Experten wie der BN-Mann Friedel. „Denn die Bergwelt mit ihren dichten Wäldern und dem vielen Wild ist ja ein hervorragender Lebensraum für die Tiere.“

Der Bund Naturschutz hat dieser Tage außerdem seine neue Klage gegen die umstrittene Wolfsverordnung der Staatsregierung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht. „Die Verordnung hat exakt den gleichen Wortlaut wie ihre Vorgängerin“, sagt der BN-Mann Friedel. „Deshalb hatten wir gar keine andere Möglichkeit, als erneut zu klagen.“ Mitte Juli hatte das Gericht die Verordnung, die den Abschuss auffälliger Wölfe erleichtern soll, wegen eines Formfehlers bei ihrem Erlass gekippt. Die Staatsregierung hatte auf die Beteiligung von anerkannten Naturschutzverbänden verzichtet, hätte diese aber zu Wort kommen lassen müssen. Seit Mitte Oktober ist die Verordnung nun wieder in Kraft.
Der BN setzt große Hoffnungen in die Klage. „Nun wird das Gericht die Verordnung auch inhaltlich prüfen und ein entsprechendes Urteil fällen“, sagt Friedel. Aus Sicht des BN verstößt die Wolfsverordnung in vielerlei Hinsicht gegen nationales und internationales Naturschutzrecht. So sei beispielsweise nicht haltbar, dass ein Wolf, der sich auf 200 Meter an Gebäude annähere, für Menschen eine Gefahr darstelle. Die bevorstehende Herabsetzung des Schutzstatus des Wolfs in der EU spielt für die Klage keine Rolle, da sie noch nicht in Kraft ist. Im Gegenteil: Das Verfahren auf EU-Ebene dürfte noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Der BN gibt sich sicher, dass die neue Klage abermals erfolgreich sein wird.
Den bayerischen Jagdminister Aiwanger dürfte der Vorstoß der Naturschützer wenig beeindrucken. Er verfolgt mit großem Nachdruck das Ziel, dass der Wolf bei der bevorstehenden Gesetzesreform in das bayerische Jagdgesetz aufgenommen wird.