"Ein Riss reicht":Bayern eröffnet die Wolfsjagd

"Ein Riss reicht": Wölfe haben es künftig schwer in Bayern. Wenn es nach der Staatsregierung geht, dürften sie künftig abgeschossen werden, sobald auch nur ein Nutztier in dem Gebiet gerissen wird.

Wölfe haben es künftig schwer in Bayern. Wenn es nach der Staatsregierung geht, dürften sie künftig abgeschossen werden, sobald auch nur ein Nutztier in dem Gebiet gerissen wird.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Das Kabinett beschließt eine Verordnung zum leichteren Abschuss der streng geschützten Tiere. Die Grünen werfen dem Ministerpräsidenten vor, "die Menschen im Land für dumm zu verkaufen". Der Schritt ist juristisch heikel.

Von Andreas Glas und Christian Sebald

Neun Tage nach der Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat die Staatsregierung beschlossen, dass Wölfe in Bayern künftig leichter abgeschossen werden können. "Ein Riss reicht", sagte Söder am Dienstag nach der Sitzung des Kabinetts. Sobald ein Wolf ein Nutztier getötet hat, soll es möglich sein, ihn abzuschießen. Auch müsse das übergriffige Tier nicht mehr identifiziert werden. "Jetzt kann man die Wölfe dann generell in der Region entnehmen", sagte Söder.

Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) betonte, dass "der Wolf reguliert werden muss". Er bedrohe "die Freilandtierhaltung und damit die Kulturlandschaft und den Artenreichtum in vielen Regionen Bayerns, die neben der Landwirtschaft auch für den Tourismus existenziell sind". Vorfälle wie die tödliche Bärenattacke im Trentino seien nicht hinnehmbar, "sie bedrohen neben Menschen- und Tierleben auch den Tourismus".

Der Bund Naturschutz (BN) übte scharfe Kritik und kündigte eine Klage an. "Die neue Verordnung bricht europäisches und deutsches Naturschutzrecht", sagte BN-Chef Richard Mergner. "Das werden wir nicht hinnehmen." Zugleich sprach Mergner "von einem fatalen Signal" der Staatsregierung an die Bauern. Mit der neuen Verordnung mache Söder ihnen weis, dass "Zäune und andere Herdenschutzmaßnahmen nicht nötig sind". Das werde sich bitter rächen.

Der Grünen-Politiker Ludwig Hartmann warf Söder vor, "die Menschen im Land - und insbesondere die Almbauern - für dumm zu verkaufen". Zugleich prophezeite er, dass die neue Verordnung "vor jedem Gericht scheitern wird". Aber den Ministerpräsidenten interessiere nicht, "ob er mit seinem aktionistischen Vorgehen den bayerischen Tierhaltern wirklich helfen kann". Die Hauptsache für ihn sei, "dass er einmal mehr die Schlagzeilen dominiert".

Die Bauern freuen sich, "dass die Staatsregierung unsere Sorgen ernst nimmt"

Der Bauernverband reagierte erleichtert. "Es freut uns, dass die Staatsregierung unsere Sorgen ernst nimmt", sagte der oberbayerische Bauernpräsident Ralf Huber. "Die Zuwanderung der Wölfe bedroht die Weidehaltung von Rindern und Schafen auf den Almen." Der Bauernverband wiederholt seit langem wie ein Mantra, dass viele Bauern ihre Almen aufgeben werden, wenn sich wieder dauerhaft Wölfe in den Bergen ansiedeln.

Die neue "Bayerische Wolfsverordnung" umfasst nur vier Paragrafen. Der erste ist überschrieben mit "Schutz des Menschen und der öffentlichen Sicherheit", er sieht den Abschuss von Wölfen vor, die sich zum Beispiel "mehrfach Menschen außerhalb von Fahrzeugen auf unter 30 Meter nähern" oder "über mehrere Tage hinweg in einem Umkreis von weniger als 200 Metern von geschlossenen Ortschaften oder von Menschen genutzten Gebäuden oder Ställen gesehen werden".

Paragraf 2 ist das Pendant dazu für Alm- und Alpweiden, auf denen Schafe und andere Nutztiere nicht gegen Wolfsangriffe geschützt werden können, weil aus Sicht der Staatsregierung die Weiden zu steil für einen Zaun sind oder ganz generell das Gelände zu unwegsam ist. Dort soll es in Zukunft bereits für den Abschuss eines Wolfs genügen, wenn er ein Schaf, eine Ziege oder ein anderes Nutztier reißt. Überschrieben ist Paragraf 2 mit den Worten "Abwendung ernster wirtschaftlicher Schäden".

Zuständig sind zukünftig die Landratsämter

Zuständig für die Wolfsabschüsse sollen nach Söders Willen künftig die Unteren Naturschutzbehörden (UNB) an den Landratsämtern sein, und zwar sowohl was die Anordnung der Abschüsse als auch die Auswahl der Jäger anbelangt. Die Kadaver der erlegten Wölfe müssen allerdings am Landesamt für Umwelt (LfU) abgeliefert werden. Gemäß Paragraf 4 tritt die Verordnung am 1. Mai 2023 in Kraft, so wie das Söder vergangene Woche angekündigt hatte.

Dem BN zufolge ist die neue Verordnung das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben ist. Und zwar in vielfacher Hinsicht. Deshalb gab sich BN-Chef Mergner zuversichtlich, dass die Gerichte die neue Verordnung rasch kassieren werden. Als einen Grund nannte Mergner, dass Bestimmungen zu pauschal und abstrakt seien. So sei es nicht automatisch eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen, wenn sich ihnen ein Wolf auf weniger als 30 Meter nähert oder sich wiederholt in der Nähe von Ortschaften oder Gehöften sehen lässt.

Das aber ist es nicht allein. Die Staatsregierung dürfe die Entscheidung über etwaige Wolfsabschüsse nicht an die Naturschutzbehörden an den Landratsämtern delegieren. "Bei allem Respekt vor den Mitarbeitern der UNB", sagte der BN-Chef. "Das übersteigt ihre Kompetenz und steht in Widerspruch zu allen Vorgaben der Naturschutzgesetze."

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