Wintertourismus:Jetzt ist guter Schnee teuer

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Bevor sich Skifahrer aus dem Lift heraus an die Abfahrt machen können, müssen fast überall in Bayern die Hänge beschneit werden. Angesicht der explodierenden Kosten in Folge der Energiekrise stellt das die Liftbetreiber vor Herausforderungen. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Angesichts der hohen Energiekosten überlegen sie an der Zugspitze bereits, wann wie viele Schneekanonen laufen müssen. Beim Bayerischen Tourismustag übt man sich zum Start der Wintersaison vor allem in Optimismus.

Von Maximilian Gerl und Matthias Köpf, Garmisch-Partenkirchen

Ganz droben auf Deutschlands höchstem Berg hat es erst vor ein paar Tagen geschneit. Eine gewisse Grundlage wäre also da, obwohl der an schattigen Stellen zusammengeschobene Altschnee der Vorsaison im heißen Sommer ähnlich rapide dahingeschmolzen ist wie der Südliche und der Nördliche Schneeferner. Der Skibetrieb oben am Zugspitzplatt hängt allein von natürlichen Schneefällen ab. In ihrem tiefer gelegenen Skigebiet Garmisch Classic dagegen will die Bayerische Zugspitzbahn auch in diesem Winter unabhängiger sein - und ihre 134 Schneekanonen und 75 Beschneiungslanzen anwerfen. Nur vielleicht nicht immer alle und andauernd. Zugspitzbahn-Chef Matthias Stauch formuliert die anstehenden Entscheidungen für die ganze Branche so: "Wie beschneie ich? Was beschneie ich? Wann beschneie ich?"

Antworten auf solche und ähnliche Fragen suchen sie gerade überall in Bayern. Eigentlich laufen die Geschäfte in der Touristik bislang gut, trotzdem setzt sie die Energiekrise immer stärker unter Druck. Ob Schneekanonen und Seilbahnen am Berg, Schwimmbäder, Hotels und Restaurants im Tal: Der Betrieb von so gut wie allem kostet mehr, vielleicht sogar zu viel - weshalb sich ein ganzer Wirtschaftszweig in Zweckoptimismus flüchtet. Wird schon laufen, irgendwie.

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Exemplarisch lässt sich das an der Zugspitze beobachten. Auch dort hat man sich überlegt, wie Winterspaß und Energiekrise bestenfalls zusammengehen. Stauch führt als Chef der Zugspitzbahn das gemeindeeigene Unternehmen in Garmisch-Partenkirchen und spricht als Verbandspräsident für die Seilbahnbranche. Die Steigerung bei den Energiepreisen werde sich nicht eins zu eins an die Gäste weitergeben lassen, sagt Stauch, dessen Zugspitzbahn die Tageskipässe für 55 bis 57 Euro anbieten wird. Übersprudelnde Gewinne seien da in diesem Winter nicht drin, schwarze Zahlen wohl schon. Das soll unter anderem gelingen, indem das Unternehmen bis zu zehn Prozent der normalerweise benötigten Energie einspart: durch eine etwas dünnere Kunstschneedecke etwa, durch schmalere Pisten oder durch den Verzicht auf die Sitzheizung an den Liften und auf jegliche Heizpilze und Strahler auf den Gastro-Terrassen.

Und der Energieverbrauch an der Zugspitze ist durchaus beachtlich. Neun Gigawattstunden fallen beim Unternehmen nach eigenen Angaben in einem normalen Jahr an - etwa dreimal so viel wie beim gut zweiwöchigen Münchner Oktoberfest. 40 Prozent der Energie fließen in Bahnen und Lifte, eine Fünftel in die Schneekanonen, der Rest geht etwa für die Heizung in Gastronomie, Werkstätten und Verwaltung drauf. Entsprechend verbraucht die Zugspitzbahn weitaus die meiste Energie im Winter: an der naturbeschneiten Zugspitze zweieinhalbmal so viel wie im Sommer, an ihren kunstbeschneiten Classic-Pisten knapp sechsmal so viel. Etwa 16 Kilowattstunden pro Tag kommen so rein statistisch auf jeden einzelnen Skifahrer, davon 4,2 Kilowattstunden nur für den Kunstschnee. Ganz ohne den gehe es aber nicht, sonst hätte auch der übrige Ort mit seinen Hotels, Gaststätten, Skischulen und Sportgeschäften unter erheblichen Umsatzeinbußen zu leiden.

Die Besucherzahlen im Freistaat sind fast schon wieder auf Vor-Corona-Niveau

Es hängt also viel am Wintertourismus - und an kreativen Ideen, ihn möglich zu machen. Dabei geht auch im Sommer längst genauso viel Geschäft, nicht nur an der Zugspitze. Die vergangenen Monate liefen im Tourismus dabei fast schon wieder so gut wie in Vor-Corona-Zeiten. Allein von Juni bis August zählte der Freistaat rund 12,3 Millionen Besucher. Das waren zwar gut vier Prozent weniger als 2019, dafür aber blieben die Menschen tendenziell länger; die insgesamt 33,5 Millionen Übernachtungen entsprechen 0,1 Prozent mehr.

Den Schwung würden viele Touristiker gerne mit in die kalten Monate nehmen, trotz aller Energiefragen. Auch beim Bayerischen Tourismustag in München, einem alljährlichen Branchentreff, herrscht deshalb am Montag vor allem Zweckoptimismus. Zwar sei das Skifahren wichtig, sagt etwa Oswald Pehel von Tourismusverband für Oberbayern und München, und natürlich würden die Seilbahnpreise in diesem Jahr energiebedingt steigen. Aber: "Das Glas ist halb voll."

Im Tourismusverband für Allgäu und Schwaben taxiert man das Plus bei den Liftpreisen auf durchschnittlich zehn Prozent. Ansonsten dort wie auch bei den Kollegen in Ostbayern und Franken: viel Zuversicht vor dem Start der Wintersaison. Nur in den Worten von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) tobt der Kulturkampf, geht es gegen "Corona-Hysteriker" genauso wie gegen Klimaschützer, die mehr alternative Tourismuskonzepte und weniger energieintensives Beschneien fordern. "Beschneien ist zeitgemäß", findet dagegen Aiwanger. Denn: Ansonsten würden die Leute, die hier am meisten darüber schimpften, mit dem SUV ins Ausland fahren.

An der Zugspitze tummeln sich inzwischen mehr Fußgänger als Skiläufer

Ob man die Menschen in Bayern hält, indem man einige von ihnen als uneinsichtig hinstellt? Viele Touristiker haben nämlich vor allem eine Hoffnung: dass sich die Menschen wie schon im Sommer von der bayerischen Gastfreundschaft überzeugen lassen, anstatt in die Ferne zu schweifen. Vielleicht könne man dann sogar gestärkt aus der Krise hervorgehen, überlegt ein Hotelier laut. Die ersten Buchungszahlen für den Winter, heißt es auf dem Tourismustag, seien auch vielversprechend. Allerdings falle auf, dass die Gäste häufiger spontan buchten. So taxiert Michael Braun, Vorstand beim Tourismusverband Ostbayern, die Vorlaufzeit inzwischen auf zwei bis drei Wochen, was den Hotels mehr Flexibilität abverlange.

Schlecht ist die Lage außerdem bei den Thermalbädern. In der Kommunikationspolitik seien da "ein, zwei Sachen schiefgelaufen", sagt Braun - und meint damit, dass sich mit der Ankündigung von Energiesparmaßnahmen gleich die Gäste mit reduzierten, aus Sorge, ansonsten in kalten Becken zu schwimmen. Dabei hätten Thermal- und Schwimmbäder zu Corona-Hochzeiten als Gesundheitseinrichtung gegolten, die unter strengen Hygieneauflagen weiterarbeiten durften, sagt Braun. Jetzt seien sie plötzlich Freizeiteinrichtungen. "Wenn es hart auf hart kommt, dreht man ihnen das Gas ab."

Die Lage könnte also schnell ins Negative kippen, einerseits. Andererseits muss es im Winter nicht immer nur Therme oder Skifahren sein. Darauf weist auch Touristiker Pehel hin: Man habe noch anderes im Angebot, nordische Sportarten etwa, Kultur und Kulinarik. Droben an der Zugspitze notieren sie um Weihnachten und Neujahr sogar "einen Wahnsinns-Fußgängeranteil" von bis zu 70 Prozent. Und Fußgänger sparen auch am Berg Energie. "Das", sagt Zugspitzbahn-Chef Stauch, "ist natürlich etwas, das uns zupass kommt."

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