Hochschulen:Frieren oder zu Hause bleiben - wie es für Studierende weitergehen könnte

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Hauptsache im Hörsaal: Viele Studierende sitzen lieber zusammen in den Vorlesungen als alleine daheim vor dem Computer. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Zum Wintersemester treibt viele Studierende die Frage um, ob die Hochschulen wieder schließen müssen - wegen Corona oder der hohen Energiekosten. Welche Sparvorschläge ein Professor macht und was die Unis dazu sagen.

Von Anna Günther, Augsburg/München

Wieso sich das Gerücht hartnäckig hält, obwohl Politik und Hochschulpräsidenten ebenso hartnäckig widersprechen, weiß niemand. Fest steht: Viele bayerische Studierende haben Angst. Davor, dass sie im Wintersemester wieder allein daheim digital studieren müssen. Sabine Doering-Manteuffel seufzt am Telefon, sie kennt diese Sorgen. Auch die Unis hatten gehofft, "mal aus dem Krisenmodus rauszukommen". Doch da sind Corona, Energiekrise und Digitalisierung. Aber die Präsidentin der Augsburger Universität und Sprecherin der bayerischen Universitäten will Zuversicht vermitteln: "Wir haben uns festgelegt, ein Präsenzsemester zu machen. Und weder Corona noch die Energiefrage halten uns davon ab, ein Präsenzsemester zu machen."

Thorsten Utz hofft sehr, "dass das auch so durchgezogen wird". Es beschäftige schon den einen oder anderen, wie das wird bei 16, 17 Grad im Hörsaal. "Aber mei, immer noch besser als wenn die Hochschulen schließen müssten", sagt der Sprecher der bayerischen Landesastenkonferenz (LAK). Neben Einsamkeit und Kälte treibt die Studierenden besonders die Frage um, wie sie Essen und Miete bezahlen sollen.

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Erst im Winter dürfte das volle Ausmaß der Energiekrise spürbar sein, denn für Unis wie für die Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) gilt als staatliche Einrichtungen der Beschluss des Ministerrats aus dem heißen August: 15 Prozent des Energieverbrauchs müssen eingespart werden. Die Temperatur wird auf 19 Grad gesenkt, in Fluren soll es kühler sein. Warmes Wasser in Toiletten wird abgestellt.

Sabine Doering-Manteuffel, die Präsidentin der Universität Augsburg, will die Beleuchtung abschalten und Türen schließen, um Energie zu sparen. (Foto: Zentrale Fotostelle der Universitätsbibliothek Augsburg)

Die Uni Augsburg versuche viel, um Energie zu sparen, sagt Doering-Manteuffel. Die Beleuchtung innen wie außen soll abgeschaltet werden, Logos werden nachts nicht von Fassaden strahlen. Türen sollen nicht offenstehen, damit keine Wärme entweicht. "Aber wir müssen aufpassen, das ist eine Gratwanderung", sagt sie. "Wir haben schon mitgeteilt, dass keine Heizlüfter mitgebracht werden dürfen, die verbrauchen zu viel Strom."

2019 vor den Corona-Digitalsemestern bezahlte die Uni Augsburg 3,7 Millionen Euro für Heizung und Strom. Für 2022 geht die Uni von 5,4 Millionen Euro aus. Dass die Mehrkosten durch Einsparen kompensiert werden, darf bezweifelt werden. Wie sie das bezahlen soll, weiß Doering-Manteuffel nicht. Die Kanzler der Hochschulen seien zwar in Gesprächen mit dem Wissenschaftsministerium, bisher aber ohne Ergebnis. Es gilt, dass Energiekosten aus dem laufenden Etat bezahlt werden. "Für die Hochschulen braucht es Sonderprogramme, mit denen die Energiekosten ausgeglichen werden", sagt aber auch Walter Schober, HAW-Sprecher und Präsident der Technischen Hochschule Ingolstadt. Beide beschäftigt der Extremfall: Gehören Hochschulen zur kritischen Infrastruktur? Werden sie beliefert, wenn andere auf Gas warten müssen? Ungeklärt.

Diese Gemengelage speist die Sorgen der Studierenden: "Ich glaube, dass es unmöglich ist, die höheren Kosten aus dem Etat zu zahlen, woher soll das denn genommen werden? Die Hochschulen sind ohnehin unterfinanziert", sagt LAK-Sprecher Utz. Seine Befürchtung: Dass Budgets für Forschung und Lehre angezapft werden. Er findet, dass das Wissenschaftsministerium sich bewegen muss und nicht "den schwarzen Peter ständig von München nach Berlin und zurück schieben" dürfe.

Martin Hundhausen ist Professor für Halbleiterphysik, daneben gilt seine Leidenschaft dem Energiesparen. Er hat eine Menge Tipps. (Foto: privat)

Geht es nach Martin Hundhausen, reichen 15 Prozent Einsparung ohnehin nicht aus. Das Spezialgebiet des Professors ist Halbleiterphysik, aber seine Passion ist nachhaltiges Bauen und Wohnen. Hundhausen betreibt sogar einen Youtube-Kanal zu Energiethemen. Seine Uni, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), ist mehr als doppelt so groß wie die Uni Augsburg. 2019 gab die FAU 20 Millionen Euro für Energie in eigenen Gebäuden aus, für dieses Jahr geht die Unileitung von zehn Prozent mehr, für 2023 von 43 Millionen Euro aus. Die Probleme sind an vielen Hochschulen gleich - und teils auf Wohnungen übertragbar. Die FAU hat sogar eine Internetseite mit Tipps zum Energiesparen eingerichtet.

Hundhausen würde die Temperatur in Hörsälen sogar auf 18 Grad senken, "jedes Grad spart sechs Prozent Energie". Nachts oder am Wochenende könnten die Heizungen noch weiter runtergedreht werden - und über den Jahreswechsel sollte die Uni besser zwei Wochen schließen, nicht nur wie geplant bis Neujahr. In allen Fluren und Mensen sollten Bewegungsmelder eingebaut werden, um Dauerbeleuchtung zu vermeiden. Die schnellste Lösung: Jeder macht Computer und Licht aus, wenn er als Letzter den Raum verlässt. "Man geht auf die Toilette und macht danach das Licht nicht aus. Da frage ich mich schon, wieso machen die Leute das?", sagt Hundhausen. "Weil sie den Strom nicht bezahlen müssen."

Um zu sensibilisieren, brauche jeder Lehrstuhl einen Energiebeauftragten. Uni-Labore nennt Hundhausen "massiv überlüftet", Ventilatoren laufen oft rund um die Uhr und tauschen alle acht Minuten die Luft aus, die stets erwärmt werden muss. Die Geräte im Gebäude der Biologie seien 40 Jahre alt und verbrauchten so viel Strom im Jahr wie ein Einfamilienhaus. 200 Ventilatoren pro Uni brächten da viel Sparpotenzial.

Mittelfristig sieht Hundhausen noch mehr Potenzial: Gebäude müssten dringend energetisch saniert werden, gedämmte Wände gibt es mittlerweile fabrikfertig. Auf alle geeigneten Dächer gehörten Fotovoltaikanlagen. Das gehe schnell, eine studentische Initiative des FAU-Green-Office habe binnen fünf Monaten eine errichtet. Und wie soll das bezahlt werden, wenn die Hochschulen schon um finanzielle Hilfen bitten? Hundhausen wiegelt ab, so bleibe man ewig Opfer der Energiepreise. Dann rechnet er vor: Ein neuer Ventilator koste 100 Euro und verbrauche nur 30 Prozent der alten Geräte, der Strom für ein Einfamilienhaus im Jahr koste 1000 Euro. Selbst mit Personal- und Wartungskosten rechne sich das rasch.

Die Hoffnung auf Zusagen wurden am Freitag enttäuscht: Bei finanziellen Hilfen für die Hochschulen sieht Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) zunächst den Bund in der Pflicht: "Hochschulen, Uniklinika und Studentenwerke sind absolut systemrelevant. Der Bund muss jetzt Klarheit schaffen, dass diese Einrichtungen auch von der Energiepreisbremse geschützt werden", sagte Blume auf SZ-Anfrage. Klarheit bräuchten auch die Studierenden, die geplante Einmalzahlung des Bundes müsse "rasch und unbürokratisch" ausgezahlt werden.

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