Mit dem Regen ist auch die Kälte gekommen, und in Bayerns Bergen wie im Alpenvorland hat dieser frühe Wintereinbruch am Wochenende schlimmere Überflutungen vorerst verhindert. Während unter anderem weite Teile des benachbarten Österreichs sowie Tschechiens und Polens im Hochwasser versinken, ist es im Süden und Osten Bayerns überwiegend bei überfluteten Wiesen, Feldern und Straßen sowie etlichen vollgelaufenen Kellern geblieben. In den Bergen sank die Schneefallgrenze teilweise auf unter 1000 Meter, weshalb zumindest ein Teil der ergiebigen Niederschläge, die seit Freitag über der Region niedergingen, zunächst als Schnee liegen blieb. Am Ende wird aber auch das Schmelzwasser aus den Bergen höhere Pegel in Passau mit sich bringen.
Dort, am Zusammenfluss von Donau, Inn und Ilz, kommt jedes Hochwasser im Süden und Osten Bayerns irgendwann an. Die Passauer sind Hochwasser gewohnt. Es gebe die „üblichen“ Sperrungen in der Altstadt, hieß es schon am Samstag von einem Sprecher der Stadtverwaltung. Anwohner, Ladenbesitzer und Feuerwehrleute verrammelten Hauseingänge mit Hochwasserschutzelementen und stapelten Sandsäcke auf. Am Sonntagvormittag überspülte die Donau in Passau Teile der Fritz-Schäffer-Promenade und kratzte an der dritten von vier Hochwasser-Meldestufen, erreichte sie jedoch nicht.
Der Hochwassernachrichtendienst des Bayerischen Landesamts für Umwelt rechnete am Sonntag nicht mit einem weiteren Anstieg. Eine Entwarnung gaben die Hochwasser-Experten aber auch nicht heraus, denn der Deutsche Wetterdienst (DWD) sagte für die kommenden Tage bis einschließlich Dienstag für den Alpenrand und den Osten Bayerns weitere ergiebige Regenfälle voraus, wenn auch bei Weitem nicht in gleichen Ausmaß wie am Wochenende.
Die Niederschläge im Süden und Osten lagen laut einem Meteorologen des DWD am oberen Rand dessen, was die Wettermodelle noch am Donnerstag prognostiziert hatten. So wurden in Marktschellenberg, wo der Berchtesgadener Talkessel ans benachbarte Salzburg grenzt, sogar mehr als 200 Millimeter Niederschlag registriert. Das entspricht 200 Litern pro Quadratmeter und lag etwa ein Drittel über dem, was für einzelne Staulagen im Berchtesgadener Land erwartet worden war.
Auch in Lenggries im südlichen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen lag die Niederschlagsmenge über 150 Millimetern. Mehr als 100 Millimeter registrierte der DWD demnach praktisch durchgehend von Garmisch-Partenkirchen bis Berchtesgaden, weiter westlich im Allgäu lagen die Niederschlagsmengen meist deutlich darunter. Dort fand der bekannte Viehscheid in Oberstdorf im Dauerregen statt, zahlreiche andere Veranstaltungen waren schon vor dem Wochenende abgesagt worden.
Stattdessen rückten vor allem im südlichen Oberbayern die freiwilligen Feuerwehren zu Dutzenden Einsätzen aus – etwa im Landkreis Traunstein insgesamt rund 100-mal, wobei die Helfer meist vom Starkregen überflutete Straßen oder Unterführungen sperren, Keller auspumpen und Gebäude mit Sandsäcken und mobilen Hochwasserwänden schützen mussten.
Im Gebirge bei Ruhpolding mussten sie auch zahlreiche, unter der plötzlichen Schneelast umgestürzte Bäume von der längere Zeit gesperrten Bundesstraße 305 holen. Im nahen, knapp 700 Meter hoch gelegenen Ort Reit im Winkl waren noch am Sonntagmittag Wiesen und Dächer mit einer dünnen weißen Schneeschicht überzuckert. Droben an der rund 500 Meter höher gelegenen Winklmoosalm hätte der Schnee schon für einen Frühstart in die Skisaison gereicht.
Im Berchtesgadener Land, wo man dem Wochenende angesichts der Wetterprognosen mit der größten Sorge entgegengeblickt hatte, zählte die Feuerwehr etwas weniger Einsätze als im benachbarten Traunstein. Wie im gesamten Süden Oberbayerns waren die Retter gut vorbereitet und hatten beizeiten Sandsäcke gefüllt. Im Berchtesgadener Talkessel kam es dann aber weit weniger schlimm als im Juli 2021.
Damals waren bei Schönau am Königssee nach einem heftigen Starkregen Schlamm- und Geröllmassen vom Grünstein gerutscht und hatten einige Wohnhäuser teilweise verschüttet sowie Teile der Bobbahn am Königssee mit sich gerissen. Das teils sehr poröse Gestein in der Region hatte sich schon zuvor komplett mit Wasser vollgesogen und keine neuen Niederschläge mehr aufnehmen können. Dies war nun anders, und auch der Umstand, dass viel Niederschlag als Schnee liegen blieb, tat sein Übriges.
Die größeren Flüsse wie Loisach, Isar, Mangfall, Inn, Saalach und Salzach führten durchgehend viel Wasser, blieben aber weitgehend in ihren Betten. Zeitweise über ihre Ufer traten vor allen kleinere Bäche wie im Landkreis Rosenheim. Dort erwischte es den kleinen, zur Stadt Rosenheim gehörenden Weiler Oberkaltbrunn besonders hart, weil dort der Kaltenbach überlief und das braune Wasser um die Häuser und Ställe stand. Im Bayerischen Wald machte zeitweise der Fluss Regen bei Cham Probleme. Entlang der Rott und der Vils in Niederbayern standen vor allem Wiesen und Felder unter Wasser.
Für die kommenden Tage warnte der Deutsche Wetterdienst am Sonntag vor weiteren starken Regenfällen vom Bayerischen Wald über Niederbayern bis zu den Alpen und zum Allgäu. Weitere 40 bis 60 Liter pro Quadratmeter könnten demnach bis Dienstagmittag fallen. Im Südosten vom Mangfallgebirge im Landkreis Miesbach bis Passau sind laut der aktualisierten Unwetterwarnung vom Sonntag starke Regenfälle mit Mengen zwischen 60 und 90 Litern pro Quadratmeter zu erwarten, in Staulagen des Bayerischen Waldes kaum weniger.
Zugleich wird zu all dem das Schmelzwasser aus den Bergen hinzukommen, denn in den Alpen werden die Temperaturen nach den Erwartungen des DWD ansteigen. Die Schneefallgrenze erwartet der Wetterdienst daher bei 2000 Metern oder noch höher. Der Hochwassernachrichtendienst hielt angesichts dessen weiterhin Überschwemmungen bebauter Gebiete im Raum Passau möglich und warnt ansonsten vor einzelnen Ausuferungen und Überschwemmung im nahezu gesamten Südosten.