Süddeutsche Zeitung

Weihnachtsmärkte in Bayern:Zeit der Stille, Zeit der Pleiten

Weil die Corona-Zahlen steigen, haben mehrere Kommunen ihre Christkindlmärkte abgesagt. Was das für Wirte und Schausteller bedeutet.

Von Maximilian Gerl, Johann Osel und Olaf Przybilla, München/Nürnberg

Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen fürchten Gastronomen, Schausteller und Händler um Geschäft und Existenz. Mehrere Kommunen haben inzwischen ihre Christkindlmärkte abgesagt: unter anderem Rosenheim, Bad Füssing und der Landkreis Fürth. Der Landkreis Miesbach rät Gemeinden wie privaten Anbietern generell, "alle Märkte" zu streichen. Nicht nur der Handelsverband Bayern erwartet nun einen "Domino-Effekt". Die Absagen seien verständlich, sagt ein Sprecher, "aber wir hatten auf ein einigermaßen normales Weihnachten gehofft". Besonders hart trifft die Entwicklung die Budenbetreiber. Wegen der Corona-Krise fielen bereits etliche Märkte und Feste aus.

Viele Kolleginnen und Kollegen hätten deshalb Kredite aufnehmen müssen, berichtet Wenzel Bradac, Präsident des Landesverbandes der Marktkaufleute und Schausteller. "Noch einen bekommen die nicht." Bradac fürchtet, dass 30 bis 40 Prozent der Betriebe Pleite gehen könnten, sollten der Branche nun auch Weihnachtsmärkte als Einnahmequelle wegfallen. Die staatlichen Hilfen seien zwar grundsätzlich in Ordnung, reichten aber nicht aus; stattdessen drohe Hartz IV. Und einen Unternehmerlohn - wie ihn Baden-Württemberg Selbständigen als eine Art Grundeinkommen zahlt - verweigere die Staatsregierung.

Andernorts hält man trotz des Infektionsgeschehens vorerst an Weihnachtsmärkten fest: in Nürnberg zum Beispiel. "Wir spielen nicht mal mit dem Gedanken, unseren Christkindlesmarkt abzusagen", sagt der städtische Wirtschaftsreferent Michael Fraas (CSU). Es soll aber keine Eröffnung mit Tausenden Gästen geben, sondern eine Liveübertragung vom Christkind. Der Markt findet zudem anders als sonst dezentral auf vier Altstadtplätzen statt. In den Budengassen auf dem Hauptmarkt - diesmal mit sechs statt drei Metern Breite - könne man notfalls auf "Einbahnstraßensystem" umstellen, sagt Fraas.

Und der Glühweinausschank sei quasi abgegrenzt vom Marktgeschehen, sodass sich dort notfalls Exzesse kontrollieren ließen. Auf etwaige Verschärfungen sei man eingestellt. Verständnis hat Fraas für die Absage der Landfürther: Dort richten sie in den kleinen Städten meist nur an einem Wochenende oder Tag ihren Markt aus, es ballt sich und wird womöglich eng, die Pandemievorkehrungen müssen vor allem Ehrenamtliche umsetzen.

Gesundheitsminister Holetschek will "die Situation genau beobachten"

Allerdings könnte Nürnberg die Entscheidung über den Christkindlesmarkt bald aus der Hand genommen werden. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte kürzlich, man müsse "die Situation genau beobachten". Das Konzept, das er mit Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) Mitte Oktober präsentiert habe, gelte nach wie vor. Ein Vorteil der Märkte sei die Freiluft, dennoch könne die Entscheidung auch wieder wanken. Er würde "ein bisschen auf Sicht fahren lassen, so lange es geht, um diese wirklich kritische Situation auf den Intensivstationen im Blick zu behalten". Was sicher keinen Sinn ergebe: "Draußen sind die Buden offen und und Glühwein und drinnen kämpfen die Leute ums Überleben." Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte am Donnerstag, das Thema solle kommende Woche in der Konferenz der Ministerpräsidenten beraten werden. Wie in anderen Bereichen "brauchen wir einheitliche Regelungen in Deutschland" - "Maske mindestens".

Florian Müller wünscht sich dagegen sofort klare Ansagen. "Es herrscht einfach große Unsicherheit", sagt der Wirt des Bamberger "Ahörnla" und stellvertretende Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga. Viele Weihnachtsfeiern würden abgesagt, Touristen fehlten. Diese Einbußen werde die Branche sicher merken, nur wie sehr, lasse sich noch nicht abschätzen. Jetzt brauche es ein "verlässliches System", findet Müller: Die Politik solle nicht ständig nachsteuern, sondern einmal verbindliche Vorgaben festlegen. Stattdessen versuche sie ständig, bloß ja niemanden zu verprellen.

Auch die SPD-Fraktion im Landtag forderte am Donnerstag in einem Dringlichkeitsantrag mehr "Planungssicherheit": Die Staatsregierung solle darlegen, unter welchen Bedingungen Weihnachtsmärkte stattfinden könnten. Andere Bundesländer mit niedrigeren Inzidenzwerten hätten bereits klare Entscheidungen getroffen, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin Ruth Waldmann. "Für Bayern ist es jetzt allerhöchste Zeit."

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