Ähnlich halten es in der Gegend auch die Klöcklsinger, wie es sie zum Beispiel auch paar Kilometer weiter westlich am Samerberg im Landkreis Rosenheim gibt. Hier heißen sie Klöpfelsinger. Am späten Nachmittag ziehen die Kinder im Grundschulalter durch Törwang, angeführt vom Seppi, der klingelt und die Bitte um Spenden für Bedürftige vorträgt. "Was, gibt's die überhaupt am Samerberg?", fragt ein Mann die Kinderschar vor seiner Haustür. "Alleinerziehende zum Beispiel!", entgegnet ihm Veronika Sattlberger, eine Pädagogin aus Törwang, die die Kinder begleitet. "Der Pfarrer kennt die Leute schon, die es brauchen." Dann rückt der Mann einen Geldschein heraus.
Das Engelamt in Roßholzen.
(Foto: Sebastian Beck)Der Samerberg ist zwar nicht wirklich weit entfernt vom Gebrause der Welt und der Inntalautobahn. Dennoch zieht sich das Hochtal ein bisschen abgeschieden durch die ersten Erhebungen der Voralpen. Hier gibt es länger und mehr Schnee als unten. Die Einödhöfe liegen verstreut zwischen Wäldern und Wiesenbuckeln. Vielleicht haben sich deshalb noch Bräuche und eine Gemeinschaft gehalten, wie es sie anderswo so kaum mehr gibt.
Im Weiler Roßholzen zum Beispiel versammelt man sich jedes Jahr vor Weihnachten zu einer Roratemesse, die im Volksmund auch Engelamt heißt, und hier ausnahmsweise am Abend um 19 Uhr gefeiert wird. Mesnerin Gertraud Maurer hat die Rokokokirche St. Bartholomäus mit mehr als hundert Kerzen geschmückt. Die Roßholzener nennen sich wie die Maurers selber lieber "Baschtler", nach dem Patron ihrer Kirche, dem Heiligen Bartholomäus. Ein Samerberger wisse dann jedenfalls gleich, wo sie hingehören, sagt Gertraud Maurer. Von der Empore herab stimmen die "Samer Sänger" Adventslieder an. Frauen sitzen links vom Mittelgang und die Männer rechts. Die ersten Reihen belegen die Mitglieder der Freiwillige Feuerwehr in Uniformen. Heute gedenken sie ihrer Toten. Zusammen mit den sieben Ministrantinnen formt sich die Kirchengemeinde zu einem altbayerischen Adventsgemälde.
Engelämter wie in Roßholzen wurden früher in jeder katholischen Pfarrgemeinde um sechs Uhr morgens gefeiert, als Vorbereitung auf die Geburt Jesu Christi. Nachdem sie mangels Beteiligung fast verschwunden waren, bieten sie zahlreiche Gemeinden wieder an - genauso wie das Frauentragen.
Am Samerberg haben sich in diesem Advent wieder viele Familien an dem Brauch beteiligt, bei dem eine Marienfigur von Haus zu Haus gebracht wird, um dort jeweils einen Tag oder auch nur Abend lang einen Anlass zur Andacht zu geben, zu Gebeten oder Hausmusik. Dass die sonst sehr traditionsbewussten Samerberger bei diesem Brauch nicht vollkommen sattelfest sind, zeigt sich schon daran, dass eine Familie der nächsten zusammen mit der Marienfigur auch Begleitheftchen weiterreicht, in denen Dekorations- und Gebetsvorschläge verzeichnet sind.
Bei Veronika Sattlberger, die mit den Kindern durch den Ort zog, sollte die Figur dann am Heiligen Abend ankommen nach der Kindermette. Die Maria im Haus verleihe dem weihnachtlichen Ritual noch mehr Kraft, sagt sie: Es gehe ihr um die Geste, die schwangere Maria zu beherbergen.