Energieversorgung in Bayern:Grüne: Staat soll Wasserkraftwerke wieder übernehmen

Energieversorgung in Bayern: Das Walchenseekraftwerk in Kochel - 2030 läuft der Konzessionsvertrag mit Uniper aus.

Das Walchenseekraftwerk in Kochel - 2030 läuft der Konzessionsvertrag mit Uniper aus.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die bayerischen Grünen fordern, dass die Privatisierungen der Neunzigerjahre zum Teil rückgängig gemacht werden. Der Energiekonzern Uniper reagiert darauf ablehnend und warnt vor "Enteignungen".

Von Sebastian Beck, Florian Fuchs und Christian Sebald

Angesichts der aktuellen Energiekrise und den schweren Turbulenzen um den Stromkonzern Uniper werden Forderungen laut, dass der Freistaat zumindest Teile der Kraftwerkparks in Bayern wieder in die öffentliche Hand zurückführen solle. "Die Energieversorgung ist zentraler Bestandteil der Daseinsvorsorge", sagt der Fraktionschef der Landtags-Grünen, Ludwig Hartmann. "Die Staatsregierung sollte zusehen, dass sie möglichst große Teile davon wieder in Besitz des Freistaats oder kommunaler Verbünde bringt." Hartmann zielt auf die großen Wasserkraftwerke ab. Sie gehörten bis in die Neunzigerjahre mehrheitlich dem Freistaat und waren in der Bayernwerk AG zusammengefasst. Dann wurden sie unter dem damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) privatisiert, heute sind sie zum großen Teil in Besitz von Uniper. "Die aktuelle Energiekrise zeigt einmal mehr, welch immenser politischer Fehler Stoibers Privatisierungen waren", sagt Hartmann. "Ich erwarte von Ministerpräsident Markus Söder, dass er ihn korrigiert."

Uniper betreibt an die hundert Wasserkraftwerke an Donau, Lech, Isar und Main. Zusammen kommen sie auf knapp tausend Megawatt Leistung. Das entspricht zwei Drittel der Leistung des Atomkraftwerks Isar 2. Nach Angaben von Uniper produzieren die Anlagen ungefähr 4,8 Milliarden Kilowattstunden Strom im Jahr. Das ist ungefähr so viel, wie 1,6 Millionen Durchschnittshaushalte im Jahr verbrauchen, und entspricht etwa sechs Prozent des Strombedarfs in Bayern. Hartmann begründet seinen Vorstoß aber nicht nur energiepolitisch. Sondern auch mit dem Hochwasserschutz und der Gewässerökologie. "Der Freistaat und damit die Allgemeinheit investieren jedes Jahr viele Millionen Euro in neue Hochwasserschutzprojekte und die Renaturierung unserer Flüsse", sagt er. Mit der Rendite aus der Wasserkraft, die bisher an die Anlagenbetreiber geht, könnte er noch sehr viel mehr Geld in diese Aufgaben stecken.

Das Heimfallrecht gilt für bis zu 270 Kraftwerke

Möglich werden soll die Rückübertragung nach Hartmanns Vorstellungen durch das sogenannte Heimfallrecht, das sich aus dem Erbbaurecht herleitet. Es ist an den Konzessionsvertrag für die jeweilige Wasserkraftanlage gebunden und kann vom Freistaat mit dessen Ablauf wahrgenommen werden. Der Konzessionsvertrag für das oberbayerische Walchenseekraftwerk etwa läuft im Jahr 2030 aus, der Freistaat hat Uniper gegenüber bereits 2020 angekündigt, dass er über den Konzessionsvertrag neu verhandeln will. Am Lech enden die ersten von insgesamt zwölf Bescheiden im Jahr 2034. Insgesamt könnte der Freistaat Hartmann zufolge sein Heimfallrecht bei etwa 270 Wasserkraftwerken ziehen, allerdings wären die zeitlichen Perspektiven dafür zum Teil sehr langfristig. Experten weisen außerdem darauf hin, dass die rechtlichen Konstellationen zum Teil extrem kompliziert sind und deshalb eine Ablösung der Anlagen oder ein Rückkauf am aussichtsreichsten wären.

Hartmanns Vorstoß wird in der Energiebranche mit gemischten Gefühlen gesehen. "Natürlich kann man mit gutem Recht sagen, dass die Privatisierung der Energiebranche und damit der Wasserkraft ein Fehler war", sagt Detlef Fischer vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). "Aber das ist nicht neu, das haben viele schon in den Neunzigerjahren so gesehen." Fischer selbst will Stoibers Privatisierungspolitik nicht verurteilen, denn "es gibt genauso viele gute Argumente für sie wie gegen sie", wie er sagt. Aus seiner Sicht ist es letztlich sogar "völlig wurscht, wer die Anlagen betreibt". Viel wichtiger seien verlässliche politische Rahmenbedingungen - und zwar langfristige. "Energiepolitik ist Generationenpolitik, nicht Tagespolitik", sagt Fischer, "man darf nicht einmal für die Privatisierung eintreten und dann wieder für die Verstaatlichung. So wie man nicht für den Atomausstieg sein kann und dann wieder für eine Verlängerung der Laufzeiten. Das hält kein Unternehmen und auch keine Volkswirtschaft aus."

Uniper warnt vor "Enteignung"

Einen klaren Plan für die Wasserkraftwerke etwa am Lech fordert auch der Bund Naturschutz. "Der Freistaat muss sich endlich Gedanken machen, wie der Fluss künftig bewirtschaftet wird", sagt Thomas Frey, Regionalreferent für Schwaben. Den Vorstoß Hartmanns, dass der Freistaat oder kommunale Verbände künftig Wasserkraftwerke selbst betreiben sollen, unterstützt Frey schon allein mit Blick auf ökologische Aspekte. Momentan, sagt er, stehe etwa am Lech vor allem die wirtschaftliche Ausbeute im Vordergrund - was Uniper naturgemäß anders sieht. Der Konzern schreibt auf SZ-Anfrage, dass das Unternehmen die von Hartmann genannten Ziele "Energiesicherheit, Hochwasserschutz und Ökologie" ohnehin als Maxime seines Handelns verstehe. Laut einer Broschüre baut der Konzern Fischaufstiegsanlagen am Lech, sorgt für sichere Wanderungen der Aale am Main und verfolgt ein Mäh-Konzept am Mittlere-Isar-Kanal.

Besonders scharf kritisiert Uniper öffentliche Überlegungen Hartmanns, bei einer staatlichen Rettung des angeschlagenen Gasversorgers im Gegenzug die Wasserkraftwerke am Lech früher als geplant in die öffentliche Hand zurückzuführen. Eine "Enteignung", wie Uniper diese Idee nennt, wäre "weder nachvollziehbar noch begründet". Der Konzern vertraue dem Freistaat, dass der Heimfall oder eine Re-Konzessionierung zur gegebenen Zeit in einem geordneten Verfahren entschieden werde, das alle berechtigten Interessen abwägt.

Folge der Privatisierungspolitik

Laut Beteiligungsbericht des Freistaats von August 2021 hielt Bayern gerade noch 1,09 Prozent der Anteile am Energiekonzern Eon - der winzige Rest einst umfassender Industriebeteiligungen. Vor allem in den Neunzigerjahren und zu Beginn des neuen Jahrtausends finanzierte die Staatsregierung unter Stoiber ihre Investitionen mithilfe von Privatisierungen. Aus den Milliardenerlösen wurden unter anderem die "Offensive Zukunft Bayern" und die "High-Tech-Offensive" finanziert".

Bereits Anfang der Neunzigerjahre trennte sich der Freistaat von seinen Anteilen am Luft- und Raumfahrtkonzern DASA und der Rhein-Main-Donau-AG. Die staatliche Mehrheitsbeteiligung am Energieversorger Bayernwerk AG ging zunächst im Mischkonzern Viag auf, der wiederum 2000 mit der Veba zu Eon fusionierte - im Rahmen des bis dahin größten Zusammenschlusses von Unternehmen der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Allein im Zuge dieser Fusion verkaufte Bayern Aktien im Wert von 3,1 Milliarden Euro. Der Kurs der Privatisierung wurde damals von den im Landtag vertretenen Parteien weitgehend mitgetragen. Umstritten waren vor allem das Tempo und die Verwendung der Erlöse.

Anfang der Woche hatte Klaus Josef Lutz, Chef der BayWa und Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages, in der SZ rückblickend Zweifel an der Privatisierungspolitik geäußert. Man müsse sich heute angesichts der Probleme mit der Energieversorgung fragen, ob dies sinnvoll gewesen sei.

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