Süddeutsche Zeitung

Wallerstein:CSU-Parteispitze kritisiert Ortsverband

Ministerpräsident Markus Söder sagt, er hätte Bürgermeister-Kandidatur eines türkischstämmigen Unternehmers begrüßt.

Von Nico Fried, Dietrich Mittler und Philipp von Nathusius

Nachdem der türkischstämmige Unternehmer Sener Sahin aus Enttäuschung über den mangeln Rückhalt im CSU-Ortsvorstand seine Kandidatur für den Bürgermeisterposten im schwäbischen Markt Wallerstein zurückgezogen hat, äußerten Spitzenpolitiker der Partei am Montag ihre Enttäuschung. Ministerpräsident und Parteichef Markus Söder erklärte am Rande der CSU-Klausur im oberbayerischen Seeon: "Ich persönlich bedaure das. Denn jemand, der sich für uns engagiert und der in unserer Partei Mitglied ist und aufgestellt ist, der hat auch Respekt und Unterstützung verdient." Er selbst habe über diesen Fall erst aus der Zeitung erfahren und nun CSU-Generalsekretär Markus Blume gebeten, "das noch mal genau aufzuarbeiten".

Blume seinerseits betonte, er habe mit Sahin inzwischen ein "langes und gutes Gespräch" führen können. "Ich habe die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass wir hier doch noch zu einem guten Ergebnis kommen", sagte er. Er habe indes Verständnis dafür, falls Sener Sahin angesichts der unerfreulichen Umstände nicht mehr für eine Kandidatur zur Verfügung stehe.

Der CSU-Kreisvorsitzende Ulrich Lange sagte auf Nachfrage, er habe die Kandidatur Sahins für "eine gute und spannende Sache" gehalten - und das hätte er auch gerne unterstützt. Deshalb habe er sein Kommen für die Nominierungsversammlung am kommenden Donnerstag angemeldet. Damit habe er ein "Zeichen für die Kandidatur" setzen wollen. Sahin sei "ein voll integrierter junger Unternehmer". Auch der Vorstand des CSU-Ortsverbandes habe sich einstimmig für ihn ausgesprochen. Letztlich falle die Entscheidung über die Kandidatur aber in Wallerstein.

Soviel zum Hintergrund: Markt Wallerstein im schwäbischen Landkreis Donau-Ries ist in gewisser Hinsicht ein Biotop für sich. Der Großteil der Bevölkerung der Gemeinde ist katholisch - umringt von den Evangelischen in Oettingen oder in Nördlingen. Das hat zur Folge, dass bei Kommunalwahlen - wie Kenner der Gegend sagen - die Konfession der Kandidaten immer noch eine entscheidende Rolle spielt. In der Vergangenheit hatten etwa protestantische CSU-Kandidaten keine Chance, in Wallerstein Stimmen zu bekommen.

Aber warum dann auch die Vorbehalte gegen einen Muslim, der im Ort als Unternehmer und als Fußballtrainer wohlgelitten und noch dazu mit einer Frau aus dem Ort verheiratet ist? CSU-Bezirkschef Markus Ferber macht keinen Hehl daraus, wie sehr ihm diese Religions-Debatte missfällt. "Wir als CSU bekennen uns zu Werten und nicht zu Religionszugehörigkeiten", sagte er. Heißt: "Wer unsere Werte teilt, ist bei uns herzlich eingeladen." Vom Profil her bringe Sahin alles mit, was einen guten Bürgermeisterkandidaten ausmache. "Wie maßgeschneidert", sagte Ferber, "ich weiß nicht, was es da zu mäkeln gibt." Aber dennoch gelte es den Ball flach zu halten. Das Motiv der Wallersteiner sei kein rassistisches. "Herrn Sahin wurde ja nicht vorgeworfen, dass er Deutscher mit türkischer Abstammung ist", sagte Ferber. Er hoffe, dass Sener Sahin zumindest für einen Sitz im Gemeinderat kandidiere. Auch der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel meldete sich zu Wort: "Sogar bei den Oberammergauer Passionsspielen dürfen Muslime mitmachen, dann muss das doch in der CSU auch möglich sein", teilte Waigel der Augsburger Allgemeinen mit.

Verständnis für die Debatte darüber, ob Muslime wichtige Ämter in der Partei bekleiden dürfen, hat der frühere stellvertretende Parteivorsitzende Peter Gauweiler geäußert. In einem Gespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung sagte er: "Ausgangspunkt ist, dass wir eine christliche Partei sind, dafür sind wir gegründet worden." Von Sahin glaube er, dass dieser "Respekt vor der gewachsenen christlichen Tradition bei uns" aufbringe. Zur Frage, was ein gutes CSU-Mitglied ausmache, antwortete Gauweiler: "Es ist heimatverbunden, gläubig, achtet die christlichen Grundwerte und weiß, dass ein Bayern, in dem nicht mehr geglaubt würde, seine Seele verloren hätte." Die Kritik am Ortsverband teilt Gauweiler indes nicht. Dieser habe bereits Mut bewiesen, indem er Sahin für das Amt als Bürgermeisterkandidat nominierte.

Wie der Wallersteiner CSU-Ortsvorsitzende Georg Kling gegenüber der Nachrichtenagentur dpa erklärte, hatte Sener Sahins zunächst vorliegendes Einverständnis zu einer Kandidatur in Teilen des Ortsverbands für heftigen Widerstand gesorgt. Ein Muslim, so hieß es da , passe nicht mit dem "C" im Namen der Partei zusammen. "Wir sind auf dem Dorf, wir sind noch nicht so weit", bedauerte Kling.

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SZ vom 07.01.2020/pvn
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