Grüne Energie:"Wir brauchen einen Geothermie-Turbo"

Grüne Energie: Im Geothermie-Kraftwerk des Marktes Holzkirchen wird aus 5000 Metern Tiefe 157 Grad heißes Tiefengrundwasser nach oben gefördert, pro Sekunde ungefähr 60 Liter. Die SPD sieht im Freistaat großes Potenzial für die Art der Energiegewinnung.

Im Geothermie-Kraftwerk des Marktes Holzkirchen wird aus 5000 Metern Tiefe 157 Grad heißes Tiefengrundwasser nach oben gefördert, pro Sekunde ungefähr 60 Liter. Die SPD sieht im Freistaat großes Potenzial für die Art der Energiegewinnung.

(Foto: Gemeindewerke Holzkirchen)

Das fordert Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn und wirft der Staatsregierung Versäumnisse bei der Förderung der Technik vor. Diese ist CO2-frei und liefert rund um die Uhr Energie. Es gibt nur eine Schwachstelle.

Von Christian Sebald

Die Tiefengeothermie führt unter den Erneuerbaren Energien ein Schattendasein. Erst jetzt - im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der Gaskrise - erlebt die Wärme aus dem Erdinnern eine gewisse Konjunktur. Dabei hat die Geothermie gerade in Bayern ein immenses Potenzial. Knapp die Hälfte der Wärme, die der Freistaat braucht, könnte er durch die Tiefengeothermie decken, sagt zum Beispiel der Physiker und Geothermie-Pionier Erwin Knapek. Die Landtags-SPD fordert nun, dass der Freistaat massiv in die Technologie investiert. "Wir brauchen unbedingt einen Geothermie-Turbo", sagt der Fraktionsvorsitzende und bayerische SPD-Chef, Florian von Brunn. "Die Staatsregierung hat es 20 Jahre lang versäumt, die Geothermie auszubauen. Jetzt müssen wir anpacken."

Brunns Geothermie-Turbo ist ein Mix aus finanzieller Förderung und technologischer Unterstützung für Kommunen, die in die Wärme aus der Tiefe investieren wollen. Ein zentraler Punkt sind staatliche Bürgschaften für Städte und Gemeinden, die ihre Wärmeversorgung umrüsten wollen. So sollen sie leichter an die Kredite dafür gelangen können.

Außerdem fordert die SPD die Ausweisung von Vorzugsgebieten für Geothermie, eine Verbesserung der Datengrundlage über die Geologie in Bayern und Vorerkundungen durch den Freistaat, zum Beispiel Explorationsbohrungen. Und die Staatsregierung soll für die Akzeptanz der Technologie werben. In der Vergangenheit hatte es bei Anwohnern immer wieder Befürchtungen gegeben, die Bohrungen tief ins Erdinnere könnten Erdbeben auslösen. Nach Aussage von Experten ist die Technologie indes sehr sicher. Insgesamt, so Brunns Vorstellung, soll der Freistaat in den kommenden Jahren wenigstens 100 Millionen Euro in die Tiefengeothermie stecken.

Die Wärme aus der Tiefe stammt aus dem Malm. Das ist eine bis zu 600 Meter mächtige, zerklüftete, wasserhaltige Kalksteinschicht, die man sich wie einen wassergesättigten, harten Schwamm vorstellen kann. Nördlich der Donau, in der Fränkischen Alb, liegt der Malm an der Erdoberfläche. Südlich von ihr, im sogenannten Molassebecken, verschwindet er immer weiter in der Erdkugel, bis er im Alpenvorland etwa 5000 Meter Tiefe erreicht. Je tiefer der Malm liegt, desto heißer ist das Thermalwasser darin. Während es bei Straubing gerade mal 35 Grad sind, beträgt die Temperatur nahe dem oberbayerischen Erding schon 65 Grad, südlich von München, in Holzkirchen, werden sogar 157 Grad erreicht. Diese Geologie ist der Grund, warum das Molassebecken so gut für die Tiefengeothermie taugt. 24 der 42 Geothermie-Anlagen in Deutschland liegen denn auch dort.

Tiefengeothermie produziert Wärme und Strom bei jedem Wetter und rund um die Uhr

Geothermie-Pionier Knapek, der als Bürgermeister des Münchner Vororts Unterhaching 2004 eines der ersten Geothermie-Kraftwerke in Bayern hat errichten lassen, unterstützt die Forderungen der Landtags-SPD. Aus seiner Sicht muss die Technologie Bayerns "erste Wahl sein", wenn es um das Ziel der Staatsregierung geht, dass der Freistaat bis 2040 klimaneutral werden soll. Denn die Tiefengeothermie ist - einmal abgesehen vom Bau der Kraftwerke - CO₂-neutral. Aber das ist nicht ihr einziger Trumpf. Anders als Windkraft und Photovoltaik, die nur Energie liefern, wenn der Wind weht und die Sonne scheint, produziert sie Strom und Wärme bei jedem Wetter und rund um die Uhr. Und sie ist eine heimische Energie, ein jedes Geothermie-Kraftwerk, das in Bayern errichtet wird, macht den Freistaat ein Stück weit unabhängig von Energieimporten.

All diese Vorzüge sind seit langem bekannt. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW), sagen immer wieder, dass bis 2050 ein Viertel des Wärmebedarfs aus der Tiefengeothermie gedeckt werden soll. Das wäre eine gigantische Menge, es entspräche wenigstens 500 neuen Anlagen. Der Wärmeverbrauch Bayerns ist zweieinhalb mal so groß wie der Stromverbrauch. Insgesamt beläuft er sich auf ungefähr 210 Milliarden Kilowattstunden im Jahr. Drei Viertel stammen aus der Verbrennung fossiler Energieträger, in der Hauptsache Erdöl und Erdgas. Der Anteil der Geothermie ist bisher verschwindend klein. Er stagniert schon länger bei 0,5 Prozent oder einer Milliarde Kilowattstunden.

Auch zur Förderung der Tiefengeothermie bekennt sich die Staatsregierung seit langer Zeit. So hat Wirtschaftsminister Aiwanger wiederholt einen "Masterplan Geothermie" angekündigt. Sein Kern sollten Zuschüsse für ein Nahwärmenetz in Kommunen sein, die auf Tiefengeothermie setzen. Denn die hohen Kosten für das Leitungsnetz, das die Erdwärme vom Kraftwerk zu den Verbrauchern bringt, sind ein Hauptgrund, warum die Tiefengeothermie bisher nicht vorangekommen ist. Als Faustregel gilt laut Knapek, dass man für den Bau von einem Kilometer Wärmeleitung eine Million Euro veranschlagen muss. Nun hat der Bund nach langem Hin und Her eine milliardenschwere Förderung für effiziente Wärmenetze aufgelegt. Bis 2026 will er drei Milliarden Euro in effiziente Wärmenetze investieren. Deshalb gibt es nach Angaben einer Sprecherin von Aiwanger "keinen Spielraum mehr" für ein spezielles bayerisches Programm.

Knapek appelliert an die Staatsregierung: "Nun ist es an der Zeit, zu liefern"

Auch die Bohrungen und die Kraftwerke sind teuer. Eine Bohrung verschlingt schnell zehn Millionen Euro. Pro Kraftwerk sind wenigstens zwei Bohrungen notwendig: die Förderbohrung, aus der das heiße Tiefengrundwasser nach oben geholt wird, und die Injektionsbohrung, durch die es wieder ins Erdinnere gelangt, nachdem es seine Energie abgegeben hat. Außerdem fallen Wärmetauscher, Generatoren und weitere Anlagen in den Kraftwerken an. Da kommen schnell einige zehn Millionen Euro zusammen. Die Geothermie ist deshalb bislang nur etwas für finanzstarke Gemeinden wie den oberbayerischen Markt Holzkirchen.

Knapek teilt die Einschätzung der Landtags-SPD, dass die Staatsregierung mehr für die Geothermie tun solle. "Bisher gab es da nur Bekenntnisse und Ankündigungen", sagt er. "Nun ist es an der Zeit, zu liefern." Zumal es im Interesse der bayerischen Wirtschaft sei, vom russischen Erdgas wegzukommen. Aus dem südostbayerischen Chemie-Dreieck, aber auch aus der Lebensmittelbranche gebe es inzwischen ja sehr starke Signale.

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