Süddeutsche Zeitung

Umwelt und Naturschutz in Bayern:Wilde Wälder will die Staatsregierung

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Für die Ausweisung von vier großen Schutzgebieten erhält Forstministerin Michaela Kaniber viel Zustimmung - die Freien Wähler allerdings sind verschnupft.

Von Christian Sebald

So viel parteiübergreifende Anerkennung hat Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) bisher wohl selten erhalten: Die Naturschutzszene, aber auch SPD und Grüne begrüßen einhellig ihre Entscheidung, in Bayern vier weitläufige Naturwälder auszuweisen. Umweltminister Thorsten Glauber (FW) heißt den Beschluss ebenfalls gut, obwohl er als ranghöchster Naturschützer im Kabinett nach SZ-Informationen nicht in die Auswahl der Gebiete eingebunden war. "Das ist ein gutes Signal für den Schutz der Natur", sagt Glauber dennoch. "Unser Engagement für den Natur- und Artenschutz der vergangenen Monate wird damit unterstrichen."

Allein vom Umfang her sind die vier neuen Naturwälder ein enormer Zugewinn für den Naturschutz. Die Flächen im Irtenberger Wald nahe Würzburg, im fränkischen Steigerwald, am Donaudurchbruch bei Weltenburg und entlang der Isar von München nach Landshut umfassen zusammen 5000 Hektar Wald. Das entspricht einem halben Nationalpark. Und wie in einem Nationalpark ist in ihnen künftig Forstwirtschaft tabu.

Die ökologisch höchst wertvollen und artenreichen Bestände können sich ohne menschliche Einflüsse weiterentwickeln. "Wir lassen sie zu wilden Wäldern werden", sagt Kaniber "und damit zur Heimat für seltene Pflanzen und Tiere, die auf größere unberührte Flächen angewiesen sind." Zugleich betont die Ministerin, dass die Naturwälder zugänglich bleiben. Außerdem plant sie Bildungsangebote. "Die wilde Waldnatur, die fantastische Vielfalt und das ständige Werden und Vergehen sollen für alle erlebbar sein."

Der SPD-Landtagsabgeordnete und Naturschutz-Experte Florian von Brunn spricht denn auch von "überraschenden und guten Nachrichten für den Schutz von Wäldern und Auen in Bayern". Der Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann heißt es "gut, dass die Natur in den vier Waldschutzgebieten eine Verschnaufpause vom Menschen bekommt". Für Richard Mergner, den Chef des Bunds Naturschutz (BN), sind die neuen Naturwälder "ein wichtiger Schritt zum Schutz des bayerischen Weltnaturerbes". Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) nennt die Initiative "einen großen Schritt für die Vielfalt in unseren Wäldern".

Für FW-Fraktionschef Florian Streibl zeigt der Vorstoß, dass die schwarz-orange Koalition "ihre Aufgaben im Naturschutz abarbeitet". Verärgert ist Streibl nur darüber, dass Kaniber die FW bei der Initiative außen vor gelassen hat. "Das gehört besprochen", sagt er. "Zumindest im Kabinett." Der Waldbesitzerverband (WBV) äußert sich zurückhaltend. Die Organisation hat bisher Naturwälder ohne Forstwirtschaft strikt abgelehnt. "Die Initiative fußt auf den Vereinbarungen nach dem Volksbegehren Artenvielfalt - Rettet die Bienen", sagt WBV-Chef Josef Ziegler nun. "Wir stehen zu ihnen."

Den Naturschützern, den Grünen und der SPD reicht Kanibers Initiative aber nicht aus. Aus ihrer Sicht müssen unbedingt zusätzliche Schutzgebiete folgen. Im Zentrum steht dabei die Forderung nach einem weiteren Nationalpark in Bayern, die sie seit Jahren erheben. Priorität hat für sie der fränkische Steigerwald, wo schon lange erbittert über die Ausweisung eines Buchen-Nationalparks gestritten wird. CSU und FW stehen in dem Streit fest aufseiten der Bauern, Forstleute und anderer Nationalpark-Gegner. In ihrem Koalitionsvertrag haben sie einem dritten Nationalpark in Bayern eine Absage erteilt.

Der Grünen-Politiker Hartmann wirft Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nun abermals vor, "in seinen ideologischen Vorbehalten gegen den dritten Nationalpark gefangen" zu seien. Hartmanns Forderung: "Mehr Mut beim Waldschutz." Den erwartet sich auch BN-Chef Mergner von Söder. Wie Hartmann bekräftigt er die Forderung nach dem Buchen-Nationalpark im Steigerwald. Der SPD-Abgeordnete Brunn äußert sich moderater. Aber auch er verlangt weitere Schutzgebiete im Steigerwald, sodass dort ein Weltnaturerbe möglich werden könnte. LBV-Chef Schäffer hofft derweil auf ein Schutzgebiet im fränkischen Spessart. Es war den Naturschützern ebenfalls am runden Tisch zum Bienen-Volksbegehren zugesagt worden, scheitert bisher aber offenkundig am harten Widerstand in der Region. Der Spessart ist ebenfalls berühmt für seine urwüchsigen Buchenwälder.

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Quelle:
SZ vom 30.05.2020
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