Unter Bayern:Die Zukunft war früher besser

Unter Bayern: Ein Mann in München demonstriert gegen die Präventivhaft, in der sich derzeit viele Klimaaktivisten in Bayern befinden.

Ein Mann in München demonstriert gegen die Präventivhaft, in der sich derzeit viele Klimaaktivisten in Bayern befinden.

(Foto: IMAGO/Sachelle Babbar/IMAGO/ZUMA Wire)

"Klima-RAF" und eine endlose S-Bahn-Baustelle - Wovon würde wohl 2062 ein Spielfilm über das heutige Bayern handeln? Und wer sind da eigentlich die Bösewichte?

Glosse von Franz Kotteder

Hausaufgabe für die besinnliche Zeit: noch einmal den bedrückend wahren Spielfilm "Wackersdorf" von Oliver Haffner anschauen und staunen, dass das alles wirklich geschehen ist. Obwohl man vieles ja original miterlebt hat. Dann darüber sinnieren, wie 2062 ein Film über das Bayern unserer Tage aussehen könnte. Und was genau der Unterschied ist?

Die Menschen werden, hoffentlich, in 40 Jahren verblüfft darüber sein, dass man im Bayern von 2022 einfach so eingesperrt werden konnte, weil man möglicherweise die Absicht hatte, auf der Straße einen Autostau zu verursachen. Wohingegen man völlig straflos für einen Stau auf einer S-Bahn-Stammstrecke verantwortlich sein durfte und auch nicht in Polizeigewahrsam kam, wenn der Ausbau einer solchen Stammstrecke schon fast den Zeitraum eines Menschenlebens umfasste. Womöglich wird man sich 2062 auch wundern, warum manche Leute nicht Autolobbyisten und Verbrenner-Fans als "Klima-Kriminelle" oder "Klima-RAF" bezeichneten, sondern vielmehr die damaligen Protestierer gegen die 40 Jahre später längst Realität gewordene Klimakatastrophe?

Bestimmt wird dieser Film noch düsterer als Wackersdorf. Das bedeutet: Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger wird darin kaum vorkommen können. Den kann man sich am ehesten noch in einer Neuverfilmung der Lederhosen-Schmonzette "Zwei Bayern in St. Pauli" unter der Regie von Bully Herbig vorstellen. Als Sidekick wären da noch Alexander Dobrindt denkbar oder Andi Scheuer, wegen der intellektuellen Tiefe.

Sonst aber ist leider kaum absehbar, was in 40 Jahren noch Bestand haben wird von der bayerischen Politik. Weil unsere Staatspartei schon nach ein paar Jahren nicht mehr so richtig wissen will, wo ihre Hoffnungen mal waren. Erinnert sich noch jemand daran, wie sehr sich 2016 Horst Seehofer über die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und seine zu erwartende, baldige Stippvisite im Weißen Haus freute? Oder daran, dass sich große Staatsmänner wie Victor Orbán und Sebastian Kurz bei CSU-Klausurtagungen die Ehre gaben? Ja, das waren mal Lichtgestalten für jene, die das heutige Bayern regieren. Inzwischen denkt man selbst in der CSU etwas anders über sie, und auch Markus Söder ist sicher froh, dass das mit dem russischen Sputnik-Impfstoff aus Illertissen doch nicht geklappt hat. Das lässt immerhin hoffen, dass man eines Tages auch in der CSU den Kopf schütteln wird über das bayerische Polizeiaufgabengesetz.

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