Krieg in der Ukraine:"Wir können nicht Volksfeste feiern, wenn anderswo Menschen sterben"

2021 RB Corona Festtage

Wieder Volksfeste feiern, das wünschen sich nicht nur pandemiegeplagte Schausteller, auch die Staatsregierung hat das fest vor. Doch jetzt droht den Plänen etwas anderes dazwischenzukommen: der Krieg in der Ukraine.

(Foto: N.P.JØRGENSEN)

Theoretisch könnten nach langer Corona-Pause bald wieder Frühlingsfeste in Bayern stattfinden. Doch nach Feiern ist angesichts der Lage in der Ukraine nicht mal allen Schaustellern zumute. Wie geht es nun weiter?

Von Maximilian Gerl, Aschaffenburg/München

Thorsten Goldbach betreibt eine Ringwurfbude und einen Crêpes-Stand - zumindest in Zeiten, in denen es Märkte und Volksfeste gibt. So wirklich zum Arbeiten kam der Aschaffenburger also wenig in den vergangenen zwei Jahren, in denen viele öffentliche Veranstaltungen wegen Corona ausfielen. "Wir haben versucht, uns anderweitig aufzustellen", berichtet er am Telefon. Zum Beispiel seien sie mit dem Crêpes-Wagen "ähnlich wie mit einem Hendlwagen" herumgefahren, quasi jeden Tag an einer anderen Straßenecke. Trotzdem summierten sich die Umsatzeinbußen auf knapp 80 Prozent. Was das bedeute, "können Sie sich ja vorstellen", sagt Goldbach. "Das Wichtigste ist, dass wir wieder ins Rollen kommen."

Wieder ins Rollen kommen, genauer: wieder Volksfeste und Märkte möglich machen und feiern, das ist nicht nur Wunsch pandemiegeplagter Marktkaufleute und Schausteller. Auch die Staatsregierung hat bereits eine Rückkehr der Volksfeste angedeutet. Allerdings droht den Plänen nun etwas anderes dazwischenzukommen: der Krieg in der Ukraine.

Dabei hatte die Branche gerade Hoffnung geschöpft. In Bayern sind Volksfeste noch Corona-bedingt verboten, doch zum 20. März - dem sogenannten Freedom Day - entfällt nach heutigem Stand die rechtliche Grundlage dafür.

Am Donnerstag trafen sich deshalb Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) und Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) virtuell mit Schaustellern, Marktleuten und Kommunalvertretern, um Öffnungsperspektiven zu besprechen. Ein anschließender Auftritt vor der Presse war angekündigt, wurde aber kurzfristig abgesagt. Angesichts der Lage in der Ukraine wolle man sich dazu heute nicht äußern, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium.

Auch Branchenvertreter reagierten hernach zurückhaltend. Lockerungen seien zwar in Sicht, sagte Wenzel Bradac, der als Vorsitzender des Landesverbands der Marktkaufleute und Schausteller an dem Gespräch teilgenommen hatte. Man habe jedoch einvernehmlich beschlossen, zunächst die Entwicklungen in der Ukraine abzuwarten: "Wir können nicht Volksfeste feiern, wenn anderswo Menschen sterben."

Es wurden Altersvorsorge und Ersparnisse aufgelöst

Nun ist die Sorge groß, dass sich der Winter im Frühling unter anderen Vorzeichen wiederholt. Vielerorts waren im vergangenen Jahr die Christkindlmarkt-Buden schon aufgebaut, als die Staatsregierung mit Verweis auf die steigenden Infektionszahlen solche Veranstaltungen verbot.

Dabei sahen sich zuvor schon viele Schausteller und Marktkaufleute aufgrund abgesagter Feste und fehlender Einnahmen unter Druck. Laut Verbandschef Bradic gibt es zwar bislang kaum Betriebsaufgaben, "wir stehen aber kurz davor". Manche Kollegen hätten Altersvorsorge und Ersparnisse auflösen und Freunde und Verwandte um Kredit bitten müssen. Auch in anderen Wirtschaftszweigen klagen Selbständige darüber, dass die Corona-Hilfen zwar beim Begleichen der Betriebskosten helfen würden; dass aber damit auf Dauer keine Versicherungen, Mieten und sonstigen privaten Aufwendungen bezahlt seien.

Auch die Brauereien würden sich über eine Rückkehr der Volksfeste freuen, manche mussten im vergangenen Jahr ihre Festbiere fässerweise wegschütten. Sollten es die Umstände zulassen, könnte das Würzburger Frühjahrsvolksfest eines der ersten Feste in Bayern werden, der Start ist derzeit auf den 26. März terminiert. Ob und welche Corona-Vorgaben dann gelten werden, ist unklar. Eine Einzäunung von Veranstaltungen ist zwar grundsätzlich denkbar, allerdings nicht überall so einfach möglich - und würde Mehrkosten für Beschicker oder Kommunen bedeuten. Sollten indes Volksfeste weiter ausfallen, braucht es aus Sicht der Schausteller zusätzliche Hilfen, etwa ein garantiertes Mindesteinkommen.

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