Volksfestzeit in BayernWarum der Autoscooter die Zeit überdauert

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Bühne und Treffpunkt zugleich: der Autoscooter.
Bühne und Treffpunkt zugleich: der Autoscooter. (Foto: Leonhard Simon)

Manche Dinge sind längst überholt, halten sich aber doch. So trotzt auch der Autoscooter allen moderneren Fahrgeschäften. Das muss an seiner sozialen Funktion liegen.

Glosse von Katja Auer

Manche Dinge überdauern die Zeit, eher aus stilistischen oder nostalgischen Gründen, nicht aus Notwendigkeit. Armbanduhren zum Beispiel braucht es längst nicht mehr, schließlich zeigt das Handy die Uhrzeit an und beim Medienkonsum der meisten Menschen ist demnach jederzeit die Zeit ersichtlich. Andere Leute hängen sich gleich ein Gerät ans Handgelenk, das nicht nur die Zeit anzeigt, sondern auch noch Herzfrequenz und Blutdruck misst und mitteilt, wenn im Kühlschrank die Milch ausgeht.

Oder hölzerne Kochlöffel. Falls überhaupt noch jemand selber kocht und nicht beim Lieferdienst bestellt oder Fertiggerichte auftaut, gibt es Küchenmaschinen, oder besser Küchen-High-End-Geräte, die jede Rührbewegung überflüssig machen.

Und natürlich Autoscooter. Gerade ist Volksfest-Hochsaison in Bayern, das Gäubodenvolksfest in Straubing geht gerade zu Ende, die Bamberger Sandkerwa steht bevor und dann kommt natürlich noch das Münchner Oktoberfest. Überall stehen Autoscooter, sie trotzen all den Freefall-Towers, Achterbahnen und Superkreiseln, wo es höher, schneller und noch lauter zugeht.

Aber warum halten sich die kleinen Autos schon um die hundert Jahre auf großen und kleinen Festen? Wo es doch inzwischen Computerspiele gibt, die mehr Autofeeling erlauben als die holprigen Fahrzeuge mit dem Gummischutz, und Simulatoren, auf denen sich die Rennstrecken der ganzen Welt abfahren lassen.

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Eine nicht wissenschaftlich fundierte persönliche Langzeituntersuchung hat ergeben, dass es der soziale Faktor sein muss, der den Autoscooter so unersetzlich macht. Tagsüber kurven dort Opas und Väter mit den Kindern herum und beweisen ganz nebenbei, dass Papa/Opa der Beste ist. Mit dem Einsetzen der Dämmerung übernimmt die Jugend das Fahrgeschäft, wobei die Stufen rundum mindestens genauso wichtig sind wie die Autos selbst. Da wird dann geguckt und gekichert, geflirtet und ein bisschen angegeben.

Der Autoscooter wirkt auch stets ein wenig verwegener als ein Kettenkarussell zum Beispiel oder ein Riesenrad. Schon wegen der jungen Männer, die am Fahrgeschäft arbeiten und so lässig auf die Autos aufspringen, wenn mal wieder eins liegenbleibt. „Junge Männer zum Mitreisen gesucht“, solche Schilder standen früher zuhauf an den Fahrgeschäften und verhießen ein Leben voller Freiheit und Abenteuer. Dass dies vermutlich nicht weit über die Grenzen des Regierungsbezirks hinausreichte, klingt ja nicht gleich beim ersten Lesen mit.

Vielleicht muss der Autoscooter aber einfach auch bleiben, weil er schon früh seiner Zeit voraus war. Immerhin fahren da ausschließlich Elektroautos.

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