Süddeutsche Zeitung

Volksbegehren:FDP will bayerischen Landtag verkleinern

Ein Volksbegehren will die Zahl der Abgeordneten in Bayern reduzieren. Es sollen nur noch 160 Abgeordnete sein. Die anderen Parteien sehen keine Notwendigkeit - im Gegenteil. Manchen ist das Parlament sogar zu klein.

Von Katja Auer und Andreas Glas

205 Abgeordnete sitzen zurzeit im bayerischen Landtag, zu viele, wie die FDP befindet. Und es könnten noch mehr werden. Prognosen des Landeswahlleiters zufolge könnten dem nächsten Parlament gar 220 Volksvertreterinnen und -vertreter angehören. Das wollen die FDP und ihre Mitstreiter verhindern und starten deswegen ein Volksbegehren.

"Ein größeres Parlament ist nicht besser, sondern nur teurer", rechnet Landes- und Fraktionschef Martin Hagen am Dienstag im Münchner Presseclub vor, dafür habe die Bevölkerung kein Verständnis. 1,5 Millionen Euro koste ein Abgeordneter den Steuerzahler pro Legislaturperiode, sagt Hagen, und das noch ohne Altersvorsorge. Stimmt die Rechnung, ergäben sich Mehrkosten von 60 Millionen Euro pro Legislaturperiode, wenn der Landtag weiter wächst.

Der Bund der Steuerzahler und der Bund der Selbständigen unterstützen das Volksbegehren, im Landtag allerdings steht die FDP recht alleine da. Dort wurden entsprechende Anträge der Liberalen, das Wahlrecht zu reformieren, immer wieder abgelehnt. Man nehme das Volksbegehren "sehr ernst", sagt Tobias Reiß, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Landtag. Wer sich die Lage anschaue, stelle aber fest, "dass Bayern mit seiner stetig wachsenden Bevölkerung keinen übergroßen Landtag hat". Ähnlich wie Reiß betont Jürgen Mistol (Grüne) "das Besondere" am bayerischen Wahlrecht, wonach alle Regionen des Landes "äußerst stark im Landtag repräsentiert sind und dort auch Gehör finden". Ein kleinerer Landtag bedeute "eindeutig weniger Nähe" zwischen Politik und Bevölkerung.

Es bestehe keine Bereitschaft, sich selbst zu beschränken, so kommentiert Hagen die Haltung der anderen Parteien, und Fraktionsvize Alexander Muthmann, der bei der FDP das Volksbegehren verantwortet, spricht von der "völligen Reformunwilligkeit der etablierten Parteien". Er sieht das Volksbegehren als "Weckruf" der Bevölkerung, dem ein größerer Bürokratieabbau folgen solle. Mehr Beamte, mehr Vorschriften, all das will Muthmann ändern.

Die Initiatoren des Volksbegehrens brauchen mindestens 25 000 Unterschriften

CSU-Mann Reiß spricht dagegen von einer "Kampagne". Die FDP müsse sich "fragen lassen: Ist es der einfache Versuch, Wählerstimmen für sich zu gewinnen, wert, die Legitimität des Landtags und seiner Abgeordneten zu beschädigen?" Dass die FDP "ausgerechnet die Zahl der Direktmandate kritisiert", hält Reiß für verräterisch. "Wer selbst keine Direktmandate erringen und die Menschen vor Ort so weit von sich überzeugen konnte, der macht so einen Vorschlag." Selbst Andreas Winhart von der AfD bezeichnet die FDP-Initiative als "unausgereift und im Gesamten populistisch". Er verweist zugleich aber auf die Wahlprogramme seiner Partei, die "eine Verkleinerung der Parlamente" zum Ziel hätten. Vom "populistischen Wahlkampfschlager" spricht auch Fabian Mehring (Freie Wähler), der Grüne Mistol nennt es "populistische Stimmungsmache auf Kosten des Parlamentarismus". Beim Wahlrecht sieht er anderen Reformbedarf, etwa die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre.

Bevor es nun tatsächlich zu einem Volksbegehren kommt, brauchen die Initiatoren mindestens 25 000 Unterschriften. Kommen diese zusammen, muss das Innenministerium überprüfen, ob ein Volksbegehren zulässig ist. Den Zeitplan haben die Initiatoren dann nicht mehr in Hand, klar ist nur, dass eine mögliche Wahlrechtsreform das nächste Parlament nicht mehr betreffen wird. Im Herbst 2023 wird ein neuer Landtag gewählt, der genaue Termin steht noch nicht fest, es wäre "naheliegend", sagt Hagen, dass ein Volksentscheid mit der Wahl stattfände.

In der Verfassung sind zurzeit 180 Abgeordnete vorgesehen, dass dem Parlament 25 Frauen und Männer mehr angehören liegt an Ausgleichs- und Überhangmandaten im komplizierten bayerischen Wahlsystem. Das gründet auf zwei Säulen: Zum einen gibt es 91 Stimmkreise, in denen jeweils ein Vertreter direkt gewählt wird. Drin ist, wer die Mehrheit der Stimmen bekommt und wessen Partei es landesweit über die Fünf-Prozent-Hürde schafft. Die anderen 89 Parlamentarier werden über Listen gewählt, die die Parteien für jeden Regierungsbezirk aufstellen.

Ein Volksentscheid führte bereits einmal zur Verkleinerung

Aber das ist noch nicht alles: Es kann vorkommen, dass eine Partei in einem Regierungsbezirk, der einem Wahlkreis entspricht, mehr Direktmandate gewinnt, als ihr von den Gesamtstimmen her zustehen. Lange war es so, dass die CSU alle Direktmandate holte (bei der Wahl 2018 gewannen auch die Grünen sechs) und so in den Wahlkreisen bereits auf die Hälfte der Sitze kam, auch wenn das Gesamtstimmenergebnis unter 50 Prozent lag. Weil aber die direkt gewählten Abgeordneten die unmittelbaren Volksvertreter vor Ort sind, bleibt dieser Mandats-Überhang bestehen. Im aktuellen Landtag etwa hat die CSU zehn Überhangmandate. Um das Gesamtergebnis trotzdem in der Sitzverteilung umzusetzen, erhalten die anderen Parteien dann zusätzliche Sitze für ihre Listenkandidaten. Kurz gesagt: Es wird aufgefüllt, bis alles wieder passt.

Mit Augenzwinkern weist FW-Politiker Mehring deshalb darauf hin, dass die Menschen in Bayern ja selbst dazu beitragen könnten, "das Parlament zu verkleinern: Je weniger Direktmandate die CSU gewinnt, desto weniger Ausgleichsmandate blähen den Plenarsaal auf". Nach Mehrings Rechnung ist der Landtag eher zu klein als zu groß. Gemessen an der Einwohnerzahl, die über die Jahrzehnte gestiegen ist, habe die Zahl der Abgeordneten pro Einwohner "sogar massiv abgenommen". Für Simone Strohmayr (SPD) hat Bayern auch im Vergleich mit anderen Länderparlamenten "besonders wenige Abgeordnete je Einwohner". Wie Mehring sagt Strohmayr, dass die Bevölkerung gewachsen sei, der Landtag nicht. "Bürgernahe Politik bedeutet, dass die Stimmkreise nicht unübersichtlich groß werden."

Bayerns Landtag wurde schon einmal verkleinert, ebenfalls per Volksentscheid. Seit 1998 ist festgeschrieben, dass dem Parlament 180 Abgeordnete angehören, nicht mehr 204. Die FDP strebt eine Sollgröße von 160 an. Wäre auch ihr Volksbegehren erfolgreich, stünde danach eine Änderung des Landeswahlgesetzes an. Um zu erreichen, dass weniger Abgeordnete gewählt werden, müsste die Zahl der Stimmkreise von derzeit 91 auf etwa 80 reduziert werden.

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