Ein Jahr nach der Annahme des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" im bayerischen Landtag fällt das Fazit von Initiatoren, Wissenschaftlern, Staatsregierung und Bauernverband höchst unterschiedlich aus. Während die Arten- und Umweltschützer Licht und Schatten bei der Umsetzung des Artenschutz-Gesetzespakets sehen, sieht sich die Staatsregierung auf Kurs und im Zeitplan. "Für die bisher gezeigten Leistungen bekommt die Staatsregierung von uns Lob und Tadel", sagte die Hauptinitiatorin des Volksbegehrens, Agnes Becker (ÖDP) am Donnerstag in München. Sie beklagte etwa, dass der Ausbau des Ökolandbaus nur langsam vorankomme und dass in staatlichen Kantinen weiterhin zu wenig Bio auf den Tisch komme.
Professor Roman Lenz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, der die Umsetzung des Volksbegehrens im Auftrag der Initiatoren überprüft, sagte, in einigen Bereichen tue sich etwas. "Aber es könnte sich noch ein bisschen mehr tun." Er beklagte, dass für valide Aussagen in vielen Bereichen noch Daten fehlten.
Artenschutz:Wie ein Bauer konventionelle und ökologische Landwirtschaft verbindet
Roland Koböck hat nach dem Volksbegehren fünf Hektar seines Ackers bedrohten Arten gewidmet. Der Bund Naturschutz hält das Projekt für geglückt. Doch der Bauer muss auf die Hälfte seines Ertrags verzichten.
Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) sagte dagegen, man habe die "Mammutaufgabe" entschlossen angepackt und einen Großteil der Maßnahmen umgesetzt oder sei konkret dabei. Auch Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) sprach bei der Eröffnung des neuen Artenschutzzentrums in Augsburg von ersten wichtigen Erfolgen. Am 17. Juli 2019 hatte der Landtag das Volksbegehren "Rettet die Bienen" angenommen und dazu ein großes Artenschutz-Gesetzespaket geschnürt, mit strengeren Regeln für Umwelt-, Natur- und Artenschutz. Unter anderem müssen Biotope besser vernetzt, Gewässerrandstreifen an Äckern und Straßen besser geschützt, der Einsatz von Pestiziden eingeschränkt und der ökologische Anbau deutlich ausgebaut werden.
Der Vorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz, Norbert Schäffer, sagte, es gebe bei der Umsetzung des Volksbegehrens viele Schwächen, aber es sei auch vieles erreicht worden. Als Beispiele nannte er Fortschritte beim Waldnaturschutz und mehr Blühflächen. Wildbienen hätten heute bessere Zukunftsaussichten als vor dem Volksbegehren.
Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann beklagte aber, die Staatsregierung handle eher aus politischem Kalkül und weniger aus innerer Überzeugung. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schlüpfe "in die Rolle des Kulissenschiebers". "Er schafft überall dort eine Traumkulisse, wo die Menschen und Medien gerade hinschauen." Aber nach der Vorstellung sei im Alltag doch wieder vieles wie vorher. Kaniber betonte, sie habe bei der Umsetzung des Volksbegehrens stets größten Wert darauf gelegt, dass die Bauern die strengen Vorgaben auch vernünftig in die Praxis umsetzen könnten. "Die kluge Umsetzung in Bayern hat es ermöglicht, unverständliche, bürokratische und unpraktikable Regelungen zu vermeiden und wirtschaftlichen Schaden für die Landwirtschaft absolut zu minimieren", sagte die Ministerin.
Bauernpräsident Walter Heidl beklagte dagegen unter anderem, der zugesagte finanzielle Ausgleich bei den Gewässerrandstreifen fehle nach wie vor. Und die Regelungen zum Walzverbot ab 15. März auf den Feldern und Wiesen seien kompliziert und ungeheuer bürokratisch - hier brauche es noch Korrekturen. Zudem sei noch nicht erkennbar, dass der Schutz der Artenvielfalt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. "Während wir Bäuerinnen und Bauern nun noch mehr für die Artenvielfalt tun, fehlen auch ein Jahr nach der Verabschiedung des Volksbegehrens weiter verbindliche Vorgaben und Regeln für andere Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft", kritisierte Heidl. Artenschutz gehe alle an. "Doch die bisherigen Ergänzungen sind viel zu vage und unverbindlich. Nötig sind konkrete Vereinbarungen."
Ein Jahr Volksbegehren Artenvielfalt:Rettung der Bienen in weiter Ferne
Experten und Landtagsabgeordnete ziehen beim Imkergespräch in Starnberg Bilanz - einig sind sie sich nicht.
Glauber sagte in Augsburg, im Bereich Artenschutz seien bereits 75 Millionen Euro zusätzlich investiert und landesweit 170 neue Stellen geschaffen worden. Dass aktuell nur 25 Mitarbeiter direkt beim neuen Artenschutzzentrum beschäftigt sind, begründete er damit, dass nicht nur wissenschaftliche Arbeit nötig sei, sondern auch bei den Naturschutzbehörden in den Regionen Stellen geschaffen würden. Als ein Ziel für die Zukunft nannte der Umweltminister die Schaffung von zusätzlichen Streuobstwiesen, um die Kulturlandschaft zu erhalten und den Bienen blühende Obstbäume zur Verfügung stellen zu können.
Das Volksbegehren hatte 2019 eine nie da gewesene Rekordbeteiligung erreicht und damit die schwarz-orange Staatsregierung unter Zugzwang gesetzt. Am Ende forderten 18,3 Prozent der Wahlberechtigten - fast 1,75 Millionen Menschen - mit ihren Unterschriften einen stärkeren Natur- und Artenschutz in Bayern. Um die Kritiker des Volksbegehrens, etwa unter den Landwirten, aber auch in den Reihen von CSU und Freien Wählern, zu beruhigen, hatte Söder zudem einen Runden Tisch initiiert, um alle Interessen in Einklang zu bringen.
Mit der Annahme des Volksbegehrens verhinderte die Regierung einen Volksentscheid, dieser hätte sonst auch das Artenschutzgesetz gegen den Willen der Regierung durchsetzen können. Zudem beschloss der Landtag auch ein sogenanntes Versöhnungsgesetz, das finanzielle Ausgleiche für die Bauern vorsieht, sowie einen umfangreichen Maßnahmenkatalog mit Regelungen etwa zur Kartierung von Biotopen.