Bayern: Vize-Regierungschef Zeil"Streit bringt keinem etwas"

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Das schwarz-gelbe Bündnis in Bayern steckt im Umfragetief fest. Wirtschaftsminister Zeil fordert, die Koalition müsse sich zusammenraufen - und droht zugleich der CSU mit Konsequenzen in der Umfrage-Affäre.

Mike Szymanski

Bayerns schwarz-gelber Regierung laufen die Anhänger davon. Wenn an diesem Sonntag Bundestagswahl wäre, würde die CSU unter die 40-Prozent-Marke rutschen und nur auf 38 Prozent kommen. Die FDP stürzt auf vier Prozent ab. Mike Szymanski sprach mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Martin Zeil (FDP) über den Dauerkrach in der Koalition, das Haushaltsdefizit und Geheimstudien der Staatskanzlei - Themen, die an diesem Freitag den Koalitionsausschuss beschäftigen.

"Das letzte Tafelsilber darf nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet werden", sagt Martin Zeil (FDP).
"Das letzte Tafelsilber darf nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet werden", sagt Martin Zeil (FDP). (Foto: ddp)

Süddeutsche Zeitung: Den jüngsten Umfragen zufolge würden in Bayern nur noch vier Prozent der Bürger FDP wählen. Hat CSU-Chef Horst Seehofer mit seinen Dauerattacken sein Ziel erreicht, die FDP kleinzukriegen?

Martin Zeil: Es wurden in Bayern die Wahlabsichten für den Bundestag abgefragt. Die Bundesregierung hat Vertrauen verloren. Um die Landespolitik ging es dabei nicht. Das Ergebnis ist trotzdem auch ein Warnsignal an die bayerischen Koalitionspartner.

SZ: Schwarz-Gelb in Bayern wollte Vorbild für den Bund sein. Jetzt steckt man aber genauso tief in der Krise. Es reicht nicht mehr für eine eigene Mehrheit.

Zeil: Wir haben im Freistaat hervorragende Arbeit geleistet und Bayern gut durch die Wirtschaftskrise geführt. Es liegt an beiden Koalitionspartnern, wenn Erfolge im Gezänk untergehen. Die aktuellen Umfragen zeigen uns: Streit bringt keinem etwas.

SZ: Wer ist denn der Brandstifter?

Zeil: Das muss die Öffentlichkeit bewerten. Ich weise nur darauf hin, dass sich die FDP in den vergangenen zwei Jahren immer als der stabile Faktor der Koalition erwiesen hat und auch weiterhin konsequent auf Sachpolitik setzt.

SZ: Wie kommt die Koalition aus dem Umfragetief denn wieder raus?

Zeil: Wir müssen professionell und verlässlich zusammenarbeiten.

SZ: Davon ist nichts zu spüren. Es geht gerade so weiter wie vor den Ferien: mit Streit - diesmal um den Haushalt. Will Schwarz-Gelb nicht dazulernen?

Zeil: Der ausgeglichene Haushalt ist eine schwierige Operation. Wir haben Vorschläge gemacht. Unser Ziel ist, mindestens eine Milliarde Euro einzusparen und trotzdem in die Zukunft zu investieren.

SZ: Die CSU bezeichnet die FDP als "skrupellose Schuldenmacher".

Zeil: Das ist ein völlig falsches Bild. Dieser Haushalt wird nicht zuletzt durch die Fehlentwicklungen bei der Landesbank unter der alten CSU-Regierung stark belastet. Die Bank musste mit zehn Milliarden Euro vom Land gestützt werden. Daher fehlen uns heute durch Zinsen und ausbleibende Gewinne fast eine Milliarde Euro. Ich wäre anstelle der CSU mit solchen Worten sehr vorsichtig.

SZ: Schulden ja oder nein? Was kommt denn nun auf die Bürger zu?

Zeil: Wir haben gesagt, wir streben den ausgeglichenen Haushalt an. Das letzte Tafelsilber darf aber nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet werden. Wir müssen unser Land national und international an der Spitze halten. Ob uns am Ende ein ausgeglichener Haushalt gelingt, werden wir nach der Steuerschätzung im November sehen. Klar ist aber, dass die Zukunft Bayerns nicht unter der Vergangenheit leiden darf.

SZ: Die CSU will plötzlich bis zu zwei Milliarden Euro sparen und ohne neue Schulden auskommen. Ist das realistisch?

Zeil: Ich halte das nicht für sehr realistisch. Wir haben nichts dagegen, wenn die CSU jetzt zu deutlicheren Einsparungen bereit ist. Aber diese Summe ist problematisch, wenn man gleichzeitig noch Wahlversprechen halten will.

SZ: Müssen CSU und FDP nicht Abstriche bei ihrem Regierungsprogramm machen?

Zeil: Wir müssen alles auf den Prüfstand stellen, auch die Ausgaben für den öffentlichen Dienst.

SZ: Müssen die Beamten auf das teure neue Dienstrecht und die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche verzichten?

Zeil: Es war die CSU, die auf diese Beschlüsse gedrungen hat. Es geht nicht um eine Rücknahme. Es geht darum, wann man sie umsetzt und welche sonstigen Einsparpotentiale es gibt. Darüber wird noch mal zu reden sein.

SZ: Die Staatskanzlei hat sich auf Steuerzahlerkosten Tipps geben lassen, wie man die FDP wieder los wird. Nennen Sie das eine vertrauensvolle Zusammenarbeit?

Zeil: Wir werden darüber im Koalitionsausschuss reden. Wir erwarten für die Zukunft Konsequenzen. Diesen Vorgang können wir nicht einfach so hinnehmen.

SZ: Außer ein paar dünnen Worten haben Sie von der CSU in der Umfrage-Affäre nicht viel bekommen. Kann die CSU mit der FDP eigentlich machen, was sie will?

Zeil: Das kann sie ganz sicher nicht, und das weiß unser Koalitionspartner auch.

SZ: Horst Seehofer denkt nicht einmal daran, sich zu entschuldigen.

Zeil: Ich bin überzeugt, dass der Ministerpräsident klug und angemessen reagieren wird.

SZ: Wird es künftig noch solche Studien geben können?

Zeil: Nein, sicher nicht. Es ist nicht Aufgabe einer Regierung, Wählerabsichten und Parteipräferenzen abzufragen.

© SZ vom 17.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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