Über die Vils und das sie flankierende Tal kursieren so viele kuriose Geschichten, dass ein Buch allein bei Weitem nicht ausreicht, um diese Fülle auch nur ansatzweise zu würdigen. Allein in den vergangenen Jahren sind fünf Bildbände über diesen kleinen Fluss erschienen, ganz zu schweigen von unzähligen Aufsätzen und diversen Internetseiten, die sich en gros und en détail mit dem Phänomen Vils beschäftigen. Wobei anzumerken ist, dass es mehrere Flüsse gibt, die den Namen Vils tragen. Einer fließt in Tirol in den Lech, einer in der Oberpfalz in die Naab, aber in diesem Fall geht es um die Vils in Niederbayern.
Alle Vilsflüsse enden letztlich in der Donau, sagt die Autorin Doris Seibold, die direkt an der niederbayerischen Vils aufwuchs und von ihr so begeistert ist, dass sie jetzt einen Band über den gut 110 Kilometer langen Fluss veröffentlicht hat. Schon in den 1970er-Jahren machten Georg Schwarz und Hermann Krimmer in kleinen literarischen und kunsthistorischen Bänden auf das bis dahin unbekannte Vilstal aufmerksam. Dieter Vogel und Stefan Schütze haben dann in ihren Vilstal-Büchern mithilfe von vielen Autoren auch die Industrie und die Menschen in den Fokus gerückt. Doris Seibold wiederum zeigt die Vils aus ihrer ganz persönlichen Warte, wobei sich die Frage aufdrängt, ob 250 oft klein gedruckte Fotos auf 130 Seiten nicht doch des Guten zu viel sind.

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Seibold schreibt, die Vils sei ihr Herzensfluss, gar ein Teil von ihr, auch wenn sie als Kind beinahe darin ertrunken wäre. Nun ist sie dem Gewässer von den Quellen bis zur Mündung zu Fuß gefolgt. Sie sagt: „Ich wollte ihm so nahe kommen, wie es nur irgendwie geht.“
Die Quelle zu finden war gar nicht einfach, denn die Vils hat zwei Quellflüsse, Große und Kleine Vils genannt, die im Landkreis Erding entspringen und sich im östlichen Zipfel des Landkreises Landshut vereinigen. Allein die knapp 40 Kilometer lange Kleine Vils ist so reich an Kulturschätzen, dass sie ganz allein ein Buch füllen könnten. Unter anderem ist dort das Schloss von Kapfing zu finden, Sitz der Grafen von Spreti, die Bayern in den vergangenen 250 Jahren stark geprägt haben. Bis hin zu jenem Karl Graf von Spreti, der im April 1970 als Botschafter in Guatemala von Guerillas entführt und getötet wurde.
Der Markt Geisenhausen wiederum hat sich zu einem starken Wirtschaftsstandort entwickelt, an dem unter anderem die Schnupftabakfirma Pöschl ansässig ist. Seibold erwähnt auch den Schriftsteller Günther Eich, der hier von 1945 bis 1954 ein Zimmer gemietet hatte, in dem er seine Texte und Hörspiele verfasste. Seibolds Texte leben von der unmittelbaren Erfahrung der Wanderin und sind gut recherchiert. Wenngleich ihr lockerer Plauderstil nicht ganz die erzählerischen Höhen erreicht, wie sie Renate Just im dritten Band ihrer Reihe„ Krumme Touren“ gelungen sind, der sich ebenfalls dem Vilstal widmet.


Zur Frage, wo der Name Vils herstammt, verweist Seibold auf die im 8. Jahrhundert urkundlich erwähnte Bezeichnung Fuis, die zumindest im Oberen Vilstal heute noch üblich ist und auf einen Sumpfwald hindeutet, wie ihn auch Seibold am Flussrand immer wieder durchschritten hat.
Entlang der Vils reihen sich zuhauf Dörfer, Märkte und Städte, die vor Sehenswürdigkeiten fast überquellen. Von Velden mit dem Georg-Brenninger-Freilichtmuseum geht es rasch hinunter nach Vilsbiburg und Gerzen mit dem mächtigen Renaissanceschloss, das einst der einflussreiche Minister Graf Montgelas erworben hatte. Wie auch das Schloss in Aham, in dessen Gruft Montgelas seit 1838 ruht.
Bis nach Vilshofen funkelt an beiden Seiten der Vils eine Attraktion nach der anderen. Sei es in Frontenhausen, wo nicht nur die Eberhofer-Krimis gedreht werden. Die Gegend ist überdies ein Hotspot alter Volksfrömmigkeit, etwa im nahen Altenkirchen, wo Menschen der Märtyrerin Corona kranke Körperteile wie Köpfe, Arme und Beine in Form von Tonvotiven opferten. Kurz vor der Mündung erlebt der Wanderer ein Crescendo an Schlössern (Adldorf), Barockkirchen (Aldersbach) und Urwaldstrecken, in deren Beschreibung Seibold passende Sagen, Gedichte und historische Zitate einflicht.
Beigefügt sind auch QR-Codes, mit deren Hilfe man interaktiv dem Weg der Autorin folgen kann. Seibold hat ihrem Buch ein Goethe-Wort vorausgeschickt, das ihre Liebe zum Vilsfluss wohl hervorragend trifft: „Seele des Menschen, wie gleichst du dem Wasser.“
Doris Seibold: Vom Zauber der Vils. Meine Herzenswege von der Quelle bis zur Mündung. Aurisium Verlag, 130 Seiten.