Schienenverkehr:Waldbahn-Verein kritisiert falsche Zahlen
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Der Freistaat will die Strecke nach Viechtach wegen zu geringer Nutzung stilllegen. Unterstützer sehen eine andere Datenbasis und äußern gegenüber den Entscheidern Vorwürfe.
Von Johann Osel, Viechtach/München
Nach dem angekündigten Aus für die Bahnstrecke zwischen Gotteszell und Viechtach herrscht in der Region weiterhin Unverständnis und Ärger. Jetzt hat sich der Förderverein "Go-Vit" mit Sitz in Viechtach, der sich als Lobbygruppe für die Waldbahnstrecke und nachhaltige Mobilität in dem niederbayerischen Landkreis Regen einsetzt, mit einem Brief ans bayerische Verkehrsministerium gewandt. Dessen jüngste Mitteilung über die zu geringe Nutzung der Waldbahn enthalte "falsche Behauptungen", zudem würden in keiner Weise "die enormen Anstrengungen der Region zur Kenntnis genommen". Ebenfalls rügt der Brief, der vom Vorsitzenden Wolfgang Schlüter unterzeichnet ist und in Kopie Ministerpräsident Markus Söder zuging, "dass kein politisch Verantwortlicher der Region in den Entscheidungsprozess einbezogen wurde".
Tatsächlich war es nur eine Pressemitteilung, die zu Wochenbeginn eine Wende in der Causa Waldbahn brachte; zahlreiche lokale Politiker und der Bahnbetreiber hatten daraufhin diese Vorgehensweise getadelt. Wie das Ministerium mitteilte, wolle man den derzeit laufenden Probebetrieb nicht verlängern und den Schienenverkehr zum September 2021 einstellen. 1991 war der reguläre Personenverkehr eingestellt worden, 2016 gab es zunächst einen zweijährigen Probebetrieb sowie jetzt einen bis 2021. Der Zug fährt durch die Gegend, die oft als "Bayerisch Kanada" bezeichnet wird. Im Probebetrieb gelten dieselben Kriterien wie andernorts, auf der Strecke müsse eine Nachfrage von mehr als 1000 Fahrgästen pro Werktag zu erwarten sein. Von Gotteszell nach Viechtach sei aber die Zahl jedes Jahr bei weniger als 500 gelegen. Die dauerhafte Reaktivierung helfe "weder dem Klima noch dem Steuerzahler", so Ministerin Kerstin Schreyer (CSU). Landrätin Rita Röhrl (SPD) hinterfragt das starre 1000er-Kriterium, dieses passe nicht zu den Bedingungen auf dem Land.
Wie Go-Vit-Chef Schlüter ausführt, hätten vom Verein veranlasste Zählungen ergeben, "dass die Strecke gut angenommen wird". So sei von 150 bis 300 zusätzlichen Passagieren auszugehen, in Spitzen seien die 1000 klar überschritten worden. "Corona-bedingt ist die Fahrgastzahl derzeit, wie wohl überall, eingebrochen." Das Potenzial für 1000 Passagiere und mehr sei vorhanden, auch laut einer Studie. Um es zu erschließen, müssten jedoch Maßnahmen getroffen und der sonstige Nahverkehr besser vernetzt werden. Auch sei das Angebot auszubauen; es sei derzeit auf Schüler, Rentner und Touristen abgestellt, weniger für Jobpendler und Alltagsnutzer. Derlei Maßnahmen bräuchten mehr Zeit. Eine ausschließliche Nutzung von Linien- und Rufbussen, wie sie das Ministerium empfahl, komme nicht in Frage - fahre die Bahn nicht, werde auch den Bus nur ein Bruchteil der Gäste wählen. "Das sind die sozial Schwächsten, die keine Alternative haben. Viele werden dann wieder mit dem Auto fahren oder gar nicht mehr mobil sein. Feriengäste, die derzeit die Attraktion des Regentals genießen, bleiben aus."
Kritik kommt mittlerweile auch aus der CSU. Der Kreisvorsitzende der Partei, Stefan Ebner, sagte dem Bayerwald-Boten: "Hier wird an einem weit entfernten, einsamen Münchner Behördenschreibtisch ein Herzensprojekt der Region mit einem Federstrich begraben." Derweil startete ein Regensburger Geograf eine Online-Petition: "Rettet die Waldbahn in Bayerisch Kanada". 2018 gab es schon eine Petition, sie wurde der damaligen Verkehrsministerin Ilse Aigner übergeben.