Süddeutsche Zeitung

Veterinäramt:"Unsere Situation ist einfach aussichtslos"

Bereits 2006 beklagt der damalige Chef des Veterinäramts den eklatanten Mangel an Tierärzten. Bis heute gibt es zu wenig Personal. Die SPD spricht von Staatsversagen - und sieht die Regierung von Skandal zu Skandal taumeln.

Von Christian Sebald

Die juristische Aufarbeitung des Tierschutz-Skandals auf Bayerns größtem Milchviehhof im schwäbischen Bad Grönenbach wird sich noch Monate hinziehen. Aber schon jetzt steht fest: Das Veterinäramt am Landratsamt Unterallgäu war all die Jahre chronisch unterbesetzt, so dass die Behörde allein aus schierer Personalnot völlig überfordert war. Noch schlimmer ist: Die Personalnot ist der Staatsregierung seit Jahren bekannt. Die hat jedoch nichts dagegen unternommen.

"Erst jetzt - nach Aufdeckung der Tierquälereien in Bad Grönenbach - hat man uns eine weitere Planstelle für einen Amtstierarzt in Aussicht gestellt", sagt Landrat Hans-Joachim Weirather (Freie Wähler). "Selbst wenn sie geschaffen ist, muss erst die Fachkraft für sie gefunden werden." Das könnte schwierig werden. Laut Weirather ist der Arbeitsmarkt für Amtsveterinäre so gut wie leer gefegt.

Das Veterinäramt im Landkreis Unterallgäu hat fünf Planstellen für Amtstierärzte. Nach Weirathers Worten sind aber nur drei besetzt. Dazu kommt eine Nachwuchskraft, die gerade eingearbeitet wird. "Um alle Aufgaben zu erfüllen, bräuchten wir acht Veterinär-Stellen", sagt der Landrat. Auch das ist der Staatsregierung bekannt. Bereits 2006 schickte der damalige Chef des Veterinäramts einen Hilferuf an einen leitenden Beamten im Umweltministerium, das für das Veterinärwesen zuständig ist . "Für die uns zugedachten Aufgaben bräuchten wir ganz grob geschätzt eine Verdreifachung des Fachpersonals", heißt es in der E-Mail. "Unsere Situation ist einfach aussichtslos."

Geändert an der Personalnot hat sich seither nichts - obwohl Weirather seit 2006 mindestens 23 Mal interveniert hat. Zuletzt im Mai 2019, kurz bevor die Soko Tierschutz die Tierquälereien in Bad Grönenbach öffentlich gemacht hat.

Die desolate Personalsituation am Unterallgäuer Veterinäramt ist kein Einzelfall. "Überall in Bayern klagen die Kollegen, dass sie viel zu wenige Amtstierärzte haben", sagt der Deggendorfer Landrat und Chef des Landkreistags, Christian Bernreiter (CSU). Daran werden auch die 20 zusätzlichen Veterinär-Planstellen wenig ändern, die Umweltminister Thorsten Glauber (FW) jetzt an den Kreisbehörden einrichten will. Denn in Bayern gibt es 71 Landkreise. Nicht einmal jede dritte Kreisbehörde kann also mit einer Verstärkung ihres Veterinäramts rechnen.

Die SPD spricht von Staatsversagen. "Das darf es nicht geben", empört sich der Landtagsabgeordnete Florian von Brunn, "da macht ein Landratsamt permanent darauf aufmerksam, dass es aus Personalnot seine Aufgaben nicht erfüllen kann und was tut die Staatsregierung: Sie ignoriert es über Jahre hinweg." Staatsregierung und CSU hätten offenkundig kein Interesse an effektiven Lebensmittel- und Tierschutzkontrollen, sagt Brunn, "für sie haben offenkundig die Interessen der Agrar- und der Lebensmittelindustrie Vorrang vor dem Schutz der Verbraucher und der Nutztiere". Anders kann sich der Politiker nicht erklären, "dass die Staatsregierung sehenden Auges von Skandal zu Skandal taumelt".

Der Bayerische Oberste Rechnungshof habe schon vor Jahren eine Analyse des Personalbedarfs in der Lebensmittelüberwachung und im Veterinärwesen gefordert, sagt Brunn. Selbst diese liege immer noch nicht vor.

Derweil steht ein weiterer großer Rinderhalter aus dem Unterallgäu im Verdacht, gegen den Tierschutz zu verstoßen. Nach einem anonymen Hinweis kontrollierten vor wenigen Tagen Amtsveterinäre und die Spezialisten des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit den Betrieb. "Dabei sind Mängel festgestellt worden", sagt Landrat Weirather. "Sie sind aber auf keinen Fall vergleichbar mit den Missständen, die von der Soko Tierschutz in Bad Grönenbach dokumentiert worden sind." Gleichwohl hat die Staatsanwaltschaft Memmingen Medienberichten zufolge Vorermittlungen aufgenommen.

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SZ vom 05.08.2019/bica
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