Süddeutsche Zeitung

Verkehr in Bayern:"Unfälle, so gut wie möglich, zu vermeiden"

Ein aktualisiertes Konzept soll mehr Verkehrssicherheit bringen und die Zahlen bei Unfällen sowie Toten auf Bayerns Straßen senken.

Von Maximilian Gerl

Am Himmel spielt sich an diesem Vormittag ab, was bei vielen Verkehrsteilnehmern unbeliebt sein dürfte: eine wechselnde Mischung aus Wind, Schnee und Regen. Schlechtes Wetter also, um draußen unterwegs zu sein - und passendes, um genau darauf aufmerksam zu machen. Denn mehr Sicherheit auf Bayerns Straßen soll ein neues Konzept bringen, dessen Eckpunkte Verkehrsministerin Kerstin Schreyer und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) am Montag in München vorstellen. Ziel sei, bis 2030 die Unfallzahlen "so weit wie möglich nach unten" zu korrigieren, wie es Herrmann formuliert. Das soll unter anderem mit Aufklärungskampagnen, Polizeikontrollen und dem Umbau von Gefahrenstellen gelingen. Vor allem schwächere Verkehrsteilnehmer sollen so künftig besser geschützt werden.

Manches, das Herrmann und Schreyer hierfür vorschlagen, klingt bekannt. Beziehungsweise: bewährt. Das Konzept "Bayern mobil - sicher ans Ziel" erfindet das Rad nicht neu, um im Bild zu bleiben, dazu ähnelt es zu sehr dem alten, inzwischen ausgelaufenen Programm. Als Ziel war damals ausgegeben worden, bis 2020 die Zahl der Unfalltoten auf 550 zu begrenzen. Das ist gelungen. 2019 wurden bayernweit 541 tödlich Verunglückte gezählt und im Vorjahr 484 - wobei das reduzierte Verkehrsaufkommen in der Corona-Krise geholfen haben dürfte. Unabhängig davon sind solche Zahlen natürlich immer noch zu hoch, stehen hinter jedem Eintrag in der Statistik viele dramatische Einzelschicksale. Wenigstens zeigt der Trend seit Jahren nach unten. So wurden 2011 noch 780 Unfalltote auf Bayerns Straßen registriert.

Den Abwärtstrend wollen Schreyer und Herrmann fortschreiben. Ihr Konzept bündelt mehrere Maßnahmen. Ein Fokus liegt auf dem punktuellen Aus- und Umbau von Straßen und Wegen. Nach derzeitigem Stand plant Schreyer bis 2030 mit Ausgaben in Höhe von rund 500 Millionen Euro. Von dem Geld sollen unter anderem Mittelinseln entstehen, um das Überqueren stark befahrener Straßen jenen zu erleichtern, die nicht so schnell von einer Seite zur anderen huschen können: Senioren mit Rollator zum Beispiel, Menschen mit Behinderung und Kinder. Auch sollen häufiger Radwege vom Autoverkehr abgetrennt werden - eine Forderung, die vor allem Grünen-Vertreter seit Langem erheben. Mancherorts sollen zudem Leitplanken mit sogenanntem Unterfahrschutz nachgerüstet werden. Diese Bleche reduzieren bei einem Aufprall das Risiko tödlicher Verletzungen für Motorradfahrer.

Herrmann wiederum setzt auf eine bekannte Mischung aus Eigenverantwortung und Kontrolle. Für Ersteres sollen Kampagnen sensibilisieren. So soll die Aktion "Pro Rettungsgasse" fortgeführt, der Verkehrsunterricht an Schulen ausgebaut werden. Eltern bittet Herrmann darum, ihre Kinder soweit möglich alleine den Schulweg bestreiten zu lassen: Würden sie täglich zur Schule gebracht und abgeholt, könnten Kinder kein richtiges Risikoverhalten für den Straßenverkehr entwickeln. Für Zweiteres, die Kontrollen, ist die Polizei zuständig. Überhöhte Geschwindigkeit gilt als Todesursache Nummer eins im Straßenverkehr, weshalb die Beamten an Unfallbrennpunkten häufiger die Radarpistole zücken könnten. Die Zahl der Radl-Streifen soll erhöht werden, da manche Verkehrsteilnehmer die Ampelfarbe Rot auf dem Drahtesel so flexibel auslegen, wie sie sich das im Auto nie erlauben würden. Auch dem offenbar zunehmenden Pedelec-Tuning will man so begegnen.

Ob und wie gut das alles klappt? Das werden letztlich erst die nächsten Unfallstatistiken zeigen. Anders als beim vorhergehenden Verkehrssicherheitskonzept wurde allerdings diesmal kein Wert vorgegeben, den es idealiter zu erreichen gilt. Als Vorbild dient das aus Schweden stammende Konzept "Vision Zero". Ein womöglich irreführender Name, da sich die Zahl der Verkehrsunfälle trotz aller Mühen wohl niemals auf null senken lassen wird. Es gehe schlicht darum, "Unfälle, so gut wie möglich, zu vermeiden", präzisiert Schreyer. Das könne nur gemeinsam gelingen, weshalb Herrmann auch von einer "Daueraufgabe" spricht: "für uns alle".

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SZ vom 13.04.2021/syn
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