Süddeutsche Zeitung

Streit über Fahrverbote:Österreich verlangt auf fünf Abschnitten keine Maut mehr

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Von Matthias Köpf, Kiefersfelden

Mit dem Beginn des Winters sind Oberaudorf und Kiefersfelden zuletzt regelmäßig im Verkehrschaos versunken, und dazu musste es im bayerischen Inntal noch nicht einmal schneien. Für das Verkehrschaos hat schon der Kunstschnee in den nahen Tiroler Skigebieten gereicht. Sobald es die Menschen wieder massenweise dorthin zog, überlegten sich die Einheimischen in den Grenzorten zweimal, ob sie selbst noch auf die Straße gingen - auf die Kufsteiner Straße zumal, die oft kaum noch zu überqueren war. Doch das soll jetzt anders werden. Am Mittwoch hat der österreichische Nationalrat beschlossen, auf fünf kurzen Autobahnabschnitten künftig keine Maut mehr zu verlangen. So können all jene Wintersportler, die sich zum teuren Skipass nicht noch eine Mautvignette leisten wollen, die sechs Kilometer bis Kufstein Süd kostenlos auf der Autobahn bleiben, um dann in die Skigebiete abzubiegen. Mitten durch Kiefersfelden und Kufstein müssen sie dann nicht mehr.

"Der Mautausweichverkehr war das alles dominierende Thema bei uns im Winterhalbjahr", sagt Kiefersfeldens Bürgermeister Hajo Gruber. Weil der österreichische Bundesrat die zum 15. Dezember geplante Neuregelung noch hinauszögern kann, traut sich Gruber fast noch nicht, in der Vergangenheitsform zu sprechen. Allzu weit in die Vergangenheit reichen die Probleme ohnehin nicht: Eine solche Ausnahmeregelung bis Kufstein galt bis Ende 2013, erst dann baten die Österreicher auch dort konsequent zur Kasse - mit den entsprechenden Folgen für die Oberaudorfer, Kiefersfeldener und Kufsteiner, für den örtlichen Einzelhandel, für die Gastronomie und die ganze lokale Wirtschaft. Für sie alle werde die Neuregelung "eine wirkliche Befreiung" werden, erwartet Gruber, eine Befreiung "zurück zur Normalität".

In diese Richtung führt die Neuregelung auch für Lindau am Bodensee. Dort hatten die Österreicher 2013 die vergleichsweise billige und nur für eine Fahrt gültige "Korridorvignette" für den Pfändertunnel nach Bregenz und weiter bis Hohenems abgeschafft. Seither fuhr jeder, der nicht die derzeit 9,20 Euro für die österreichische Zehn-Tages-Vignette zahlen wollte, in Lindau ab und kämpfte sich durch den Stadtteil Zech über die Grenze und dann am See entlang durchs beengte Bregenz. Jetzt soll die Autobahn von der Staatsgrenze über 24 Kilometer bis Hohenems komplett mautfrei werden - eine Erleichterung für Autofahrer aus Schwaben und dem Allgäu in Richtung Schweiz und Italien.

Aus Lindauer Sicht können vor allem die Menschen in Zech aufatmen, aber auch die vielen Lindauer und Bregenzer, die etwa als Pendler zwischen beiden Ländern unterwegs sind. Man sei deswegen "total froh" über die Neuregelung, sagt Lindaus Stadtsprecher Jürgen Widmer, der genau wie Kiefersfeldens Bürgermeister die nun beschlossene Neuregelung auch auf das stete Drängen aus den jeweiligen Kommunen zurückführt: "Steter Tropfen höhlt den Stein."

Auf Granit beißen dagegen vorerst noch die Menschen im Berchtesgadener Land. Denn die meist schnellste Straßenverbindung etwa von München nach Berchtesgaden führt nicht durch das verkehrsgeplagte Bad Reichenhall oder via Inzell, sondern auf der A 8 über den Walserberg und auf der Tauernautobahn weiter bis Salzburg Süd. Dieser kurze Abschnitt soll jedoch zunächst nicht mautfrei werden. Stattdessen wird die neue Ausnahme in Salzburg nur für die rund 13 Kilometer auf der Westautobahn vom Walserberg bis Salzburg Nord gelten. Vorrangiges Ziel sei es, Autofahrer aus Deutschland mautfrei zu den großen Parkplätzen am Salzburger Messegelände fahren zu lassen und ihnen von dort günstige Busverbindungen in die Innenstadt anzubieten, heißt es von der Salzburger Landesregierung. Man arbeite aber weiter darauf hin, auch die Tauernautobahn einzubeziehen. Die beiden weiteren bereits beschlossenen Mautausnahmen zielen rein auf den Stadtverkehr im oberösterreichischen Linz.

Die Grenzregion Richtung Salzburg und das Inntal waren zuletzt Schauplätze dauernder verkehrspolitischer Scharmützel zwischen beiden Ländern, weshalb viele Politiker in Bayern wie im Bund die österreichischen Mautbeschlüsse als Signal der Entspannung deuten. Gleichwohl hält vor allem die Tiroler Landesregierung an vielerlei Fahrverboten sowie an ihrer Lkw-Blockabfertigung im Inntal fest. An diesem Donnerstag soll es ebenso wie schon am Dienstag eine angekündigte Blockabfertigung geben, am Mittwoch haben die Tiroler die Lastwagen aus Bayern außerplanmäßig wegen des Winterwetters ausgebremst. Ohnehin sind weder in Kiefersfelden noch im Raum Salzburg alle bilateralen Verkehrsprobleme gelöst: Richtung Bayern kämpfen sich immer noch all diejenigen durch die Ortschaften, die den Rückstau wegen der deutschen Grenzkontrollen umgehen wollen.

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SZ vom 14.11.2019
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