Bildung in Bayern:Ministerium zieht positive Bilanz der Verfassungsviertelstunde

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Alle Lehrkräfte hätten den Auftrag, den Charakter der Kinder und Jugendlichen zu bilden – auf Basis der zentralen Werte der Menschenwürde und der Demokratie, sagt Bildungsforscher Klaus Zierer. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Nun ist das erste Halbjahr vorbei, in dem die bayerischen Schülerinnen und Schüler einmal pro Woche eine „Verfassungsviertelstunde“ hatten. Das Ministerium ist zufrieden – doch es gibt auch Kritik.

Zum Ende des ersten Schulhalbjahres mit einer obligatorischen „Verfassungsviertelstunde“ pro Woche hat das Kultusministerium zufrieden Bilanz gezogen. „Die Rückmeldungen zur Verfassungsviertelstunde sind sehr positiv“, hieß es auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Bildungsforscher Klaus Zierer von der Universität Augsburg hingegen zog ein gemischtes Fazit.

„Da geht wie immer die Qualität in der Breite brutal auseinander“, schilderte der Experte für Schulpädagogik. Und: „So schön und pfiffig die 15 Minuten sind, ausreichend für das große Ziel der Demokratiebildung sind sie definitiv nicht.“

Mit Beginn des Schuljahres war die Verfassungsviertelstunde im Freistaat als neues Element der politischen Bildung eingeführt worden. Einmal pro Woche sollen sich die Schülerinnen und Schüler gezielt mit den zentralen Werten des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung sowie der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Kernbestandteil unseres politischen Systems auseinandersetzen.

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Eingeführt wurde sie zunächst nur in der zweiten, vierten, sechsten und achten Jahrgangsstufe, im Gymnasium und an Fachoberschulen auch in der Jahrgangsstufe elf. Eine Ausweitung ist geplant. In der Gestaltung sind die Lehrkräfte sehr frei.

„Es geht darum aufzuzeigen, wo die Verfassung bei jedem von uns tagtäglich eine wichtige Rolle spielt“, erläuterte Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler). „Die unschätzbaren Werte der Menschenwürde, der Rechtsstaatlichkeit und der Toleranz werden dabei tagtäglich eindrucksvoll an unseren Schulen vermittelt.“ Auch würden demokratische Grundhaltungen wie Toleranz, Gemeinsinn sowie die Fähigkeit zum Perspektivwechsel gefördert.

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Ob dieses Ziel erreicht wird, hängt laut Zierer aber „immer von den Personen ab – wie engagiert sind die, wie gut vorbereitet sind die?“ Und wenn das Ziel wirklich Demokratiebildung laute, dann sei wesentlich mehr als eine Viertelstunde pro Woche nötig – die ganze Schulstruktur müsse von Demokratie als Lebensform bestimmt sein. Beispiele dafür seien Schulversammlungen oder Dilemma-Diskussionen, in denen ein kontroverses Thema von allen Seiten beleuchtet werde.

Das von Lehrkräften zum Teil als problematisch empfundene „Neutralitätsgebot“ der Pädagogen sieht Zierer dabei nicht als Hindernis für eine klare Kante gegen extremistische oder rassistische Positionen in der Schülerschaft. „Im Grunde müsste jeder Lehrer sich das von Anfang an auf die Fahne geschrieben haben.“ Zwar seien sie in erster Linie als Wissensvermittler ausgebildet. Doch hätten alle Lehrkräfte den Auftrag, den Charakter der Kinder und Jugendlichen zu bilden – auf Basis der zentralen Werte der Menschenwürde und der Demokratie.

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