Alt werden in BayernDemenz – ein neuer Blick auf die Krankheit

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Die Fotoausstellung „Demenz neu sehen“ der Desideria-Stiftung (hier während einer Ausstellung in Kelheim) wird in Garmisch, Rosenheim, Kolbermoor sowie in Lohr am Main zu sehen sein.
Die Fotoausstellung „Demenz neu sehen“ der Desideria-Stiftung (hier während einer Ausstellung in Kelheim) wird in Garmisch, Rosenheim, Kolbermoor sowie in Lohr am Main zu sehen sein. (Foto: Desideria)

270 000 Menschen in Bayern leiden an Demenz. In den kommenden Tagen gibt es in ganz Bayern etwa 1700 Veranstaltungen, die über die Krankheit informieren, Vorurteile abbauen und den Kranken und ihren Familien Hilfe anbieten.

Von Nina von Hardenberg

Wer gerne Kaffee aus alten Porzellantassen trinkt, kann kommende Woche Dienstag in Harburg im Landkreis Donau-Ries vorbeischauen. Die Diakonie Harburg lädt aus Anlass der Bayerischen Demenzwoche zu einem Klang-Café mit selbst gebackenem Kuchen und Kaffee, der extra für das ältere Publikum mit altmodischem Geschirr serviert wird. Dazu lesen die Mitarbeiter kleine Geschichten und Gedichte vor und schlagen die Klangschale an.

„Klangschalen wirken unwahrscheinlich beruhigend auf alle Menschen, vor allem auf Menschen mit Demenzerkrankungen“, erklärt Klang-Demenzexpertin Anja Lidzba-Loske. „Auch die Angehörigen stehen unter Stress und Strom. Da haben wir uns etwas einfallen lassen, um die Menschen für zwei Stunden in eine gute Entspannung zu bringen.“

Zwei Stunden Auszeit von einer Krankheit, die den Betroffenen aber auch ihren Angehörigen viel abverlangt, bieten sie in Harburg. Es ist eine von unzähligen Aktionen rund um das Thema Demenz, die von diesem Freitag an überall in Bayern stattfinden. Seniorenbeiräte, Stiftungen und Pflegeheime, wer immer etwas mit Demenz zu tun hat, organisiert in diesen Tagen Vorträge, Ausstellungen oder einfach ein geselliges Beisammensein.

Vor sechs Jahren ins Leben gerufen habe sich die Demenzwoche zu einer der größten Community-Veranstaltungen in Bayern entwickelt, sagte Bayerns Gesundheits- und Pflegeministerin Judith Gerlach (CSU) der SZ. Gab es vergangenes Jahr noch etwa 1400 Angebote, so sind es dieses Jahr schon etwa 1700. Die Vielfalt der Veranstaltungen reiche von Vorträgen über Mal-Workshops und Demenzscreening-Aktionen bis hin zu einem Letzte-Hilfe-Kurs. Jeder, der ein Event plant, kann dies auf der Webseite des Gesundheitsministeriums eintragen. Dort findet sich auch ein Überblick über sämtliche Veranstaltungen.

Mehr als 270 000 Demenzkranke leben in Bayern – bis ins Jahr 2030 könnte ihre Zahl auf 300 000, bis 2040 gar auf 380 000 steigen. Die Krankheit aber betrifft nicht nur die Kranken selbst, sondern auch ihre Angehörigen. Die Demenzwoche soll deshalb Vorurteile abbauen und Betroffenen und ihren Familien Hilfsangebote aufzeigen, so Gerlach: „Es muss selbstverständlich sein, dass Menschen mit Demenz in die Mitte der Gesellschaft gehören!“

Es gibt also Mitmachangebote wie den Demenzparcours, der laut Veranstaltungskalender unter anderem in Gunzenhausen, Kempten und Amberg aufgebaut wird. Besucher dürfen da einen Tag lang das Leben einer Demenzkranken nachfühlen und sich in 13 alltäglichen Situationen verwirren und an ihre Grenzen bringen lassen. Wer sich dabei frustriert fühlt, hat danach womöglich mehr Nachsicht mit demenzkranken Menschen, so die Idee.

In Garmisch wird derweil mit großen Fotos auf das Thema Demenz aufmerksam gemacht. Die Fotoausstellung „Demenz neu sehen“ zeigt die Bilder aus einem von der Desideria-Stiftung ausgeschriebenen Wettbewerb, der Fotos auszeichnet, die einen neuen Blick auf die Krankheit werfen und Tabus aufbrechen. Neben Garmisch wird die Ausstellung auch in Rosenheim, Kolbermoor sowie in Lohr am Main zu sehen sein.

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Häufig sind die Fotos an zentralen Plätzen aufgestellt. Die Ausstellung bewirkt damit, was die Demenzwoche insgesamt erreichen soll: das Thema Demenz in die Öffentlichkeit zu bringen, es zu enttabuisieren und den Betroffenen die Angst zu nehmen. Die Desideria-Stiftung bietet zur Demenzwoche noch ein weiteres Angebot: Sie hilft Betroffenen in einer Online-Sprechstunde dabei, ihre Arztbriefe zu verstehen.

Werde ich jetzt auch schon dement? Die Frage plagt wohl jeden älteren Menschen mal, wenn ein Name nicht mehr schnell über die Lippen kommt. Mit der Demenzwoche werde das Thema für viele Menschen noch präsenter, so Ministerin Gerlach. Die Diagnostik-Nachfrage sei nach der Woche besonders hoch. Wer sein eigenes Gedächtnis testen will, kann einen der kostenlosen Screeningtage des Digitalen Demenzregisters (Digidem) Bayern nutzen, die diese Woche im niederbayerischen Dingolfing, in Gmund am Tegernsee und in Cham in der Oberpfalz stattfinden sowie in den kommenden Wochen in zahlreichen weiteren Orten.

Die Tests richten sich an Menschen über 65 Jahre, die bei sich selbst oder einer ihnen nahestehenden Person eine erste Verschlechterung des Gedächtnisses wahrgenommen haben. Dabei gilt: Nicht jeder Gedächtnisaussetzer liegt gleich an einer Demenz. Aber es gibt Experten zufolge Warnzeichen, die man ernst nehmen sollte, etwa wenn man sich in bekannten Räumen nicht mehr zurechtfindet. Wer eine allererste Abklärung will, kann auch den vom Digidem angebotenen anonymen Online-Test nutzen.

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