SZ-Serie: Urlaub daheim:Wandern in der Wildnis

SZ-Serie: Urlaub daheim: Auf markanten Felsen sind immer wieder weiß-blaue Rauten als Markierung zu finden.

Auf markanten Felsen sind immer wieder weiß-blaue Rauten als Markierung zu finden.

(Foto: Christian Sebald)

Rund um den Großen Osser, den Einheimische den schönsten Berg im Bayerwald nennen, gibt es viele einsame Touren - immer nah der Grenze zu Tschechien.

Von Christian Sebald

Der Große Osser im hinteren Bayerischen Wald ist nur 1293 Meter hoch. "Aber er hat alles, was ein Berg braucht", sagt Maria Müller, 65, Wanderführerin des Bayerischen Waldvereins im Talort Lohberg. Der Gipfel ragt felsig aus dem knorrigen Fichtenwald. Der Pfad hinauf ist an einer Stelle sogar mit einem Stahlseil gesichert, die letzten Meter muss man ein wenig kraxeln. Dafür hat man vom Gipfelkreuz einen weiten Blick hinüber zu anderen bekannten Bayerwaldgipfeln, zum Großen Arber etwa oder zum Hohen Bogen. Außerdem sieht man tief nach Tschechien hinein. Für Müller und viele Einheimische ist der Große Osser deshalb "der schönste Berg im Bayerwald".

Gleich unter dem Gipfel liegt das Osser-Schutzhaus mit seiner urigen Terrasse. Die Wirtsleute Claudia und Georg Hatzinger bieten allerlei deftige Brotzeiten an. Aber auch feinen Schokokuchen. Auf den Großen Osser führen so viele Wege und Pfade, dass sich schier unzählige Wanderungen ergeben. Kein Wunder, dass der Berg und sein Bruder, der Kleine Osser (1266 Meter), zu den beliebtesten Bayerwald-Gipfeln zählen. Selbst bei Schnürlregen ziehen so viele Wanderer hinauf, dass es mittags eng werden kann im Schutzhaus.

Aber das ist nur die eine Seite des Großen Osser. Der Ostrý, wie er auf Tschechisch heißt, hat noch eine andere. Eine wilde und recht einsame Seite. Wer sie erleben will, muss sich den Berg auf dem Grenzsteig erwandern. Also auf dem schmalen Pfad direkt auf der Jahrhunderte alten Grenze zwischen Bayern und Tschechien. Zum Beispiel vom Zwercheck aus, das mit 1333 Metern eine Spur höher ist als der Große Osser und wie er zum Künischen Gebirge gehört. Wie alle Gipfel am Grenzsteig hat das Zwercheck ebenfalls einen tschechischen Namen: Svaroh.

Es ist eine archaisch anmutende Landschaft, durch die der Grenzsteig gut 5,5 Kilometer lang vom Zwercheck zum Großen Osser führt. Vor fast 14 Jahren ist der Orkan Kyrill über den Gebirgskamm hinweggefegt und hat die Fichtenwälder verwüstet. Später kam der Borkenkäfer. Die Wälder haben sich noch nicht erholt. Zwar wachsen vielerorts kräftige junge Fichten heran, und auffällig viele Vogelbeerbäume. Aber beinahe überall ragen graue, abgestorbene Bäume in die Luft. Die zahlreichen, aus dem Erdreich gehebelten Wurzelstöcke zeugen noch von der unbändigen Kraft des Orkans. Immer wieder steigt man über verwitterte Baumstämme hinweg, die quer über dem Grenzsteig liegen.

Gipfelkreuz Großer Osser bei Lam Künisches Gebirge Bayerischer Wald Oberpfalz Bayern Deutschla

Auch ein Gipfelkreuz findet man auf dem Großen Osser.

(Foto: Imago)

Der Boden selbst ist von so hohem Gras und üppigem Blaubeer-Strauchwerk bedeckt, dass man den Pfad nicht immer auf Anhieb erkennt. Aber die mannshohen weißen Grenzstangen mit dem blauen Band am oberen Ende und die Grenzsteine auf den Felsblöcken am Steig machen einem die Orientierung leicht. Zumal man immer direkt auf den Großen Osser zuwandert. An markanten Felsen prangen bisweilen die weiß-blauen Rauten Bayerns und der Böhmische Löwe einträchtig nebeneinander - in arg naiver Malerei.

Überhaupt die Felsen. Sie türmen sich oft mächtig auf, zum Beispiel beim Großen Knöchel (Velký Kokrháč, 1228 Meter). Das Künische Gebirge ist der einzige Gebirgsstock im Bayerischen Wald aus Glimmerschiefern. Die anderen Berge sind aus Granit oder Gneisen. Der Glimmerschiefer mit seinen bisweilen intensiv schimmernden Einlagerungen ist vor 350 bis 320 Millionen Jahren aus Tonstein entstanden - in zehn bis 15 Kilometern Tiefe im Erdinneren. Als sich später das Gebirge hob, ist er an die Oberfläche gekommen. Der Grenzsteig führt oft direkt über die Felsen hinweg. Das Gehen ist deshalb bisweilen anstrengend. Man braucht etwas Trittsicherheit, Wanderstöcke sind angenehm.

Außerdem verläuft auf dem Künischen Gebirge die Europäische Wasserscheide. Alles Wasser, was von ihm nach Tschechien abfließt, fließt in die Úhlava (Angelbach) und über die Elbe in die Nordsee. Die Úhlava kann man vom Grenzsteig aus nicht sehen, der Fichtenwald im Tal ist zu dicht. Dafür blickt man in der Ferne auf die Trinkwassersperre von Nýrsko (Neuern), die sie speist. Das Wasser, das in den Lamer Winkel abfließt, fließt in den Weißen Regen und über die Donau ins Schwarze Meer.

Informationen

Ob Tourenportal im Internet oder klassischer Wanderführer im Taschenbuchformat: Wer sich über den Großen Osser informieren will, hat eine Vielzahl von Möglichkeiten. Auch die Touristen-Informationen in Lohberg und in Lam halten Informationen bereit. Besonders lohnend ist der Internet-Auftritt der Ortsgruppe Lohberg des Bayerischen Waldvereins (www.waldverein-lohberg.de). Unter der Rubrik Wanderwege gibt es außer Karten und gpx-Tracks eine Fülle von Fotos zu den jeweiligen Touren. Auch von tschechischer Seite aus kann man den Großen Osser besteigen: Von dem Örtchen Hamry (Osserhammer) im Tal der Úhlava (Angelbach) führen mehrere Wege auf den Gipfel des Ostrý. Christian Sebald

Mit viel Glück bekommt man oben am Kamm sogar einen Auerhahn zu Gesicht. Die lichten Wälder sind ein Paradies für die mächtigen, dunkelbraun bis dunkelgrau gefiederten Hühnervögel, die vom Aussterben bedroht sind. Die vielen frei stehenden Wurzelstöcke und anderen Baumüberreste sind hervorragende Balzplätze für die Hähne. Aber auch für andere Wildtiere ist der Grenzkamm sehr attraktiv. "Dort streifen auch Luchse und Wölfe herum", sagt der Förster Luitpold Titzler. Von Tschechien wechselt Rotwild herüber. Rehe sind nur in der warmen Jahreszeit anzutreffen. "Im Winter ist es oben zu kalt", sagt Titzler. "Dann ziehen sie in mittlere Lagen."

Eine sehr schöne, aber gut sechs Gehstunden und gut 18 Kilometer lange Rundtour über den Grenzsteig startet am Wanderparkplatz in Lohberg. Von dort steigt man in einer Stunde auf dem Weg Lo5 nach Oberhaiderberg auf. Die Siedlung ist umgeben von einer Schafweide, die den ersten weiten Blick in den Lamer Winkel freigibt. Danach sind es noch etwa eineinhalb Stunden auf das Zwercheck. Der Weg Lo5 führt hier durch schöne Mischwälder. Bereits einige Zeit unter dem Gipfel lichten sich die Bäume. Deshalb ist der Schlussaufstieg an heißen Tagen schweißtreibend. Spätestens am "Naturkino" - einer Reihe von Bänken mit einem freiem Rundblick über den Lamer Winkel hinweg - ist deshalb eine Rast fällig.

SZ-Serie: Urlaub daheim: Für Wanderführerin Maria Müller hat der 1293 Meter hohe Große Osser alles, was ein Berg braucht.

Für Wanderführerin Maria Müller hat der 1293 Meter hohe Große Osser alles, was ein Berg braucht.

(Foto: Privat)

Gleich hinter dem unscheinbaren Zwercheck-Gipfel erreicht man den Grenzsteig. Hier biegt man links ab und wandert in gut zwei Stunden zum Großen Osser. Wem die Strecke zu weit ist, der kann kurz vor dem Kleinen Knöchel (Malý Kokrháč, 1168 Meter) über das Lohberger Steindl (Lo8) abkürzen. Von dem Felsen, der den Fichtenwald überragt, blickt man zurück nach Oberhaiderberg. Danach steigt man auf teils angenehm weichen Waldwegen nach Altlohberghütte und Lohberg ab.

Wer zum Großen Osser weiterwandert, hat sich die Rast im Osser-Schutzhaus verdient. Für den Schlussabstieg nimmt man den teils steilen, steinigen Weg Lo1. In eineinhalb Stunden ist man in Lohberg. Der Abstieg zählt zu den am meisten begangenen Wegen am Großen Osser. Auch aufs Zwercheck führt von einem Wanderparkplatz ein viel frequentierter Weg. Aber abgesehen von den Gipfeln und dem Abstieg ist man auf der Runde meistens alleine.

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