SZ-Serie: Urlaub daheim:Magische Aura in der vulkanischen Oberpfalz

Schon Goethe und Humboldt schwärmten von der Schönheit der vulkanischen nördlichen Oberpfalz - hier gilt der Vulkanismus noch nicht als vollends erloschen.

Von Matthias Köpf

Lang wird es wohl nicht mehr dauern, bis irgendwo hier der nächste Vulkan ausbricht. Womöglich sind es nur noch ein oder zwei Millionen Jahre, und nach geologischen Maßstäben ist das praktisch übermorgen. Die letzte Eruption aus bayerischem Boden wäre in diesem Vergleich erst ein paar Stunden her. Ein paar Hunderttausend Jahre werden es in Wirklichkeit gewesen sein, wohl irgendwo östlich bei Bärnau oder Neualbenreuth und jedenfalls Richtung Tschechien, wo die Vulkane insgesamt jünger sind. Die nördliche Oberpfalz ist Bayerns Vulkanland, deutschlandweit gilt der Vulkanismus nur hier und in der Eifel noch nicht als vollends erloschen. Wer Erholung sucht, kann nicht nur drüben in Karlsbad, Marienbad und Franzensbad, sondern auch im Sibyllenbad in Neualbenreuth davon profitieren. Und bei vielerlei Ausflügen auf die alten Vulkane.

Mindestens zwei Dutzend davon lassen sich in der Gegend finden, und immer noch entdecken die Geologen neue - dies aber meist nur im Untergrund und anhand der Zusammensetzung des Gesteins. So herausragend wie der Rauhe Kulm und der Parkstein sind sie also nicht. Während Goethe sich für den Eisenbühl begeistert haben soll, der heute als Železná hůrka gerade jenseits der tschechischen Grenze liegt, bezeichnete Goethes noch deutlich weiter gereister Zeitgenosse Alexander von Humboldt den Parkstein als den "schönsten Basaltkegel Europas". Und der Rauhe Kulm wurde immerhin bei einer öffentlichen Abstimmung der Heinz-Sielmann-Stiftung im Jahr 2013 zum "schönsten Naturwunder Deutschlands" gewählt. Das hätte der Rauhe Kulm vielleicht gar nicht nötig gehabt, aber wundersam ist er auf jeden Fall.

Dabei waren all diese Vulkankegel die längste Zeit selbst tief im Untergrund verborgen geblieben, und Feuer gespieen haben sie höchstwahrscheinlich auch nicht. Wasser und Steine aber schon, denn zu Ausbrüchen kam es hier in der Gegend vor allem dann, wenn tief unten Magma auf Grundwasser traf und es explosionsartig zum Verdampfen brachte. Der dunkle Basalt, der heute am Rauhen Kulm und am Parkstein so beispielhaft zu Tage tritt, war einst im Vulkanschlot erstarrte Magma. Wind und Wetter haben über mehr als 20 Millionen Jahre hinweg das weichere Gestein darüber und drumherum abgetragen, der härtere Basalt blieb übrig.

Heute ist der Kulm deswegen weithin zu sehen. Er sticht nicht nur mit seiner markanten Form ins Auge, sondern auch mit dem Aussichtsturm, der den 682 Metern des Berges noch 25 weitere Meter hinzufügt und seinerseits einen entsprechend weiten Rundblick auf die Hügellandschaft rundherum ermöglicht. Im Südosten sogar auf den Luftlinie 19 Kilometer entfernten Parkstein und im Nordosten etwa auf den Schlossberg oberhalb des Marktes Waldeck. Auch er ist so ein übrig gebliebener Vulkan, die Burgruine auf der Kuppe besteht nur noch aus den Grundmauern, ist aber reich mit allerlei Informationstafeln bestückt und bietet viele Plätze für eine Brotzeit mit Aussicht.

Im Südwesten ist vom Kulm aus das Kloster Speinshart zu sehen. Im 12. Jahrhundert gegründet, später barockisiert und zuletzt mehr als 20 Jahre lang und für mehr als 20 Millionen Euro saniert, ist das Kloster Kern eines idyllischen Klosterdorfs, das sich auf zwei Höfe verteilt und mit dem Hauptgebäude und der barockprächtigen Kirche ein Baudenkmal von überregionalem Rang bildet. Die Bedeutung als Ort mönchischen Lebens nimmt freilich ab. Wer zur Zeit des Mittagsgebets die Kirche betritt, hört oft nur einige wenige dünne Stimmen. An diesen Tag sind es vier, darunter die einer Frau, die aus der Umgebung zum Mitsingen kommt. Fünf Prämonstratenser leben noch im Kloster.

An Zuzug mangelt es allerdings auch direkt zwischen dem Rauhen Kulm und dem Kleinen Kulm, einem weiteren eigenständigen Vulkanrest. Zwischen ihnen liegen ein guter Kilometer und darauf Neustadt am Kulm. Die Stadt ist mit ihren rund 800 Einwohnern die kleinste der Oberpfalz. Die Stadtrechte braucht es wohl schon wegen des Namens, doch ansonsten sieht Neustadt gerade ziemlich alt aus. Die früher in schroffem Gegensatz zum katholisch geprägten Umland lutherischen Neustädter mussten immer "Ackerbürger", also Nebenerwerbsbauern bleiben, die Fassaden vieler Häuser haben bis heute Durchfahrten für die Fuhrwerke. Der vergleichsweise riesige Stadtplatz könnte ein Schmuckkästchen sein - oder wenigstens wieder werden. Derzeit soll er jedenfalls umgestaltet werden und gleicht daher gerade einer zerfurchten, von Protestbannern gesäumten Asphaltwüste, in deren Mitte wie eine Insel das sanierte Rathaus steht. Für einen schleichenden, aber inzwischen nahezu vollständigen Lockdown hat es hier gar kein Corona gebraucht, wobei diese unwirtliche Pandemie nun auch noch die letzten Gasthäuser zum hoffentlich nur vorübergehenden Zusperren veranlasst hat.

Einen Aufbruch verheißt da das neue, ganz aus Holz gebaute Infozentrum am Fuß des Kulm. Die Eröffnung wurde vom Coronavirus ausgebremst, und auch mit dem zuletzt geplanten Termin 1. Mai wird es wohl nichts werden. Wenn es aber mal so weit ist, dann werden sich hier viele Informationen zum Kulm und zum ganzen Geopark Bayern-Böhmen einsammeln lassen, zu dem sich die Regionen beiderseits der Grenze zusammengetan haben. Das beste Anschauungsmaterial werden allerdings die dunklen Basaltbrocken bleiben, die den Kegel des Kulm bilden und dem Berg je nach Wetter, Licht und Laune zuweilen eine fast magische Aura verleihen.

Wanderungen

Die Vulkanberge in der nördlichen Oberpfalz ragen alle nicht weit in den Himmel, der Rauhe Kulm mit seinen 682 Metern ist der höchste von ihnen. Er bietet sich auch am ehesten für eine kurze Wanderung an; die Wege ziehen sich auf der Karte fast wie Höhenlinien rund um den Kegel. Wer mag, kann sich über sie gleichsam durch den Wald zum Basalt hinaufschrauben. Nur über die untere Runde sind es rund vier Kilometer oder etwa eine Stunde, der mittlere Weg bietet eine mögliche Verlängerung und gute Perspektiven auf die Basalthalden und die Reste des vermutlich bronzezeitlichen Ringwalls. Das letzte Stück hinauf zum Aussichtsturm führen zwei einander gegenüber liegende Wege. Auf dem direktem Weg lässt sich der Turm vom neuen Infozentrum aber auch leicht in einer Viertelstunde erreichen. Matthias Köpf

Am Parkstein, den die Menschen hier auf der zweiten Silbe betonen, herrschen meist andere Stimmungen. An einem fast 40 Meter hohen Abbruch auf der Südostseite zeigt sich der Basalt in gewundenen Garben aus jenen fünf- und sechseckigen Säulen, zu denen er tief in der Erde erstarrt ist. Der ebenso wie der Rauhe Kulm früher mit einer Festung besetzte Parkstein liegt mitten in der gleichnamigen Marktgemeinde. Ähnlich den Sandstein-Kellern in Neustadt gibt es am Parkstein begehbare Felsenkeller, die hier gleichsam in Innere des einstigen Vulkans führen. Was die Infrastruktur für Ausflügler betrifft, haben die Parksteiner vorgelegt und am Rathaus schon 2013 ein "Vulkan-Erlebnis" eröffnet, das zuletzt - und vor Corona - jährlich von 14 000 Gästen besucht wurde. Hier drinnen steht der nächste Vulkanausbruch wirklich immer kurz bevor: als feurige Simulation kurz vor jeder vollen Stunde.

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