Da ist am Anfang schon einmal das Licht. Bei der Einfahrt nach Pottenstein - rechts ragt die Burg über der Stadt, links verteilen sich Fachwerkhäuser - glänzt die Sonne ziemlich intensiv und einnehmend. Der Ort in der Fränkischen Schweiz, grob auf halber Strecke zwischen Nürnberg und Bayreuth, hat etwas Gedrungenes, eingerahmt in das gebirgige Umland. Der Anblick macht neugierig auf die Umgebung. Und dann ist da noch die Ruhe eines Corona-Vormittags, an dem alles etwas gedämpft ist, weil man sich an das Draußen-Bewegen, wo das Wetter besser wird, ja erst wieder gewöhnen muss. Man kommt also in diese Stadt, mit ihren vielen Cafés und Pensionen, eine Stadt, die nicht nur klein und schön ist, sondern auch staatlich anerkannter Luftkurort, und man sieht ihr an, dass zur Hochsaison sicher die Hölle los ist, aber man hat ja einen entscheidenden Tipp erhalten: Eine Wanderroute, auf der man so gut wie allein ist.
Denn man könnte auch von hier ins Klumpertal starten. Anders als der Name klingt, ist es da verwunschen schön, aber dahin gehen alle und daher geht es jetzt hinaus in die Ebene. Dafür beginnt der Weg leicht bergauf kurz hinter dem Ortsausgang Richtung Bayreuth an einer wenig befahrenen Straße, schlängelt sich am Mischwald, dann über einen Acker, in den Forst hinein. Dort kommt einem ein erster Mountainbiker entgegen mit den Worten: "Blühen die ...?" Der Name der Pflanzenart geht unter, aber es können nur die violett-blauen Küchenschellen sein, die in der Fränkischen Schweiz verbreitet sind und sich im dörren Boden behaupten. Der kurze Dialog geht dann so: "Wieso, wegen Allergie?" "Ne, wegen Foto." Ach so. Lachen beiderseits, ja, sie blühen, und Thomas Bernard, lokaler Tourismuschef und Geograf, erklärt später, dass sie das tun, weil sie sich in den Trockenrasenhängen, geschützt von Bäumen, wohlfühlen, da, wo auch viel Wacholder wächst.
Das Städtchen Pottenstein...
...ist ein guter Ausgangspunkt für die Wanderung.
Die Wanderroute zeigt die vielfältige Schönheit der Fränkischen Schweiz: Markante Felsen,...
...aber auch Tal und Wald mit Wasserläufen.
Der Holzturm auf der Hohenmirsberger Platte dient dabei als Wegmarke und Aussichtsturm. Wenn man Glück hat, ist man dort oben fast allein, und auf jeden Fall "a weng über dem Geschehen."
Bernard erweist sich überhaupt als guter Begleiter. Nicht, dass er persönlich anwesend wäre. Aber der Experte für die Fränkische Schweiz hat nicht nur den Tipp zur Route gegeben, er hat sich auch an Infotafeln entlang des Wegs verewigt. Die Route zeige die Schönheit der Fränkischen Schweiz in Gänze, sagt er: Markante Felsen, Tal und Wald mit Wasserläufen sowie Jurahochflächen samt Panoramablick. Bernard kennt die Gegend von Kindheit an, er war nur zum Studieren weg, und wenn der 53-Jährige heute selbst loszieht, steuert er am liebsten mit dem Mountainbike den Turm auf der Hohenmirsberger Platte an, mit 614 Metern über dem Meeresspiegel eine der höchsten Erhebungen der Fränkischen Schweiz.
Der Holzturm gerät jetzt, sobald man den Wald verlassen hat, ins Blickfeld und mit ihm im Augenwinkel geht es über die Ebene, die intensiv leuchtet. Schon im Mittelalter wurde sie bewirtschaftet, zur Weidehaltung etwa, anders als weiter unten im Püttlachtal, wo man später noch hingelangt. Dort war das kaum möglich, weil es da viel steiler ist und heute auch der Freistaat etwas dagegen hätte, der das Tal als Nutzwald pflegt. Aber zurück zur Ebene, in der man nun den Ort Hohenmirsberg durchquert. Nirgendwo eine Seele, Bernard hat recht behalten. Steuert man den Holzturm an, gibt es auch einen kleinen Tipp: Erst umdrehen, wenn man auf dem Weg nach rechts gen Turm abbiegt, dann entfaltet sich das Panorama am besten.
Am Holzturm selbst bietet sich eine erste ausgedehnte Rast an. Wenn man Glück hat, sitzt man allein dort oben, während sich unten ein paar Camper in ihren Wagen zurück- und die Gardinen zugezogen haben. "Wunderschön, weil da bist a weng über dem Geschehen", sagt Bernard dazu. Er komme am liebsten am Abend, gegen sechs, halb sieben, und man kann sich das Licht dann gut vorstellen und dass das wahrscheinlich ziemlich schnell ziemlich kitschig-romantisch werden kann. Hier oben geht der Blick weit gen Süden über die Fränkische Alb. Im Nordosten ein Steinbruch, in dem Schichten des weißen, fränkischen Juras abgebaut werden und eindrücklich zeigen, wie es hier tatsächlich unter der Erde aussieht. Auf einem Geo-Infopfad kann man hier mehr über das Gestein lernen. Bernard erzählt: "Das war alles mal Meeresboden, überall in der heutigen Fränkischen Schweiz war Land unter, vor 150, 160 Millionen Jahren." Das Gebiet senkte sich mit der Zeit ab, der Meeresgrund schichtete sich auf. Später, als das Meer wegen Plattenverschiebungen zurückgezogen war, erodierte die steinige Gegend zu sanften Hügeln.
Obwohl noch etwa zwei Drittel Strecke zu gehen sind, ist der anstrengendste Teil schon geschafft. Es geht von hier sanft bergab, über den Ort Pullendorf bis zur Kapelle in Püttlach, die Kühle spendet und zum Ausruhen einlädt. Wieder kein Mensch. An einem Schild steht ganz klein, aber sehr passend: "Wer ländliche Idylle fernab vom Verkehr favorisiert, ist im Püttlach bestens aufgehoben."
Und dann folgt der letzte Abschnitt durch das Tal, angenehm schattig, immer entlang der Püttlach, die nach und nach größer wird und gemächlich nach Pottenstein fließt, umrahmt von majestätischen Bäumen, zu deren Füßen zu Beginn des Abschnitts rege Krötenwanderung herrscht. Warte man noch drei Wochen, sagt Bernard, treffe man auch Salamander. Und noch einen Tipp hat er: In den Abendstunden, wenn es leicht neblig ist, sei die Gegend mit den Felsen und dem Wasser geradezu mystisch. Unter jenen Felsen, etwa der "Hohen Nase", gewachsen aus Korallenriffen wie beim australischen Great Barrier Reef, kann man sich ziemlich klein fühlen - oder sie erklimmen, wenn man noch Ausdauer hat.
Abgesehen vom Wasserrauschen herrscht Stille, einmal überholen zwei Mountainbiker, nur hier und da trifft man einen Wanderer. So geht es, bis seitlich erste Häuser auftauchen und man irgendwann in der Pottensteiner Hauptstraße steht. Es ist früher Abend geworden, die Sonne steht tief, 18 abwechslungsreiche Kilometer liegen hinter einem und über dem Ort hängt eine angenehme Trägheit. Eisdielen und Cafés haben geöffnet, also bleibt man noch ein wenig. Gleich wieder abreisen - dazu gibt es keinen Grund.