Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Urlaub daheim:Über allem thront die Burg

Das Lerautal verzaubert mit einem mystischen Wald, alten Handsteinen als Grenzzeichen und wildromantischen Instagram-tauglichen Ausblicken. Dabei geht der Blick auf die Ruine Leuchtenberg nie verloren.

Von Clara Lipkowski

Ein Ort der steilen Straßen - so könnte man Leuchtenberg bezeichnen, denn so thront der Ort über der Landschaft. Es ist ruhig hier oben und friedlich. Der Blick geht weit, Richtung Tschechien, westwärts gen Nürnberg. Und natürlich erspäht man den Oberpfälzer Wald, den man gleich erkunden wird.

Aber vorher eben noch Leuchtenberg. Bunte Häuserfassaden empfangen einen, nur ab und zu hört man hier oben ein Klingeln, immer dann, wenn beim Bäcker die Tür auf- und zugeht. Ein Traktor arbeitet sich dem Berg hinauf und etwa auf Höhe der gelben Ortskirche, hinter dem Scheitel, wieder herab. Etwas weiter oben die Burgruine. Und so wie man von hier alles überblicken kann, wird man auch umgekehrt immer wieder auf die Burg und den Berg hochblicken, wenn man sich nun auf den Weg macht.

Vielen Bayern ist der Ort wegen seiner Burgfestspiele und der jährlichen Theateraufführungen ein Begriff, wenn hier in Nicht-Corona-Zeiten Busladungen ankommen. Und wohl auch wegen besagter Burgruine, die die größte ihrer Art im ganzen Regierungsbezirk ist. Doch nun wirklich zu den weniger bekannten Wanderwegen.

Es geht bergab mit der Ruine im Rücken in einen Wald mit federndem Moosboden und wogenden Wipfeln, die den Verkehrslärm der nahe gelegene Bundesstraße schlucken. Ein paar Granitsteine geben einen Vorgeschmack auf große Brocken, die es später zu besichtigen gilt. Auf schmalen Pfaden geht es ins offene Feld, dann durch zwei Orte, Steinach und Lerau. Auch hier Stille. Statt Menschen trifft man hier mal neugierige, mal dösende Hunde der Milchbauernhöfe, die eher die Wärme im Windschatten vorziehen, als Passanten im Blick zu behalten.

Und immer wieder rückt in der Fläche die Burgruine in den Blick. Man kann sich von hier unten gut vorstellen, wie das Bauwerk schon im Mittelalter Fixpunkt für die Menschen war. Zurzeit ist das Eisentor vor der Ruine noch fest verschlossen, aber von 8. Mai an kann man zumindest mit Termin und Maske wieder rein und Turm und Kapelle besichtigen - geringe und stabile Inzidenzzahlen vorausgesetzt. Eine Burgwärterin wird dann wieder bereit stehen, und diese erzählt am Telefon, sie könne es kaum erwarten. Seit 24 Jahren erklärt Rita Lingl, 54, Touristen die Burg, kennt die Sagen der Gegend in- und auswendig - doch zuletzt habe sie die Menschen immer wieder vertröstet, der Infektionszahlen wegen.

Urkundlich erwähnt wurde die Burg im 12. Jahrhundert, ein genaues Baudatum allerdings ist nicht überliefert. Vermutlich gab es schon früher ein Bauwerk auf dem Gipfel, im 9. oder 10. Jahrhundert. Später wurde die Burg Sitz der Leuchtenburger Landgrafen, eines bedeutenden Adelsgeschlechts im Mittelalter, "eines, das gerne unterschätzt wird", sagt Wärterin Lingl. Vasallen bayerischer Herzöge und Vertraute deutscher Kaiser seien die Adligen gewesen. Bis Wien, Warschau, Prag und in Italien seien sie unterwegs gewesen und stets auf ihre Burg zurückgekehrt. Mit den Jahrhunderten überstand die Festung in knapp 600 Metern Höhe gleich mehrere Katastrophen. Zuletzt war das im 19. Jahrhundert der Fall, als erst ein Großbrand wütete und kurz darauf auch noch ein Blitzeinschlag den Turm zerteilte. Heute schimmert die erneuerte Anlage in der Sonne, als sei nie etwas gewesen.

Es geht nach den Orten Steinach und Lerau weiter leicht hügelig auf und ab, oft auf geteerter Straße, bis zu einer ersten Rast auf einer der roten Bänke, die entlang des Weges immer wieder auftauchen. Weiter führt der Weg hinein in den Elm-Wald. Sagen über den in zig Grüntönen schimmernden und teils dichten Forst gibt es zuhauf. So sollen früher Räuberbanden in schnell wechselnden Kostümen Reisenden aufgelauert und sie ausgeplündert haben. Und ja, die Mystik des Waldes hat sich erhalten. Viele Wege sind absichtlich naturbelassen und verwunschen, teils stehen die Bäume so dicht, dass man sich lieber nicht abseits der Wege hineinwagt aus Sorge, nicht mehr heraus zu kommen. Besonders wenn man aus der Gemeinde hört, dass sich auch Einheimische beim Spaziergehen verirren. Es ist so ruhig, selbst bei starkem Wind, dass das eine oder andere Knacken im Unterholz aufhorchen lässt.

An einer Lichtung angekommen lohnt ein Abstecher zu alten Handsteinen, die zeigen, an welcher Stelle sich drei Ortschaften im Mittelalter auf Grenzen einigten. Noch heute sind darauf eingemeißelte Hände, die wohl als Grenzkennzeichen dienten, erkennbar. Es heißt, der dritte Ortsvertreter im Bunde sei zu spät gekommen und habe daher sein Mitspracherecht bei der Grenzziehung verwirkt. Unweit soll er sich deshalb das Leben genommen haben.

Aber zurück geht es zur eigentlichen Route. Mitten im Wald gelangt man nun, nachdem man ein paar Bäume mit Marienbildern passiert hat, wieder an eine Lichtung und trifft das erste Mal auf Wanderer. Der Weg fällt nach und nach links leicht ab und mündet schließlich ins wildromantische und durchaus Instagram-taugliche Lerautal. Womöglich weist deshalb ein Wegweiser auf die "netzfreie Zone" hin, und in der man doch mal "abschalten und genießen" solle? Ein junger Mann ist auf der Suche nach der besten Foto-Perspektive in den Leraubach gestiegen, Bewegung um sich herum weiß er auszublenden. Hier überbrückt der Schafsteg den kleinen Fluss, eine Rast empfiehlt sich dringend, samt Wasserrauschen, Blick auf viele bemooste Steine und riesige Granitbrocken.

Denn auch deshalb ist die Route sehenswert: Vom imposanten Wolfsfelsen am Wolfslohklamm schaut man, wenn man schwindelfrei ist und rutschfeste Schuhe trägt, aus mehreren Metern Höhe hinunter in Felsenspalten, den verwunschenen Wald und den sich dahinschlängelnden Bach. Etwas entfernt lohnen sich Steinformationen wie das "Teufelsbutterfass", das offenbar durch einen Felssturz entstand. Außerdem findet man hier so bezeichnende Brocken wie die "Gotteshände" und das "Hohe Bäuml", alle einen Abstecher wert.

Zum Schluss geht es wieder rauf Richtung Ruine. Ein letztes Schlendern durch die offene Landschaft, den Wald lässt man hinter sich und gelangt so wieder hoch in den Ort, der immer noch verschlafen wirkt, aber eigentlich einfach an Corona krankt, wie so viele Gegenden, die sich auf Gäste freuen. Und es ist ja auch schon Anfang Mai. Jetzt öffnet ja erst einmal die Burg. Dann wird bald womöglich auch eine Einkehr im Orts-Wirtshaus möglich sein.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2021/van, kafe
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