Update zu DrogenpolitikDrogenkonsumräume? Nicht mit Bayern

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Auch künftig lehnt die Staatsregierung Drogenkonsumräume ab. In München warb die Deutsche Aidshilfe im vergangenen Jahr  mit einer Protestaktion  für deren Einrichtung. 
Auch künftig lehnt die Staatsregierung Drogenkonsumräume ab. In München warb die Deutsche Aidshilfe im vergangenen Jahr mit einer Protestaktion für deren Einrichtung.  (Foto: Stephan Rumpf)

Internet-  und Computersucht, neue Substanzen: Die Staatsregierung hat ihre Grundsätze zu Sucht und Drogen aktualisiert.  Der restriktive Kurs bei Cannabis und Drogenkonsumräumen aber bleibt.

Von Nina von Hardenberg

Etwa drei Millionen Erwachsene in Bayern haben einen problematischen Konsum von Drogen. Das heißt, sie gefährden durch legale oder illegale Suchtmittel ihre Gesundheit und befinden sich auf einer Vorstufe zu einer Suchterkrankung. Ob nun Alkohol, Tabak, Cannabis, Glücksspiel oder illegale Drogen: Der Konsum von Suchtmitteln sei „Teil unserer Gesellschaft“ und gehe mit gravierenden gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Schäden einher, heißt es in den aktualisierten Grundsätzen der Staatsregierung zu Sucht und Drogen, jenen Leitlinien, an denen die Staatsregierung ihre Politik ausrichtet. Gesundheitsministerin Judith Gerlach stellte am Montag in München eine Neufassung der bisherigen Grundsätze aus dem Jahr 2007 vor.

Das Update sei nötig geworden, um neue Gefahren wie etwa Internet- und Computerspielsucht sowie veränderte Drogenmischungen und Konsumformen zu berücksichtigen, erklärte Gerlach. Wer sich allerdings einen Politikwechsel erhofft hatte, sucht in dem Papier vergeblich. An „bewährten Ansätzen“ halte die Regierung fest, sagte Gerlach. Dazu gehört etwa die ablehnende Haltung Bayerns zu Drogenkonsumräumen, in denen Süchtige unter Aufsicht und mit sterilen Spritzen illegale Drogen konsumieren können.  Das Betäubungsmittelgesetz ermöglicht solche Räume seit dem Jahr 2000, viele Bundesländer haben sie geschaffen. Bayern aber weigert sich aus rechtlichen Bedenken, die dafür nötige Rechtsverordnung zu erlassen.

Restriktiv bleibt – wenig überraschend – auch die Cannabis-Politik in Bayern.  Anbauvereinigungen will die Staatsregierung auch weiterhin genau überwachen und den Konsum von Cannabis in der Öffentlichkeit so weit wie möglich einschränken, um Kinder und Nichtraucher zu schützen.

Abseits dieser politisch umkämpften Schauplätze geben die Leitlinien einen Überblick über die alten und neuen Süchte der Gesellschaft und über die vielfältigen Versuche sie einzudämmen. Da sind die legalen Drogen wie Alkohol und Tabak. Sie gehören zu den führenden Risikofaktoren für frühe Sterblichkeit und erzeugen zudem volkswirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe. Und da sind die lebensgefährlichen illegalen Drogen. Allein im Jahr 2024 starben im Freistaat 214 Menschen an Vergiftungen in Verbindung mit synthetischen Opioiden, Kokain, Crack oder Amphetaminen sowie neuen psychoaktiven Stoffen.

Der Bericht diskutiert aber auch neuere Abhängigkeiten, wie den Internet- und Medienkonsum, der bei knapp einem Drittel der Jugendlichen als problematisch gilt.  Auch bei den anderen werden Handys und Tablets zu immer größeren Zeitfressern. Die 12- bis 17-Jährigen verbringen im Schnitt 26 Stunden die Woche vorm Bildschirm.

„Drogenkonsumräume retten Leben“

Anders als die frühere Version definieren die Grundsätze konkrete Ziele für die Drogenpolitik. Sie sollen ein suchtfreies Aufwachsen ermöglichen, den Konsum von legalen Suchtmitteln in der Bevölkerung reduzieren, aber auch uneingeschränkte und niedrigschwellige Zugänge zu Prävention und Suchthilfe schaffen.

Dass die politische Realität nicht immer den hohen Zielen gerecht wird, zeigt sich indes in der Weigerung, Drogenkonsumräume zu schaffen. „Diese retten Leben“, sagt der Ärztliche Direktor des Bezirkskrankenhauses Lohr am Main, Dominikus Bönsch. Den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie stört zudem die recht isolierte Sicht auf das Thema Sucht, die in den Grundsätzen zum Ausdruck kommt. Viele Menschen mit Suchterkrankungen litten an begleitenden psychiatrischen Erkrankungen. Das System sei darauf zu wenig eingestellt: Wer ein Alkoholproblem habe, komme in keiner psychiatrischen Wohngemeinschaft unter und eine chronische schizophrene Psychose lasse Suchtbehandlung schon im Vorfeld scheitern.

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