Bildung:Die Hochschulen bereiten sich auf Normalität vor

Bildung: Volle Hörsäle: Das war vor der Corona-Pandemie, wie an der Uni Passau, Normalität. Und das soll es im neuen Semester auch wieder werden.

Volle Hörsäle: Das war vor der Corona-Pandemie, wie an der Uni Passau, Normalität. Und das soll es im neuen Semester auch wieder werden.

(Foto: Universität Passau)

An diesem Montag starten wieder die Vorlesungen an den bayerischen Universitäten. Nach vier turbulenten Corona-Semestern soll endlich wieder das einst gewohnte Bild auf den Campus einkehren - bis auf eine Einschränkung.

Von Viktoria Spinrad, München

Die Speisekammer in der Regensburger Mensa ist gefüllt. Reis, Kartoffeln, Spätzle und natürlich Öl, das Gold dieser Zeit. "Wir fahren schon wieder auf 100 Prozent", sagt Küchenchef Helmut Meier, im Hintergrund hört man bei einem Telefonat zur Mittagszeit lautes Gemurmel und klappernde Töpfe. In seinem Revier war vergleichsweise wenig los in den vergangenen Semestern. Sein Team war teils in Kurzarbeit, sortierte mal Pfannen und machte Großputz, weil auf einmal die Zeit da war. Nun rührt sich wieder etwas. Hier, wo die studentische Energie in Form von Rinderrouladen und Pasta mit Bärlauchsoße nach Hausfrauenart zusammengezaubert wird, um anschließend wieder über Fragen der BWL und Germanistik und zu brüten.

Bildung: "Ich hatte wirklich Glück", sagt Karli Karl, Studentin an der Universität Regensburg. Denn im Gegensatz zu vielen Kommilitonen konnte sie noch vor Corona erfahren, was das ganz normale Studentenleben ausmacht.

"Ich hatte wirklich Glück", sagt Karli Karl, Studentin an der Universität Regensburg. Denn im Gegensatz zu vielen Kommilitonen konnte sie noch vor Corona erfahren, was das ganz normale Studentenleben ausmacht.

(Foto: privat)

Auch Karli Karl, 22, speist öfter in der Regensburger Mensa. Sie studiert hier Biologie und Chemie auf Lehramt, von diesem Montag an im achten Semester. Sie kennt beides: die Schlangen zu Semesterbeginn, bis raus in den Vorraum, und die fröhlichen Erstsemester-Partys. Aber auch die Tristesse der Corona-Zeit mit ihrer unheimlichen Stille und der Mensa so leer, dass ihr jeder Tag wie ein Sonntag erschien.

Nun aber soll wieder das pralle Leben einkehren, in Regensburg wie im übrigen Bayern. Wenn an diesem Montag für etwa 250 000 Studierende wieder die Vorlesungen an den zwölf bayerischen Universitäten starten, soll dies auch das Ende einer vier Semester langen Durststrecke sein. Als aus den kleinen Studentenzimmern plötzlich Einzelzellen wurden, der maskierte Einkauf mit Freunden beim Discounter zum Highlight wurde und das Lernen immer schwerer fiel.

So auch für Karli Karl, die Studentin aus Regensburg. Als klar wurde, dass Corona sich hinzieht, zog sie in eine WG zu zwei weiteren Lehramtsstudenten. Zusammen saßen sie fortan vor dem Laptop und sahen sich die Vorlesungen an. Musste sie alleine lernen, machte sie sich ein Youtube-Video an, das die konzentrierte Atmosphäre in einer Bibliothek zeigte. "Ich musste mir erst wieder Struktur geben", sagt sie.

Eigentlich sollte ja bereits im vergangenen Herbstsemester wieder alles normal werden. Der damalige Hochschulminister Bernd Sibler (CSU) hatte alle auf den Campus zurückgerufen, Geld für Hüpfburgen und Schnitzeljagden lockergemacht. Die Hoffnung, dass alles wieder besser wird, wurde von den Ansteckungszahlen schnell wieder zunichte gemacht. Aus größtmöglicher Zwanglosigkeit wurde 2G. Auf dem Campus patrouillierten Security-Männer und kontrollierten den Impfstatus der Studierenden. Die Sicherheitsleute haben viele Hochschulen nun wieder abbestellt oder reduziert.

Von diesem Semester an gibt es nur noch eine Regel: Wo keine 1,5 Meter Abstand gehalten werden können, soll FFP-Maske getragen werden. So haben es die Universitäten untereinander abgesprochen und berufen sich dabei auf ihr Hausrecht. Für eine "Kultur der gegenseitigen Rücksichtnahme" plädiert Sabine Doering-Manteuffel, Präsidentin der Universität Augsburg und Sprecherin der bayerischen Universitäten. Eine Rolle rückwärts in die dunkelsten Zeiten der Pandemie, "das wollen wir nicht".

Bildung: Sie freue sich riesig, sagt Bettina Noltenius, jetzt wieder in den Hörsaal zu dürfen und die Studierenden persönlich kennenzulernen.

Sie freue sich riesig, sagt Bettina Noltenius, jetzt wieder in den Hörsaal zu dürfen und die Studierenden persönlich kennenzulernen.

(Foto: Universität Passau)

Zumal das vielerorts hieße: Online-Vorlesungen mit schwarzen Kacheln. Die kennt auch Bettina Noltenius, sie ist Vizepräsidentin der Universität Passau und unterrichtet dort Strafrecht. "Schlimm" sei das, wenn man so in eine schwarze Wand spreche, sagt sie, hinter der sich manche auch noch unter Pseudonymen wie "T-Rex" versteckten. Es fehle einfach das Feedback. "Man sieht gar nicht, was die Studenten aufnehmen."

Eine Erfahrung, die auch Karli Karl in Regensburg machte. Sie selber unterrichtet Erstsemester in den Grundlagen der Chemie. Atome, Säuren, Basen, das Periodensystem - und schaute ebenfalls in die schwarzen Kacheln. Sie möchte es ihren Kommilitonen nicht übel nehmen, "aber es wäre schön gewesen, in ein paar Gesichter zu sehen", sagt sie. Das kann sie nun von Montag an wieder. 20 sollen in ihrer Gruppe sein, davon kennt sie niemanden live, "ich freue mich schon richtig".

Getrübt wird die Freude durch den Krieg in der Ukraine. Die Hochschulen sollen auch Geflüchtete von dort möglichst unbürokratisch aufnehmen. Vielerorts sind Forscherinnen und Forscher bereits über Stipendienprogramme in den Hochschulen tätig. Eine rückwirkende Änderung im bayerischen Hochschulgesetz soll Studierenden unkomplizierten Zugang zu den Hörsälen verschaffen. Zudem gibt es einen Notfallfonds für ukrainische Studierende und Forschende. Gerade in diesen Zeiten, sagt der neue Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU), sei das gemeinsame Studium von Menschen aus Bayern, Europa und der ganzen Welt eine "unverzichtbare völkerverbindende Brücke".

"Oh Gott, jetzt muss ich wieder früh aufstehen."

Um diese im Kleinen zu sehen, muss Döring-Manteuffel in Augsburg nur aus dem Bürofenster schauen. Von dort sieht sie, wie sich die Straßenbahn gen Campus leert. Sie habe da ein Gefühl, dass da am Montag eine Fülle von Leuten rauskommen werde, sagt sie. "Wir sind keine Fernuniversität und wollen auch keine werden."

113 Kilometer nordöstlich fragt sich Studentin Karli Karl in Regensburg, wie das wohl sein wird, wenn man nicht mehr um 7.58 Uhr den Laptop aufschlagen kann, sondern vorher noch zum Hörsaal fahren muss. "Oh Gott, jetzt muss ich wieder früh aufstehen", sagt sie.

Küchenchef Helmut Meier hingegen klingt wie ein kulinarischer Analytiker, der da etwas Interessantes kommen sieht. "Spannend" sei das, sagt er. Bisher habe er immer genau gewusst, dass er mit 4000 Mahlzeiten am Tag planen kann. Wie viele werden es jetzt sein, wenn am Montag Frühlingszwiebel-Süppchen, Ofenkartoffeln, Cannelloni und Cevapcici serviert werden. 2000? 3000? "Ich lasse mich überraschen", sagt er.

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