Wintersemester:Universitäten planen mit Präsenzlehre im Herbst

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Im kommenden Semester sollen sich die Universitäten wieder füllen. Voraussetzung: Maske. (Foto: Alexandra Wey/dpa)

Nach drei Corona-Semestern bereiten sich Bayerns Hochschulen auf die Rückkehr zum Campus vor. Doch die Unsicherheit bleibt vielerorts bestehen.

Von Viktoria Spinrad, München

Jakob Voigt hatte sich die Zeit nach dem Abitur schön vorgestellt. Ein Jahr reisen, Sizilien, Japan, die Welt sehen. Doch dann kam der Lockdown, die Türen zur Welt: zu. Also schrieb sich der Berliner ein, Wirtschaftspsychologie an der Hochschule in Hof. Mit Sack und Pack fuhr der 19-Jährige im vergangenen Herbst von Steglitz nach Oberfranken. Einführungstage, Zweier-WG. Doch nach zwei Wochen war Schluss. Mit dem Winterlockdown folgte er dem Exodus ins heimische Nest. Doch jetzt, nach zwei Online-Semestern, soll es so richtig losgehen mit dem echten Studium. "Das wird noch einmal eine ganz andere Erfahrung", sagt er.

Zumindest nach dem Willen des Wissenschaftsministeriums. Mit der Rückkehr an die Hochschulen kündigte Minister Bernd Sibler (CSU) kürzlich eine 180 Grad-Wende in der Pandemiepolitik an den Hochschulen an. Demnach sollen diese ab dem kommenden Wintersemester mit Präsenzunterricht planen. Dafür entfällt auch die Abstandsregel von 1,5 Metern - vorausgesetzt, im Ort liegt die Inzidenz unter 100. So hat es das Kabinett Ende Juli beschlossen. Die Argumentation: Was für die Schulen gilt, müsse auch für die Hochschulen gelten.

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Diese müssen nun Lehrpläne auf alle Szenarien ausrichten und die Studierenden an den Campus zurückholen. Denn vielerorts waren viele wie Jakob Voigt in die Heimatstadt zurückgekehrt. "In Berlin hatte ich alle meine Freunde", sagt er - in Hof hingegen hatte er kaum Gelegenheit gehabt, seine Kommilitonen kennenzulernen. Weil es viele so machten wie er, glichen viele Campus Geisterstädten.

Zu einer Herausforderung wurde die Situation vor allem an den praktisch ausgerichteten Hochschulen. Zum Beispiel im Labor von Dirk Jacob. Normalerweise standen im Übungsraum des Professors für Elektrotechnik, der zugleich Vizepräsident der Hochschule Kempten ist, drei Studenten um einen Roboter. Wie lässt er sich bedienen, wie programmieren? Wie bewegt er sich? Doch dann ging es nur noch einzeln. Damit jeder mal rankonnte, schob Jacob Überstunden. Viele Studenten machten zudem Simulationen. Dass nun wieder auf Präsenz gesetzt wird, das begrüßt er: "Die Realität ist härter als jede Simulation", sagt er.

Um der Realität Herr zu werden, haben viele Hochschulen und Universitäten noch vor dem Sommer einen Impfbus vorfahren lassen. So auch an der TU München. Etwa eintausend Studierende hätten das Angebot angenommen, berichtet Sprecher Ulrich Meyer. Die Impfkampagne hatten Sibler und Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) angestoßen - wissend, dass die Impfquote den Präsenzunterricht retten könnte, wenn demnächst mehr als nur die Inzidenz zählt.

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Was aber nicht heißt, dass nun alle Lösungen aus der Coronazeit aus dem Fenster geschmissen werden. Gerade größere Vorlesungen werden in Bayern weiterhin oft vor dem Laptop stattfinden, zum Beispiel an der Münchner TU. "Videos haben den Vorteil, dass die Studierenden sie sich nochmals anschauen können", so Sprecher Meyer. Hybride Veranstaltungen, in denen ein Teil im Hörsaal und ein anderer zuhause vor dem Laptop sitzt, wird es wohl weniger geben. "Das ist didaktisch schwer zu lösen", sagt Jacob in Kempten.

Wie viel Logistik hinter der Aufrechterhaltung des Betriebs steckt, lässt sich an der Universität Regensburg beobachten. Dort hat man Schlachtpläne für verschiedene Szenarien geschmiedet: zum Beispiel dafür, wenn ein positiver Corona-Fall in einer Lehrveranstaltung oder einer Präsenzprüfung gemeldet wird. Doch die Unsicherheit bleibt vielerorts bestehen. Denn noch warten die Hochschulen auf konkrete Vorgaben der Politik, was die Überprüfung der Getesteten, Geimpften und Genesenen betrifft. "Wir können hier nicht jeden Eingang überwachen", sagt Dirk Jacob in Kempten. Viele Hochschulen hoffen auf Stichprobenlösungen.

Der Berliner Jakob Voigt hat die meisten seiner Kommilitonen erst nach den Abschlussprüfungen im Sommer kennengelernt. Die legendäre Boom Studentenfeier für Erstis wird er wohl auch in seinem dritten Semester nur von Hörensagen kennen. Dafür wird er als Teil der Studierendenvertretung Quiz- und Cocktailabende organisieren, vielleicht Präsenz, vielleicht in Online, je nachdem. Eine neue Wohnung hat er auch schon, zusammen mit seinem Mitbewohner, mit dem er bisher nur wenige Wochen zusammengewohnt hat. Und sogar für ein Auslandssemester in Nizza hat er sich angemeldet. Wenn alles gut geht, fliegt er im vierten Semester nach Südfrankreich.

© SZ vom 10.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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