Bildung:Uni Passau vor der Präsidentenwahl: Kritik an Amtsinhaberin

Universität Passa Präsident

An der Universität Passau herrscht seit längerem schlechte Stimmung.

(Foto: Universität Passau)
  • Im Sommer steht die Präsidentenwahl an der Uni Passau an - die Stimmung ist angespannt.
  • Professoren werfen Präsidentin Carola Jungwirth einen autokratischen Führungsstil vor. Es herrsche eine "Atmosphäre der Angst". Auch die Studierenden klagen.
  • Drei Professoren wollen Jungwirth im Juli wohl herausfordern.

Von Anna Günther, Passau

Das Klima an der Universität Passau ist seit Wochen belastet, ein Streit um Präsidentin Carola Jungwirth spaltet den Campus - und das vor der Präsidentenwahl. Ein Gremium, bestehened aus Universitätsrat und Dekanen muss entscheiden, welchen der vier Bewerber es für die Wahl Mitte Juli vorschlägt. Neben der Amtsinhaberin und Wirtschaftswissenschaftlerin Jungwirth und der Sprachwissenschaftlerin Ursula Reutner aus Passau stellen sich der Pädagoge Ulrich Bartosch aus Eichstätt und ein externer Mathematiker vor, der seine Kandidatur noch nicht öffentlich machen will.

Während einige auf externe Erlösung hoffen, ist der Wahlkampf entbrannt: Jungwirths Kritiker machen in den Medien mobil, sie hält in Reden und ihrer Videokolumne dagegen. Und Spötter witzeln in anonymen Chats wie Jodel über die "heilige Carola". Der Streit hat sich zugespitzt, seit Kritiker der Präsidentin Ende März in der SZ von autoritärem Führungsstil und einem Klima der Angst sprachen. "Die Fronten sind extrem verhärtet", sagt die studentische Senatorin Sophia Rockenmaier, 20.

Sie spricht als einzige offen, Professoren wollen aus Sorge vor Konsequenzen lieber anonym bleiben und beschreiben Jungwirth als sehr nachtragend. "Sie kann Dinge nicht ruhen lassen, tadelt Kritiker öffentlich", erzählt einer, der oft mit ihr zu tun hat. Andere bemängeln fehlende Souveränität, Kritikunfähigkeit und schlechte Kommunikation. Jungwirths Fürsprecher hatten in Leserbriefen moniert, dass Kritiker anonym blieben. Was könne einem verbeamteten Professor schon passieren?

Es gebe viele Wege, ihnen das Leben schwer zu machen, sagt Rockenmaier: Stellen oder Budget umverteilen, Projekte verschleppen, mit Disziplinarverfahren drohen. Eines gegen einen Professor hatte die Präsidentin angestrengt und verloren. Mitarbeiter sollen sich im Wissenschaftsministerium über Jungwirth beschwert haben. Sie selbst möchte das nicht kommentieren, verweist aufs Ministerium. Dort will man sich zu Personalangelegenheiten nicht äußern.

Im Passauer Studentenmagazin Blank sprechen Angestellte der Uni nun davon, dass Jungwirth öffentliche Kritik als Diffamierung der Uni und Kritiker als Nestbeschmutzer sehe. Diese Erfahrung macht gerade die studentische Senatorin Rockenmaier: Weil sie mit den Medien spreche, werde sie von vielen angegangen, sagt sie. Hintergrund ist der Blank-Text oder ein Missverständnis - je nach Lesart. In einer Mitarbeiterversammlung kurz nach dem SZ-Bericht hatten Anwesende Jungwirth so verstanden, dass sie dazu aufgerufen habe, Plauderer der Uni-Pressestelle zu melden.

Blank berichtete darüber und berief sich unter anderem auf Rockenmaier. Jungwirth stellte die Studentin daraufhin im Senat zur Rede. "Unsouverän und unpräsidial" sei das gewesen, sagt einer, der dabei war. "Sie hat sie an den Pranger gestellt", bestätigt ein anderer. "Von oben herab" sei Rockenmaier "getadelt" worden, sagt ein weiteres Senatsmitglied. Rockenmaier bestätigt den Vorfall, will sich aber nicht mehr dazu äußern, zu feindselig sei die Stimmung. Jungwirth betont, dass Senatssitzungen der Geheimhaltung unterlägen. Ihre Aussagen in der Mitarbeiterversammlung habe sie anders gemeint.

Zum Beleg schickt sie einen Auszug ihrer Rede: Die SZ habe Zoff in Passau wohl auf "Wiedervorlage", sie fürchte, dass die Uni wie vor der Wahl 2015 mit einem "Shitstorm" rechnen müsse, heißt es da. "Bitte melden Sie sich in der Presseabteilung, wenn Sie das Gefühl haben, da ist etwas im Busch. Die Presseabteilung hat Erfahrung im Umgang mit Shitstorms und wird Sie unterstützen." Ein Missverständnis? Ein Hilfsangebot? "Dass wir ihre Aussage anders verstanden haben - und es ging ja nicht nur mir so - sagt viel über das Klima an der Uni aus", sagt Rockenmaier.

Ein "schroffer Ton" und "unglückliche Kommunikation" werden kritisiert

Bildung: Falls es Carola Jungwirth bis Juli nicht gelingt, die Stimmung zu drehen und als Präsidentin der Passauer Universität wiedergewählt zu werden, bleibt ihr ein Amt, in das sie kürzlich gewählt wurde: Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. Amtsantritt 1. Juni 2019.

Falls es Carola Jungwirth bis Juli nicht gelingt, die Stimmung zu drehen und als Präsidentin der Passauer Universität wiedergewählt zu werden, bleibt ihr ein Amt, in das sie kürzlich gewählt wurde: Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. Amtsantritt 1. Juni 2019.

(Foto: Universität Passau)

Im Sommer 2015, darauf bezieht sich die Passage in der Rede, hatte ein als Jux gedachter Fensterl-Wettkampf der Sportstudenten eine heftige Gender- und Sexismus-Debatte ausgelöst. Sogar die CSU-Spitze mischte sich ein. Der Wettkampf fiel aus. Jungwirth löste wenig später den Unipräsidenten Burkhard Freitag ab und galt als Hoffnungsträgerin. Mehr Transparenz, versprach sie, mehr Beteiligung und Eigenständigkeit der Fakultäten. "Erstklassig und europaweit sichtbar" sollte die Uni werden.

Von der Aufbruchsstimmung ist wenig übrig geblieben. Wie vor jeder Wahl kochen gerade angestauter Frust und Kritik hoch. Präsidenten, die unbeliebte Entscheidungen treffen, werden in Ranglisten oder Beliebtheitsumfragen nach hinten durchgereicht. Aber Querelen dieser Art sind vor Uniwahlen selten. In Passau entladen sich Enttäuschungen und Irritationen in massiver Kritik und dem Wunsch nach einem Wechsel. Zudem sind die studentischen Senatoren sehr kritisch. "Wir machen den Mund auf", sagt Rockenmaier, das sei nicht immer so gewesen.

Sie ist seit Oktober 2018 im Amt, nennt es "ultima ratio", an die Presse zu gehen. Öffentlichkeit sei das einzige Mittel, um sich beim Präsidium Gehör zu verschaffen. Gespräche gebe es zwar, sagt Rockenmaier, danach würden Einwände und Ideen ignoriert. "Sie hört sich alle Bedenken an, aber dann macht sie doch, was sie will", bestätigt ein Professor. Sie schaffe Fakten, obwohl Gremien und Fakultäten dagegen seien oder Nachbesserungen fordern. Diese Macht verleiht ihr das Hochschulgesetz. Die Präsidentin hat weitreichende Befugnisse, kann schnelle Entscheidungen treffen. "Nur weil sie die Möglichkeit hat, muss sie diese ja nicht in jedem Fall ausnutzen", sagt Rockenmaier.

Jungwirth will die Uni Passau voranbringen. Mehr Digitalisierung, mehr Exzellenz in der Forschung. Aber sie irritiert zuweilen mit Schnellschüssen. Beim Medizinstudiengang löste ihre prompte Zusage zur ersten Idee von FDP und SPD Kopfschütteln aus. Die Passauer CSU gab contra, das Projekt fiel im Landtag durch - weil es noch kein Konzept gab und in Deggendorf längst eine Alternative geplant ist.

Jungwirth setze falsche Schwerpunkte, kritisieren Professoren und Studenten, sie kümmere sich um Prestigeprojekte statt die Studienbedingungen zu verbessern: 12 000 Studenten lernen und forschen in Passau, 15 000 sollen es werden. Selbst am Zoff unbeteiligte Studenten klagen schon länger über fehlendes Lehrpersonal, überfüllte Hörsäle und Seminare, Wartelisten für Kurse. Wer nicht reinkommt, muss im schlimmsten Fall länger studieren. Groß ist der Ärger in den Geisteswissenschaften, die mal als Passaus Flaggschiff galten. An der Philosophischen Fakultät lernen die meisten Studenten. Dort wird es durch den Zuwachs im Grundschullehramt noch enger. Die Italianistik wurde geschlossen. Weil die Nachfrage zu gering sei, hieß es, und die Stelle anderswo gebraucht wurde. Jungwirths Fürsprecher an der Uni beklagen die Querelen und deren negative Auswirkungen auf den Ruf der Universität. Aber auch hier werden ein "schroffer Ton" und "unglückliche Kommunikation" bestätigt. So schlimm wie behauptet sei das aber "bei weitem nicht", sagt einer.

Mit der Kritik konfrontiert, gibt Jungwirth sich betont entspannt, nimmt sich Zeit für ein ausführliches Gespräch. Die Antworten auf die Fragen kommen dann schriftlich: Die Unzufriedenheit über die Enge sei ihr bewusst, heißt es da, aber die Unileitung unternehme viel dagegen, miete zusätzliche Seminarräume an, entzerre das Gedränge in der Mensa durch andere Vorlesungszeiten, gebe fünf neue Dozentenstellen ins Grundschullehramt, baue das Wlan aus. Es betrübe sie, dass die studentischen Senatoren einen Wechsel wollten, sagt Jungwirth. Zu den anderen Studenten habe sie ein sehr gutes Verhältnis. Sie verweist auf die Befragungen zu Qualität und Zufriedenheit, wonach gut 80 Prozent der Befragten gern in Passau studieren und zügig abschließen. Ähnlich positiv falle die Befragung des nicht-wissenschaftlichen Personals aus. Eines gesteht Jungwirth ein: "Manche Themen hätten jedoch besser kommuniziert werden können." Und sie verspricht: Sie wolle dem künftig mehr Aufmerksamkeit widmen.

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