Umweltbildung und Besucherlenkung:Wie sich 67 Gebietsbetreuer um besondere Schutzgebiete kümmern

Umweltbildung und Besucherlenkung: Die Urwildpferde pflegen die wüstenähnliche Landschaft im Tennenloher Forst.

Die Urwildpferde pflegen die wüstenähnliche Landschaft im Tennenloher Forst.

(Foto: Landschaftspflegeverband Mittelfranken)
  • 67 Gebietsbetreuer und -betreuerinnen gibt es in Bayern, sie arbeiten in 56 Schutzgebieten und anderen besonderen Regionen.
  • Sie werben für das jeweilige Gebiet und entschärfen Konflikte mit Landwirten, Ausflüglern und Touristen, aber auch unter Behörden.
  • Sie sind unabhängig, also keiner Behörde, keinem Umweltverband oder anderen Organisationen zugeordnet.

Von Christian Sebald

Sechzehn Jahre im selben Job, da kommt schon mal Routine oder sogar Langeweile auf. Nicht bei Wiebkea Bromisch. "Die Urwildpferde sind mein Herzensprojekt", sagt Bromisch, 44, studierte Wildtiermanagerin und Ökologin. "Und mein Job als Gebietsbetreuerin in Tennenlohe bietet so viel Freiheit, da ist kein Tag wie der andere - draußen bei den Tieren und den Besuchern, die Zusammenarbeit mit Behörden und Verbänden oder im Büro mit den Kolleginnen." Bromisch ist glücklich wie am ersten Tag, sagt sie, als sie frisch von der Uni weg ihre Stelle als Gebietsbetreuerin im Naturschutzgebiet Tennenloher Forst angetreten hat.

67 Gebietsbetreuer und -betreuerinnen gibt es in Bayern, Bromisch ist eine davon. Sie und ihre Kollegen arbeiten quer über den Freistaat verteilt in 56 Schutzgebieten und anderen besonderen Regionen. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, für das jeweilige Gebiet zu werben und Konflikte mit den Landwirten, den Ausflüglern und Touristen, aber auch unter Behörden zu entschärfen. Ihr Instrument ist das Gespräch - bei den Führungen, zu denen sie regelmäßig einladen, aber auch bei Vorträgen, Diskussionsrunden und ähnlichem mehr. "Unsere Gebietsbetreuer sind zentral in der Umweltbildung, der Besucherlenkung und im Konfliktmanagement", sagt Umweltminister Thorsten Glauber. "Vor allem aber sind sie Ansprechpartner vor Ort." Besonders für die Bauern, die sich gerne von ihnen beraten lassen, wie sie ihre Flächen naturschonend bewirtschaften können.

Das Naturschutzgebiet Tennenloher Forst, für das Bromisch mit zwei weiteren Kolleginnen zuständig ist, liegt im Osten von Erlangen und ist ein karges Sandbodenbiotop, wie es nur ganz wenige gibt in Bayern. Es erstreckt sich auf 943 Hektar Fläche und war Jahrzehnte lang ein Truppenübungsplatz. Auf den ehemaligen Schießbahnen, auf denen erst Soldaten der Reichswehr und später der US-Army übten, herrschen im Sommer Lebensbedingungen wie in einer Wüste. Der Grund: Sie wurden immer und immer wieder von Panzern und anderen schweren Militärfahrzeugen durchpflügt, so dass der Sandboden offen da liegt. Entsprechend speziell sind Flora und Fauna dort.

Es gedeiht das Silbergras. Dank seiner feinen Wurzeln kann es bei monatelanger Trockenheit die letzten Tropfen Wasser aus dem Sandboden ziehen. Auch der Sandlaufkäfer fühlt sich sehr wohl. Mit seinen langen, feingliedrigen Beinen, mit denen er über extrem heißen Sand flitzt, erinnert er an einen Stelzenläufer. Außerdem trifft man graubraune oder rötlich-braune Schlingnattern an. Sie können bis zu 90 Zentimeter lang werden und sind harmlos, werden aber oft mit Kreuzottern verwechselt. An die 1600 Tier- und Pflanzenarten haben Experten im Tennenloher Forst gezählt, ein gutes Fünftel davon steht auf einer Roten Liste.

Und dann sind da die Urwildpferde (Equus ferus przewalskii). Sie stammen aus den Nachzuchten der Tierparks in München und Nürnberg. Ihre einzige Aufgabe ist es, auf den vormaligen Schießbahnen alle Pflanzen zu fressen, damit diese frei von Bewuchs bleiben. Gäbe es die Urwildpferde nicht, wäre es schnell vorbei mit der speziellen Fauna und Flora. Die "fränkische Wüste", wie Einheimische das Naturschutzgebiet auch nennen, würde zuwachsen. Erst würden Gestrüpp und Buschwerk, später ein Wald Silbergras, Sandlaufkäfer, Schlingnattern und die übrige Wüstenflora und -fauna verdrängen.

Bromisch managt das Naturschutzgebiet Tennenloher Forst, seit dort 2003 die Urwildpferde angeschafft worden sind. Mit ihnen haben sie und ihre beiden Kolleginnen die meiste Arbeit, allein schon weil sie täglich nach ihnen sehen müssen. Aber sie müssen auch Spaziergängern und Radlern immer und immer wieder erklären, dass sie das weitläufige Gehege nicht betreten dürfen und andere Teile des Schutzgebiets ebenfalls ungestört bleiben sollen. In der warmen Jahreszeit veranstalten sie mindestens einmal im Monat eine Führung durch den Tennenloher Forst. "Da kommt ganz schön was zusammen", sagt Bromisch. Zumal es nur eine Planstelle ist, die sich die drei Frauen teilen. 2017 haben die 67 Gebietsbetreuer bayernweit 717 Führungen angeboten, 128 Projekttage veranstaltet und 187 Vorträge gehalten.

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Auch nach 16 Jahren ist Wiebkea Bromisch in ihrem Job so glücklich wie am ersten Tag.

(Foto: Andreas Riedmiller/oh)

So vielfältig die Landschaften Bayerns sind, so verschieden sind die Aufgaben der Gebietsbetreuer. Im oberpfälzischen Hohenburg etwa engagiert sich Rudi Leitl für die Große Hufeisennase. Die Fledermausart stand in Deutschland kurz vor dem Aussterben. Leitl, der seit jeher ein Faible für Fledermäuse hat, entdeckte bei Hohenfels die letzte große Kolonie, in der sich die Säugetiere noch fortpflanzten. Seit er sich als Gebietsbetreuer um die Kolonie kümmert, wächst und gedeiht sie. Oder Adi Geyer und die Steinbrüche in Eichstätt und Weißenburg-Gunzenhausen. Sie sind seit jeher Lebensräume für seltene Gelbbauchunken und Wechselkröten. Geyer hat Konzepte entwickelt, wie Gesteinsabbau und Amphibienschutz zusammengehen. Sie werden inzwischen auch in anderen Regionen Bayerns angewendet.

Bei allen Unterschieden haben alle Gebietsbetreuer eines gemeinsam: Sie sind unabhängig. Das heißt, sie sind keiner Behörde, aber auch keinem Umweltverband oder anderen Organisation zugeordnet. Sie arbeiten ausschließlich für ihr Projekt. Diese Freiheit garantiert ihnen der Bayerische Naturschutzfonds. Das ist eine Stiftung des Freistaats, die Naturschutzprojekte fördert. Sie gibt inzwischen fast sieben Millionen Euro im Jahr für die Gebietsbetreuer aus und finanziert damit den Löwenanteil der Planstellen. Zwar sind diese bei Kommunen, lokalen Naturvereinen, Stiftungen, Landschaftspflegeverbänden und Umweltverbänden angesiedelt. Aber da die Träger nur wenig zu ihrer Finanzierung beisteuern, können sie die Gebietsbetreuer nicht für sich vereinnahmen.

Inzwischen gibt es auch längst Gebietsbetreuer in der Rhön, im Spessart, im Bayerischen Wald und in den Alpen, von den Tobeln bei Lindau über die Allgäuer Hochalpen und den Karwendel bis hin zu den überlaufenen Münchner Hausbergen. Alles in allem betreuen sie inzwischen gut zwei Millionen Hektar Landesfläche. Das ist fast ein Drittel Bayerns. Seit wenigen Jahren werden sie verstärkt in den Wiesenbrüter-Gebieten im oberen Altmühltal, an der Unteren Isar, im Donaumoos und anderswo eingesetzt. Denn Rotschenkel, Uferschnepfe, Bekassine und die anderen heimischen Wiesenbrüterarten sind inzwischen ebenso vom Aussterben bedroht wie die Großen Hufeisennasen in Hohenburg. Oder die Gelbbauchunken und Wechselkröten in den Steinbrüchen im Altmühltal. Oder das Silbergras, die Sandlaufkäfer und die Schlingnattern in Tennenlohe.

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