Landespolitik in Bayern:Kellner Hubert und die fünf Prozent

Freie Wähler und CSU

Seit der Landtagswahl 2018 koalieren Markus Söder (CSU; links) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) miteinander.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Das Rustikal-Konservative beherrschen die Freien Wähler, doch in der Corona-Krise scheinen andere Qualitäten gefragt zu sein. In einer aktuellen Umfrage ist die Truppe um Hubert Aiwanger abgestürzt - denn wofür steht sie eigentlich?

Kommentar von Johann Osel

Vielleicht sollte man diese Analyse mit einer älteren Dame aus der Gegend um Dingolfing beginnen. Am Abend der Landtagswahl 2018 erzählte deren Sohn auf der Wahlparty der AfD von seinem Bemühen, sie zum Kreuz für seine Partei zu animieren. Doch sie beharrte auf den Freien Wählern (FW), wegen der "Strabs". Diese Regel, nach der Anwohner beim Straßenausbau mitzahlen mussten, hatte die CSU auf Druck der FW gekippt. "Meine Mama hat sich durch Aiwanger 26 000 Euro gespart. Die konnte gar nicht anders", sagte der Sohn.

Allgemein verstehen es die Freien Wähler, eine Art rustikal-konservatives Lebensgefühl zu bedienen, das in der CSU zwar bis heute Platz haben mag, das aber im Zuge einer Aalglattisierung der Volkspartei kaum noch einer betont. Neulich sagte Aiwanger sinngemäß, ein anständiger Bauarbeiter falle vom Gerüst, wenn man ihm Lauch statt Wammerl vorsetze. Oft rügt er, dass all die Gscheithaferl in den Zeitungsredaktionen nur Latte Macchiato in ihren urbanen Cliquen tränken - anstatt die Sorgen der Landbevölkerung zu erfragen. 2018 hat sich die Kultur des "Das wird man doch noch sagen dürfen" für die FW bewährt: 11,6 Prozent. Jetzt sieht der "Bayerntrend" sie an der Fünf-Prozent-Hürde. Was ist passiert?

Es ist einerseits die Krise. Ministerpräsident Söder hat vieles gut gemacht, kleine Stimmungen und Verstimmungen verblassen. Stammtische oder Musikantentreffen, an denen gesagt wird "a Hund is a scho, der Hubert!", fallen Corona-bedingt aus. Dazu kommt die Regierungsbeteiligung. Das Zetern über "die da oben", das Aiwanger beherrscht, ist perdu. Kanzler Gerhard Schröder hat für Rot-Grün das Bonmot "Koch und Kellner" geprägt. In Bayern ist es so: Söder serviert direkt aus der Küche heraus, Kellner Aiwanger bleibt die Bespaßung der Gäste. Er geht reihum und erzählt Witze.

Natürlich sind Umfragen nur Momentaufnahmen. Und doch müssen die FW ihre Rolle klären - abseits des Blitzableiters für Leute, denen die CSU zu mittig wird, aber der Weg zur AfD viel zu weit ist. Wofür steht man? Starke Kommunen? Keiner will leidende Dörfer. Bürgernahe Politik? Reklamiert jeder für sich. Auf Google gibt es eine Auto-Vervollständigung bei häufig gesuchten Begriffen. Vorschlag bei "Wofür stehen die F...?": Freie Wähler.

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